zutragen sich bequemen. -- Dafür ist deine Auswahl für beide desto reicher und überraschender und ich freue mich auf den Freitag. Aus ihren hier beigelegten so mäßigen Wünschen kannst du die künftige Entzückung über das Übertreffen derselben dir weissagen. Auch mir hast du eine wahre kindische Freude mit dem Fernglase gemacht;5 und ich freue mich auf dessen öffentlichen Gebrauch vor ihnen und andern. Längst sucht ich in Frankfurt und Stuttgart ein ähnliches -- so schön erräthst du meine Wünsche. --
Ich bin sehr einsam, aber jetzo sehr froh, da nun auch mein Neujahraufsatz und die dritte Herbstblumine auf der Post sind und10 ich die Freiheit neuer Arbeiten wie ein weites Morgenland vor mir habe. Der Winter führte seinen kleinen Krieg, nicht den großen mit mir. Aus dem Darmkanal schlug ich ihn heraus durch eine gute Einreibung. Dann faßte er Fuß im linken Fuß mit Gicht; auch hier zog er sich vor meinem Wollstrumpf und Wachstaffent bis15 auf einige Schmerzen zurück. Der Symmetrie wegen brachte er noch am rechten Schenkel eine große Blutbeule an. Und so mußt' ich denn über 10 Tage zu Hause bleiben -- morgen geh' ich aus --, ohne Gesellschaft, sogar ohne die ungesellige Harmonie und häufig ohne die Kinder, welchen ich gern das allgemeine Bewerben um sie20 nicht störte. Mein herrlicher Emanuel war einmal bei mir. -- Otto sah ich einmal, an seinem Geburttage, bei Östreicher, aber bei Fremden werden wir uns vollends noch -- fremder. -- Kleider hab' ich vielleicht über mein Leben hinaus; aber was ich mir vom geliebten Vater wünsche, ist ein Schlafrock, worin ich dann auch25 dir angenehmer erscheinen könnte, wenn ich den geistigen Werth nicht durch tägliches Tragen abnützte. --
d. 23ten
Fürchte nicht meinetwegen die gewisse Strenge des Jenners. Denn Unterleib und Füße sind eben im Voraus Ableiter des Ober-30 leibs geworden. Werde nur du im Froste nicht krank -- oder viel- mehr nicht sorglos; denn dir stehen ja die besten Aerzte nahe genug. -- An den guten alten Bedienten hab' ich oft gedacht; gewiß hatt' er größere Hoffnungen gehegt als das Schicksal ihm erfüllte -- seid ihm doch das günstigere Schicksal! -- Der geliebten Henriette,35 welche meine Verehrung grüßt, war doch mein Blättchen an sie
zutragen ſich bequemen. — Dafür iſt deine Auswahl für beide deſto reicher und überraſchender und ich freue mich auf den Freitag. Aus ihren hier beigelegten ſo mäßigen Wünſchen kannſt du die künftige Entzückung über das Übertreffen derſelben dir weiſſagen. Auch mir haſt du eine wahre kindiſche Freude mit dem Fernglaſe gemacht;5 und ich freue mich auf deſſen öffentlichen Gebrauch vor ihnen und andern. Längſt ſucht ich in Frankfurt und Stuttgart ein ähnliches — ſo ſchön erräthſt du meine Wünſche. —
Ich bin ſehr einſam, aber jetzo ſehr froh, da nun auch mein Neujahraufſatz und die dritte Herbſtblumine auf der Poſt ſind und10 ich die Freiheit neuer Arbeiten wie ein weites Morgenland vor mir habe. Der Winter führte ſeinen kleinen Krieg, nicht den großen mit mir. Aus dem Darmkanal ſchlug ich ihn heraus durch eine gute Einreibung. Dann faßte er Fuß im linken Fuß mit Gicht; auch hier zog er ſich vor meinem Wollſtrumpf und Wachstaffent bis15 auf einige Schmerzen zurück. Der Symmetrie wegen brachte er noch am rechten Schenkel eine große Blutbeule an. Und ſo mußt’ ich denn über 10 Tage zu Hauſe bleiben — morgen geh’ ich