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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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gehen kann, -- um etwa einige weibliche Gesichter anzusehen, oder
die Gartenpartien -- ohne hinten und vornen und seitwärts von
100 Augen verfolgt; oder, wenn er gar ins Sprechen kommt und
sagt: "Ihr Diener" oder "eine Flasche Doppelbier", von den nächsten
Ohren verschlungen zu werden. Gnade dann Gott dem armen5
Narren, wenn er vollends etwas Dummes sagt anstatt das Aller-
witzigste und Erhabenste. Einen oder ein Paar Verehrer und Ver-
ehrerinnen an jedem Orte lass' ich mir gefallen; man wird aber
am Ende so unverschämt und gleichgültig wie ein Prinz und thut
als sei man zu Hause, nämlich in Baireut.10


Ich will doch auf gerade wol heute den Brief abschicken; ob er
vielleicht eher kommt. -- Nur noch einiges. Der gute Graf Berol-
dingen und sie nahmen mich neulich zu einem Pickenick auf die Geis-
burg (ein sehr schöner Berggarten), wo der österreichische Gesandte15
Trautmannsdorf, der baiersche Tautphäus, der preußische Köster
(dessen Frau sich noch des Lebens mit dir grüßend erinnert), der
hiesige Minister der auswärtigen Angelegenheiten Winzingrode,
der junge aber reichausgebildete Graf Kufstein, die Oberhofmeisterin
von Seckendorf -- eine Frau von der lustigsten Laune -- und noch20
andere Weiber waren und alles heiter und frei. Darauf oder abends
fuhr die Gesellschaft und ich mit dem Grafen nach der Silberburg,
die schönste Stelle für mich. Alles Schöne liegt aber weit von
Stuttgart; ach es ist kein Heidelberg oder Frankfurt. -- Cotta, bei
dem ich heute zum ersten male esse, kam schon Sonnabends; er ge-25
währt die reichste Unterhaltung bis sogar in die Philosophie hinein.
-- Der Professor Reinbeck hat bei seinem Ehrenwort der Haus-
man[n]skost mich auf immer an seinen Tisch geladen. Er hielt es;
im niedlichen Eßzimmer stand ein Bett. Er hat eine herzige gebende,
obwol nicht schöne Frau. An demselben Tage ging ich mit dem30
geheimen Rath von Hartmann -- als Muster verehrt und ein
Liebling der Königin -- nach Geisburg, wo Reinbeck eine große
Gesellschaft versammelt hatte, zumal von Weibern. Ich vergesse
aber die Namen, sobald ich sie gehört. -- Die alte Huber -- bei der
ich auch zum Thee war -- ist voll Geist und Herz (das letzte werd' ich35
dir zeigen, wenn ich mit Herder, dem Manne ihrer Tochter, von ihr

gehen kann, — um etwa einige weibliche Geſichter anzuſehen, oder
die Gartenpartien — ohne hinten und vornen und ſeitwärts von
100 Augen verfolgt; oder, wenn er gar ins Sprechen kommt und
ſagt: „Ihr Diener“ oder „eine Flaſche Doppelbier“, von den nächſten
Ohren verſchlungen zu werden. Gnade dann Gott dem armen5
Narren, wenn er vollends etwas Dummes ſagt anſtatt das Aller-
witzigſte und Erhabenſte. Einen oder ein Paar Verehrer und Ver-
ehrerinnen an jedem Orte laſſ’ ich mir gefallen; man wird aber
am Ende ſo unverſchämt und gleichgültig wie ein Prinz und thut
als ſei man zu Hauſe, nämlich in Baireut.10


