Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. "das, was der curia eigen ist," das ist aber der kriegerische Speerin seiner dienstmäßigen, allen gemeinsamen Gestalt. 25) Quirites wären dann also die Träger dieser Lanze, und jene unvermeid- liche Lanze, die wir bereits bei Göttern wie Menschen, bei Hoch- zeiten wie Verkäufen, Freilassungen wie Gerichtssitzungen ge- troffen haben, würde freilich nirgends besser am Platz sein, als im Namen dieses lanzensüchtigen Volkes selbst. Noch einmal (§. 12) wird sie uns begegnen, aber nicht mit der Bestimmung um Recht zu begründen, sondern um es zu wahren. Bisher betrachteten wir die physische Kraft in einer Qua- 25) Man wende mir nicht ein, daß es abnorm sei, wenn die Sprache
den Speer nach der Mannschaft benannt hätte. Nicht die bloße hasta ist dar- nach benannt, sondern die hasta euriae, die hasta quiris d. h. der Speer wie er eben der ganzen Curie gemeinsam, also dienstmäßig ist. Auf eine Ana- logie der deutschen Sprache hat mich mein hiesiger Freund und College Mül- lenhoff aufmerksam gemacht. Die "Kunkel" (chonacla, kunkela, cuncla), das Symbol der Frau, ist gebildet von quena oder kona (gune), Frau, warum nicht das Zeichen der "Mannschaft" curis von der "Mannschaft," curia selbst? Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. „das, was der curia eigen iſt,“ das iſt aber der kriegeriſche Speerin ſeiner dienſtmäßigen, allen gemeinſamen Geſtalt. 25) Quirites wären dann alſo die Träger dieſer Lanze, und jene unvermeid- liche Lanze, die wir bereits bei Göttern wie Menſchen, bei Hoch- zeiten wie Verkäufen, Freilaſſungen wie Gerichtsſitzungen ge- troffen haben, würde freilich nirgends beſſer am Platz ſein, als im Namen dieſes lanzenſüchtigen Volkes ſelbſt. Noch einmal (§. 12) wird ſie uns begegnen, aber nicht mit der Beſtimmung um Recht zu begründen, ſondern um es zu wahren. Bisher betrachteten wir die phyſiſche Kraft in einer Qua- 25) Man wende mir nicht ein, daß es abnorm ſei, wenn die Sprache
den Speer nach der Mannſchaft benannt hätte. Nicht die bloße hasta iſt dar- nach benannt, ſondern die hasta euriae, die hasta quiris d. h. der Speer wie er eben der ganzen Curie gemeinſam, alſo dienſtmäßig iſt. Auf eine Ana- logie der deutſchen Sprache hat mich mein hieſiger Freund und College Mül- lenhoff aufmerkſam gemacht. Die „Kunkel“ (chonacla, kunkela, cuncla), das Symbol der Frau, iſt gebildet von quenâ oder konâ (γυνή), Frau, warum nicht das Zeichen der „Mannſchaft“ curis von der „Mannſchaft,“ curia ſelbſt? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0132" n="114"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.</fw><lb/> „das, was der <hi rendition="#aq">curia</hi> eigen iſt,“ das iſt aber der kriegeriſche Speer<lb/> in ſeiner dienſtmäßigen, allen gemeinſamen Geſtalt. <note place="foot" n="25)">Man wende mir nicht ein, daß es abnorm ſei, wenn die Sprache<lb/> den Speer nach der Mannſchaft benannt hätte. Nicht die bloße <hi rendition="#aq">hasta</hi> iſt dar-<lb/> nach benannt, ſondern die <hi rendition="#aq">hasta euriae,</hi> die <hi rendition="#aq">hasta quiris</hi> d. h. der Speer<lb/> wie er eben der ganzen Curie gemeinſam, alſo dienſtmäßig iſt. Auf eine Ana-<lb/> logie der deutſchen Sprache hat mich mein hieſiger Freund und College Mül-<lb/> lenhoff aufmerkſam gemacht. Die „Kunkel“ (<hi rendition="#aq">chonacla, kunkela, cuncla</hi>), das<lb/> Symbol der Frau, iſt gebildet von <hi rendition="#aq">quenâ</hi> oder <hi rendition="#aq">konâ</hi> (γυνή), Frau, warum<lb/> nicht das Zeichen der „Mannſchaft“ <hi rendition="#aq">curis</hi> von der „Mannſchaft,“ <hi rendition="#aq">curia</hi> ſelbſt?