Die Herzogin von Kurland verweilt einige Tage bei Euch. Bringe dieser Allgeliebten (ich habe ihr deinen Besuch schon versprochen) meine wärmsten Nachwünsche und die herzlichsten Liebe-Erklärungen meiner Frau, welche beinahe in den Gasthof gegangen wäre, um einen zweiten Abschied von ihr zu nehmen. Jetzo kommt nun meine5 Bitte an dich. Sie und die Gräfin Chassepot haben mir versprochen, einen Aufsatz von mir, den ich in Löbichau gemacht, "Gedanken vor dem Frühstück und vor dem Nachtstück", auszupacken und ihn mir in Heidelberg abschreiben zu lassen. Ich traue aber einem vornehmen Gedächtnisse sehr wenig. Sei du also eines für die Gräfin und erin-10 nere sie an ihr Wort. -- Dem Grafen von Medem gib dieses Stamm- buchblättchen.
Deinen Lear hab' ich mit großer Freude über deine Sprachsiege -- einige Härten der Kürze und der Dunkelheit abgerechnet -- durch- gelesen. Nächstens mehr. -- Ständen doch immer die nachweisenden15 Nummern der Noten im Texte! Durch euere Keckheit, den einsyl- bigen Britten in einen einsylbigen Deutschen zu verwandeln, gewinnt unsere Sprache wahrhaft, deren Wasser andere so wenig wie das physische einer Zusammendrückung fähig halten. Den Brief an deinen Abraham lass' ich durch deine Hände gehen. Ich grüße20 die Deinigen.
Dein J. P. F. Richter
585. An Stadtgerichtsdirektor Schweitzer in Bayreuth.
[Kopie][Bayreuth, 16. Okt. 1819]25
Es ist recht zu bedauern, daß es in unserer Harmonie zweierlei ehrliche und verehrliche Mitglieder gibt, solche, die nichts entwenden wie ich und Sie, und solche, die wirklich stehlen, wie die, welche die Morgenblatt Viert[eljahre], die ich eben brauche, auf immer nach Hause genommen.30
586. An Professor Thiersch in München.
[Kopie][Bayreuth, 23. Okt. 1819]
-- -- Seine Lustreise sollte ihn durch ein gütiges Geschick zu dem rechten philologischen Wegweiser und Wegaufseher führen. Sein
Die Herzogin von Kurland verweilt einige Tage bei Euch. Bringe dieſer Allgeliebten (ich habe ihr deinen Beſuch ſchon verſprochen) meine wärmſten Nachwünſche und die herzlichſten Liebe-Erklärungen meiner Frau, welche beinahe in den Gaſthof gegangen wäre, um einen zweiten Abſchied von ihr zu nehmen. Jetzo kommt nun meine5 Bitte an dich. Sie und die Gräfin Chassepot haben mir verſprochen, einen Aufſatz von mir, den ich in Löbichau gemacht, „Gedanken vor dem Frühſtück und vor dem Nachtſtück“, auszupacken und ihn mir in Heidelberg abſchreiben zu laſſen. Ich traue aber einem vornehmen Gedächtniſſe ſehr wenig. Sei du alſo eines für die Gräfin und erin-10 nere ſie an ihr Wort. — Dem Grafen von Medem gib dieſes Stamm- buchblättchen.
Deinen Lear hab’ ich mit großer Freude über deine Sprachſiege — einige Härten der Kürze und der Dunkelheit abgerechnet — durch- geleſen. Nächſtens mehr. — Ständen doch immer die nachweiſenden15 Nummern der Noten im Texte! Durch euere Keckheit, den einſyl- bigen Britten in einen einſylbigen Deutſchen zu verwandeln, gewinnt unſere Sprache wahrhaft, deren Waſſer andere ſo wenig wie das phyſiſche einer Zuſammendrückung fähig halten. Den Brief an deinen Abraham laſſ’ ich durch deine Hände gehen. Ich grüße20 die Deinigen.
Dein J. P. F. Richter
585. An Stadtgerichtsdirektor Schweitzer in Bayreuth.
[Kopie][Bayreuth, 16. Okt. 1819]25
Es iſt recht zu bedauern, daß es in unſerer Harmonie zweierlei ehrliche und verehrliche Mitglieder gibt, ſolche, die nichts entwenden wie ich und Sie, und ſolche, die wirklich ſtehlen, wie die, welche die Morgenblatt Viert[eljahre], die ich eben brauche, auf immer nach Hauſe genommen.30
586. An Profeſſor Thierſch in München.
[Kopie][Bayreuth, 23. Okt. 1819]
— — Seine Luſtreiſe ſollte ihn durch ein gütiges Geſchick zu dem rechten philologiſchen Wegweiſer und Wegaufſeher führen. Sein
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[308/0320]
Die Herzogin von Kurland verweilt einige Tage bei Euch. Bringe
dieſer Allgeliebten (ich habe ihr deinen Beſuch ſchon verſprochen)
meine wärmſten Nachwünſche und die herzlichſten Liebe-Erklärungen
meiner Frau, welche beinahe in den Gaſthof gegangen wäre, um
einen zweiten Abſchied von ihr zu nehmen. Jetzo kommt nun meine 5
Bitte an dich. Sie und die Gräfin Chassepot haben mir verſprochen,
einen Aufſatz von mir, den ich in Löbichau gemacht, „Gedanken vor
dem Frühſtück und vor dem Nachtſtück“, auszupacken und ihn mir in
Heidelberg abſchreiben zu laſſen. Ich traue aber einem vornehmen
Gedächtniſſe ſehr wenig. Sei du alſo eines für die Gräfin und erin- 10
nere ſie an ihr Wort. — Dem Grafen von Medem gib dieſes Stamm-
buchblättchen.
Deinen Lear hab’ ich mit großer Freude über deine Sprachſiege
— einige Härten der Kürze und der Dunkelheit abgerechnet — durch-
geleſen. Nächſtens mehr. — Ständen doch immer die nachweiſenden 15
Nummern der Noten im Texte! Durch euere Keckheit, den einſyl-
bigen Britten in einen einſylbigen Deutſchen zu verwandeln, gewinnt
unſere Sprache wahrhaft, deren Waſſer andere ſo wenig wie das
phyſiſche einer Zuſammendrückung fähig halten. Den Brief an
deinen Abraham laſſ’ ich durch deine Hände gehen. Ich grüße 20
die Deinigen.
Dein
J. P. F. Richter
585. An Stadtgerichtsdirektor Schweitzer in Bayreuth.
[Bayreuth, 16. Okt. 1819] 25
Es iſt recht zu bedauern, daß es in unſerer Harmonie zweierlei
ehrliche und verehrliche Mitglieder gibt, ſolche, die nichts entwenden
wie ich und Sie, und ſolche, die wirklich ſtehlen, wie die, welche die
Morgenblatt Viert[eljahre], die ich eben brauche, auf immer nach
Hauſe genommen. 30
586. An Profeſſor Thierſch in München.
[Bayreuth, 23. Okt. 1819]
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/320>, abgerufen am 16.07.2024.
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