Ich will doch auf gerade wol heute den Brief abſchicken; ob er
vielleicht eher kommt. — Nur noch einiges. Der gute Graf Berol-
dingen und ſie nahmen mich neulich zu einem Pickenick auf die Geis-
burg (ein ſehr ſchöner Berggarten), wo der öſterreichiſche Geſandte15
Trautmannsdorf, der baierſche Tautphäus, der preußiſche Köſter
(deſſen Frau ſich noch des Lebens mit dir grüßend erinnert), der
hieſige Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten Winzingrode,
der junge aber reichausgebildete Graf Kufſtein, die Oberhofmeiſterin
von Seckendorf — eine Frau von der luſtigſten Laune — und noch20
andere Weiber waren und alles heiter und frei. Darauf oder abends
fuhr die Geſellſchaft und ich mit dem Grafen nach der Silberburg,
die ſchönſte Stelle für mich. Alles Schöne liegt aber weit von
Stuttgart; ach es iſt kein Heidelberg oder Frankfurt. — Cotta, bei
dem ich heute zum erſten male eſſe, kam ſchon Sonnabends; er ge-25
währt die reichſte Unterhaltung bis ſogar in die Philoſophie hinein.
— Der Profeſſor Reinbeck hat bei ſeinem Ehrenwort der Haus-
man[n]skoſt mich auf immer an ſeinen Tiſch geladen. Er hielt es;
im niedlichen Eßzimmer ſtand ein Bett. Er hat eine herzige gebende,
obwol nicht ſchöne Frau. An demſelben Tage ging ich mit dem30
geheimen Rath von Hartmann — als Muſter verehrt und ein
Liebling der Königin — nach Geisburg, wo Reinbeck eine große
Geſellſchaft verſammelt hatte, zumal von Weibern. Ich vergeſſe
aber die Namen, ſobald ich ſie gehört. — Die alte Huber — bei der
ich auch zum Thée war — iſt voll Geiſt und Herz (das letzte werd’ ich35
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[272/0280] gehen kann, — um etwa einige weibliche Geſichter anzuſehen, oder die Gartenpartien — ohne hinten und vornen und ſeitwärts von 100 Augen verfolgt; oder, wenn er gar ins Sprechen kommt und ſagt: „Ihr Diener“ oder „eine Flaſche Doppelbier“, von den nächſten Ohren verſchlungen zu werden. Gnade dann Gott dem armen 5 Narren, wenn er vollends etwas Dummes ſagt anſtatt das Aller- witzigſte und Erhabenſte. Einen oder ein Paar Verehrer und Ver- ehrerinnen an jedem Orte laſſ’ ich mir gefallen; man wird aber am Ende ſo unverſchämt und gleichgültig wie ein Prinz und thut als ſei man zu Hauſe, nämlich in Baireut. 10 Donnerſtags Ich will doch auf gerade wol heute den Brief abſchicken; ob er vielleicht eher kommt. — Nur noch einiges. Der gute Graf Berol- dingen und ſie nahmen mich neulich zu einem Pickenick auf die Geis- burg (ein ſehr ſchöner Berggarten), wo der öſterreichiſche Geſandte 15 Trautmannsdorf, der baierſche Tautphäus, der preußiſche Köſter (deſſen Frau ſich noch des Lebens mit dir grüßend erinnert), der hieſige Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten Winzingrode, der junge aber reichausgebildete Graf Kufſtein, die Oberhofmeiſterin von Seckendorf — eine Frau von der luſtigſten Laune — und noch 20 andere Weiber waren und alles heiter und frei. Darauf oder abends fuhr die Geſellſchaft und ich mit dem Grafen nach der Silberburg, die ſchönſte Stelle für mich. Alles Schöne liegt aber weit von Stuttgart; ach es iſt kein Heidelberg oder Frankfurt. — Cotta, bei dem ich heute zum erſten male eſſe, kam ſchon Sonnabends; er ge- 25 währt die reichſte Unterhaltung bis ſogar in die Philoſophie hinein. — Der Profeſſor Reinbeck hat bei ſeinem Ehrenwort der Haus- man[n]skoſt mich auf immer an ſeinen Tiſch geladen. Er hielt es; im niedlichen Eßzimmer ſtand ein Bett. Er hat eine herzige gebende, obwol nicht ſchöne Frau. An demſelben Tage ging ich mit dem 30 geheimen Rath von Hartmann — als Muſter verehrt und ein Liebling der Königin — nach Geisburg, wo Reinbeck eine große Geſellſchaft verſammelt hatte, zumal von Weibern. Ich vergeſſe aber die Namen, ſobald ich ſie gehört. — Die alte Huber — bei der ich auch zum Thée war — iſt voll Geiſt und Herz (das letzte werd’ ich 35 dir zeigen, wenn ich mit Herder, dem Manne ihrer Tochter, von ihr

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/280>, abgerufen am 22.11.2024.