aus —, ohne Geſellſchaft, ſogar ohne die ungeſellige Harmonie und häufig ohne die Kinder, welchen ich gern das allgemeine Bewerben um ſie20 nicht ſtörte. Mein herrlicher Emanuel war einmal bei mir. — Otto ſah ich einmal, an ſeinem Geburttage, bei Öſtreicher, aber bei Fremden werden wir uns vollends noch — fremder. — Kleider hab’ ich vielleicht über mein Leben hinaus; aber was ich mir vom geliebten Vater wünſche, iſt ein Schlafrock, worin ich dann auch25 dir angenehmer erſcheinen könnte, wenn ich den geiſtigen Werth nicht durch tägliches Tragen abnützte. —
d. 23ten
Fürchte nicht meinetwegen die gewiſſe Strenge des Jenners. Denn Unterleib und Füße ſind eben im Voraus Ableiter des Ober-30 leibs geworden. Werde nur du im Froſte nicht krank — oder viel- mehr nicht ſorglos; denn dir ſtehen ja die beſten Aerzte nahe genug. — An den guten alten Bedienten hab’ ich oft gedacht; gewiß hatt’ er größere Hoffnungen gehegt als das Schickſal ihm erfüllte — ſeid ihm doch das günſtigere Schickſal! — Der geliebten Henriette,35 welche meine Verehrung grüßt, war doch mein Blättchen an ſie
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zutragen ſich bequemen. — Dafür iſt deine Auswahl für beide deſto
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Entzückung über das Übertreffen derſelben dir weiſſagen. Auch mir
haſt du eine wahre kindiſche Freude mit dem Fernglaſe gemacht; 5
und ich freue mich auf deſſen öffentlichen Gebrauch vor ihnen und
andern. Längſt ſucht ich in Frankfurt und Stuttgart ein ähnliches
— ſo ſchön erräthſt du meine Wünſche. —
Ich bin ſehr einſam, aber jetzo ſehr froh, da nun auch mein
Neujahraufſatz und die dritte Herbſtblumine auf der Poſt ſind und 10
ich die Freiheit neuer Arbeiten wie ein weites Morgenland vor mir
habe. Der Winter führte ſeinen kleinen Krieg, nicht den großen
mit mir. Aus dem Darmkanal ſchlug ich ihn heraus durch eine gute
Einreibung. Dann faßte er Fuß im linken Fuß mit Gicht; auch
hier zog er ſich vor meinem Wollſtrumpf und Wachstaffent bis 15
auf einige Schmerzen zurück. Der Symmetrie wegen brachte er
noch am rechten Schenkel eine große Blutbeule an. Und ſo mußt’
ich denn über 10 Tage zu Hauſe bleiben — morgen geh’ ich aus —,
ohne Geſellſchaft, ſogar ohne die ungeſellige Harmonie und häufig
ohne die Kinder, welchen ich gern das allgemeine Bewerben um ſie 20
nicht ſtörte. Mein herrlicher Emanuel war einmal bei mir. —
Otto ſah ich einmal, an ſeinem Geburttage, bei Öſtreicher, aber
bei Fremden werden wir uns vollends noch — fremder. — Kleider
hab’ ich vielleicht über mein Leben hinaus; aber was ich mir vom
geliebten Vater wünſche, iſt ein Schlafrock, worin ich dann auch 25
dir angenehmer erſcheinen könnte, wenn ich den geiſtigen Werth
nicht durch tägliches Tragen abnützte. —
d. 23ten
Fürchte nicht meinetwegen die gewiſſe Strenge des Jenners.
Denn Unterleib und Füße ſind eben im Voraus Ableiter des Ober- 30
leibs geworden. Werde nur du im Froſte nicht krank — oder viel-
mehr nicht ſorglos; denn dir ſtehen ja die beſten Aerzte nahe genug.
— An den guten alten Bedienten hab’ ich oft gedacht; gewiß hatt’
er größere Hoffnungen gehegt als das Schickſal ihm erfüllte — ſeid
ihm doch das günſtigere Schickſal! — Der geliebten Henriette, 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/337>, abgerufen am 16.07.2024.
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