Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.Mehre ganze Tage war ich schon zu Hause; und dieß war dem wunden *) Lasse die Weinflaschen zählen und schreibe mir die Zahl.
Mehre ganze Tage war ich ſchon zu Hauſe; und dieß war dem wunden *) Laſſe die Weinflaſchen zählen und ſchreibe mir die Zahl.
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Mehre ganze Tage war ich ſchon zu Hauſe; und dieß war dem wunden
Rippenfelle recht geſund; nur ſtören die Morgen-Beſuche ſo abſcheulich
und doch ſo ſchön wie der von Sömmering. Dabei liegen die Tiſche voll
Bücher aus der Bibliothek und von Sömmering zum Exzerpieren —
Die unorganiſchen Merkwürdigkeiten, die Parkplätze, die Gemälde, die 5
Glyptothek ꝛc. hab ich auch noch nicht geſehen. Ich brauche ſo viel Zeit,
daß ich nicht oft in das drei Stunden wegfreſſende Theater gehen werde.
— Und doch ſchreib’ ich dir, liebe Karoline, Briefe, die viermal ſtärker
ſind als deine. Warum biſt du ſo geizig mit Nachrichten, z. B. über deine
Geldſachen in Berlin? Nur einiges zur Antwort auf dein Sedez-Brief- 10
chen! Ich fragte nur aus Beſorgnis der Dieberei über den Wein; denn
nur 1 Kapweinflaſche fand ich, ſonſt lauter Franzwein; hatteſt du mehr
eingepackt, ſo iſts geſtohlen worden. — Mein Mantel ſchützte mich
trefflich gegen die Kälte und das Abnützen des guten Überrocks wäre un-
nütz geweſen; du nimmſt nur, wie immer, meinen Scherz zu ernſt. — 15
Der ſeidne Schlafrock iſt hier bei dieſer Kälte und bei ſeiner Schönheit
nicht mit Geld zu bezahlen; daher bekam ich ihn auch wirklich geſchenkt.
— Laſſe mir jetzo, da (hoff’ ich) das alte Bier getrunken iſt, neues zu-
gleich recht bitteres und helles Bier abziehen; es wird dir doch noch
jemand anderes als mein unerkenntlicher Bruder rathen können. *) — 20
Du könnteſt dich auch vor die Brief-Koffer ſetzen und mit Be[i]hülfe
Odiliens, welche die kleinen Blättchen bei Seite würfe, unter den Folio-
briefen die berliniſchen Penſiondekrete ausſuchen. — Von unſerem
Max, der auch den von der Barner gebrachten Kaffée ablieferte, hab
ich dir an unſern Abendnachtiſchgeſprächen, worauf ich mich kindiſch 25
freue, noch viel Rührendes zu erzählen. Ende Auguſts kommt er mit
Welden nach Baireut und muß wol 1 Monat bei uns bleiben. —
[dick ausgestrichen: Emma ſoll mir lieber nicht ſchreiben als ſo
flüchtig, ſo ſchlecht das folgende unleserlich] Lehrſt du ihnen denn
noch das Franzöſiſche jeden Morgen? — Molento ſoll ſie gar nicht mit 30
poetiſchen Aufſätzen martern. Das Schreiben lehrt ſich durch Leſen, und
Emma könnte leichter ſeine — Lehrerin hier ſein; nur den vergeßnen
Unterſchied zwiſchen das und daß erlerne ſie wieder. — Grüße Otto’s,
Emanuel’s, die Welden, Lochner, Vitzthum und wer dir jetzo die meiſte
Freude macht. — Über dein ſo künſtliches und mühſames Einpacken 35
*) Laſſe die Weinflaſchen zählen und ſchreibe mir die Zahl.
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(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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