Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.muß man früh pflücken und zwar sogleich den Mai, denn der Juny Desto mehr erquickt mich der wackere Tieck mit seinen scharfen und Meinen herzlichsten Gruß Ihrem geliebten Gatten, der mit seinen10 Grüßen Sie Tiedge und seine Gönnerin, die Familien Rosenberg Liebe Marie! Sieh herein auf diese Zeile: ich grüße dich hier,15 Und Sie, meine theure Luise, leben Sie heiter in dieser wechselnden Ihr Jean Paul Fr. Richter20 *427. An Gottfried Weber in Darmstadt. Baireut d. 13ten Apr. 1824Für den Mai -- in diesem Jahre vielleicht der einzige genießbare muß man früh pflücken und zwar ſogleich den Mai, denn der Juny Deſto mehr erquickt mich der wackere Tieck mit ſeinen ſcharfen und Meinen herzlichſten Gruß Ihrem geliebten Gatten, der mit ſeinen10 Grüßen Sie Tiedge und ſeine Gönnerin, die Familien Roſenberg Liebe Marie! Sieh herein auf dieſe Zeile: ich grüße dich hier,15 Und Sie, meine theure Luiſe, leben Sie heiter in dieſer wechſelnden Ihr Jean Paul Fr. Richter20 *427. An Gottfried Weber in Darmſtadt. Baireut d. 13ten Apr. 1824Für den Mai — in dieſem Jahre vielleicht der einzige genießbare <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0266" n="254"/> muß man früh pflücken und zwar ſogleich den Mai, denn der Juny<lb/> und July und ein Auguſttheil verſprechen wenig Sonne und ſelber wenig<lb/> Ernte. — Aber dieſe Weiſſagung geb’ ich nicht in das welke ein-<lb/> gerunzelte Abendblatt <hi rendition="#aq">Hells,</hi> dieſe matte Ehrenbegräbnislampe um<lb/> literariſche Scheinleichen unſerer Zeit — — — — —<lb n="5"/> </p> <p>Deſto mehr erquickt mich der wackere <hi rendition="#aq">Tieck</hi> mit ſeinen ſcharfen und<lb/> doch nicht zu ſcharfen Kritiken; wie Alexander nur von Apelles gemalt<lb/> ſein wollte, ſo iſt er der einzige rechte <hi rendition="#aq">Shakespeare’s</hi> Portrait-<lb/> maler.</p><lb/> <p>Meinen herzlichſten Gruß Ihrem geliebten Gatten, der mit ſeinen<lb n="10"/> trefflichen Gedichten gerade ſo oft erſcheinen ſollte als viele andere mit<lb/> ihren ſelten.</p><lb/> <p>Grüßen Sie Tiedge und ſeine Gönnerin, die Familien Roſenberg<lb/> und Schwarz in Friedſtein[, dieſen] dreifachen Familienbund.</p><lb/> <p>Liebe Marie! Sieh herein auf dieſe Zeile: ich grüße dich hier,<lb n="15"/> Mariechen!</p><lb/> <p>Und Sie, meine theure Luiſe, leben Sie heiter in dieſer wechſelnden<lb/> Welt!</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Ihr<lb/> Jean Paul Fr. Richter<lb n="20"/> </hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>*427. An <hi rendition="#g">Gottfried Weber in Darmſtadt.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Baireut d. 13<hi rendition="#sup">ten</hi> Apr.</hi> 1824</hi> </dateline><lb/> <p>Für den Mai — in dieſem Jahre vielleicht der einzige genießbare<lb/> Monat — iſt meine Reiſe nach <hi rendition="#aq">Darmstadt</hi> entſchieden, das immer<lb/> ſtärker magnetiſch mich zieht durch Gegend, Muſik, Theater und<lb n="25"/> Menſchen. Und die gütige Einladung in Ihr Haus iſt freilich ein freund-<lb/> ſchaftlicher Pol mehr. Nur folgen darf ich dieſem nicht. Ein Sechziger<lb/> bedarf bei ſeinen vielen eigenſinnigen Bedürfniſſen ſo viele Freiheit,<lb/> daß er damit fremde ſtören muß. Sie werden aber genug für mich thun<lb/> — beinahe ſo viel als wenn Sie ein Zimmer Ihres Hauſes öffneten —<lb n="30"/> wenn Sie im Vorbeigehen ſich nach einem engen St. Marino-Stübchen<lb/> für mich umſehen, wo ich als Republikaner lebe und herrſche und bezahle<lb/> und keine Möbeln habe als ein altes Kanapée und ein gutes Bett und<lb/> eine unſcheinbare Aufwartung. Und kaum dieß iſt ſo nothwendig vor<lb/> meiner Ankunft, wenn man in <hi rendition="#aq">Darmstadt</hi> einige Wahl unter den<lb n="35"/><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [254/0266]
muß man früh pflücken und zwar ſogleich den Mai, denn der Juny
und July und ein Auguſttheil verſprechen wenig Sonne und ſelber wenig
Ernte. — Aber dieſe Weiſſagung geb’ ich nicht in das welke ein-
gerunzelte Abendblatt Hells, dieſe matte Ehrenbegräbnislampe um
literariſche Scheinleichen unſerer Zeit — — — — — 5
Deſto mehr erquickt mich der wackere Tieck mit ſeinen ſcharfen und
doch nicht zu ſcharfen Kritiken; wie Alexander nur von Apelles gemalt
ſein wollte, ſo iſt er der einzige rechte Shakespeare’s Portrait-
maler.
Meinen herzlichſten Gruß Ihrem geliebten Gatten, der mit ſeinen 10
trefflichen Gedichten gerade ſo oft erſcheinen ſollte als viele andere mit
ihren ſelten.
Grüßen Sie Tiedge und ſeine Gönnerin, die Familien Roſenberg
und Schwarz in Friedſtein[, dieſen] dreifachen Familienbund.
Liebe Marie! Sieh herein auf dieſe Zeile: ich grüße dich hier, 15
Mariechen!
Und Sie, meine theure Luiſe, leben Sie heiter in dieſer wechſelnden
Welt!
Ihr
Jean Paul Fr. Richter 20
*427. An Gottfried Weber in Darmſtadt.
Baireut d. 13ten Apr. 1824
Für den Mai — in dieſem Jahre vielleicht der einzige genießbare
Monat — iſt meine Reiſe nach Darmstadt entſchieden, das immer
ſtärker magnetiſch mich zieht durch Gegend, Muſik, Theater und 25
Menſchen. Und die gütige Einladung in Ihr Haus iſt freilich ein freund-
ſchaftlicher Pol mehr. Nur folgen darf ich dieſem nicht. Ein Sechziger
bedarf bei ſeinen vielen eigenſinnigen Bedürfniſſen ſo viele Freiheit,
daß er damit fremde ſtören muß. Sie werden aber genug für mich thun
— beinahe ſo viel als wenn Sie ein Zimmer Ihres Hauſes öffneten — 30
wenn Sie im Vorbeigehen ſich nach einem engen St. Marino-Stübchen
für mich umſehen, wo ich als Republikaner lebe und herrſche und bezahle
und keine Möbeln habe als ein altes Kanapée und ein gutes Bett und
eine unſcheinbare Aufwartung. Und kaum dieß iſt ſo nothwendig vor
meiner Ankunft, wenn man in Darmstadt einige Wahl unter den 35
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(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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