</note> <hi rendition="#aq">Quirites</hi><lb/> wären dann alſo die Träger dieſer Lanze, und jene unvermeid-<lb/> liche Lanze, die wir bereits bei Göttern wie Menſchen, bei Hoch-<lb/> zeiten wie Verkäufen, Freilaſſungen wie Gerichtsſitzungen ge-<lb/> troffen haben, würde freilich nirgends beſſer am Platz ſein, als<lb/> im Namen dieſes lanzenſüchtigen Volkes ſelbſt. Noch einmal<lb/> (§. 12) wird ſie uns begegnen, aber nicht mit der Beſtimmung<lb/> um Recht zu begründen, ſondern um es zu wahren.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Bisher betrachteten wir die phyſiſche Kraft in einer Qua-<lb/> lität, in der ſie ſich nur dem Feinde gegenüber praktiſch erwies,<lb/> nämlich in der als die primitive Begründerin des Eigenthums.<lb/> Es iſt das Recht der Beute, an dem der römiſche Eigenthums-<lb/> begriff ſich zuerſt zeigt, und an den auch die friedliche, vertrags-<lb/> mäßige Erweiterung deſſelben anknüpft. Was Jemand dem<lb/> Feinde abgeſtritten, gebührt ihm als Kampfpreis, iſt ſein eigen;<lb/> die phyſiſche Kraft kehrt heim mit dem Begriffe des Rechts, der<lb/> Gegenſtand, an dem ſie ſich bethätigt hat, iſt für die Genoſſen<lb/> kein Objekt der Beute, ſondern rechtlich unantaſtbar, wie die<lb/> Perſon ſelbſt. Darin liegt eben der Begriff des Beuterechts;<lb/> er wäre negirt, wenn es ſich anders verhielte. An dieſe der<lb/> Zeit und dem Begriff nach erſte, originäre Erwerbungsart lehnen<lb/> ſich die derivativen an. Uns erſcheint der Vertrag als eine ſo<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0132]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
„das, was der curia eigen iſt,“ das iſt aber der kriegeriſche Speer
in ſeiner dienſtmäßigen, allen gemeinſamen Geſtalt. 25) Quirites
wären dann alſo die Träger dieſer Lanze, und jene unvermeid-
liche Lanze, die wir bereits bei Göttern wie Menſchen, bei Hoch-
zeiten wie Verkäufen, Freilaſſungen wie Gerichtsſitzungen ge-
troffen haben, würde freilich nirgends beſſer am Platz ſein, als
im Namen dieſes lanzenſüchtigen Volkes ſelbſt. Noch einmal
(§. 12) wird ſie uns begegnen, aber nicht mit der Beſtimmung
um Recht zu begründen, ſondern um es zu wahren.
Bisher betrachteten wir die phyſiſche Kraft in einer Qua-
lität, in der ſie ſich nur dem Feinde gegenüber praktiſch erwies,
nämlich in der als die primitive Begründerin des Eigenthums.
Es iſt das Recht der Beute, an dem der römiſche Eigenthums-
begriff ſich zuerſt zeigt, und an den auch die friedliche, vertrags-
mäßige Erweiterung deſſelben anknüpft. Was Jemand dem
Feinde abgeſtritten, gebührt ihm als Kampfpreis, iſt ſein eigen;
die phyſiſche Kraft kehrt heim mit dem Begriffe des Rechts, der
Gegenſtand, an dem ſie ſich bethätigt hat, iſt für die Genoſſen
kein Objekt der Beute, ſondern rechtlich unantaſtbar, wie die
Perſon ſelbſt. Darin liegt eben der Begriff des Beuterechts;
er wäre negirt, wenn es ſich anders verhielte. An dieſe der
Zeit und dem Begriff nach erſte, originäre Erwerbungsart lehnen
ſich die derivativen an. Uns erſcheint der Vertrag als eine ſo
25) Man wende mir nicht ein, daß es abnorm ſei, wenn die Sprache
den Speer nach der Mannſchaft benannt hätte. Nicht die bloße hasta iſt dar-
nach benannt, ſondern die hasta euriae, die hasta quiris d. h. der Speer
wie er eben der ganzen Curie gemeinſam, alſo dienſtmäßig iſt. Auf eine Ana-
logie der deutſchen Sprache hat mich mein hieſiger Freund und College Mül-
lenhoff aufmerkſam gemacht. Die „Kunkel“ (chonacla, kunkela, cuncla), das
Symbol der Frau, iſt gebildet von quenâ oder konâ (γυνή), Frau, warum
nicht das Zeichen der „Mannſchaft“ curis von der „Mannſchaft,“ curia ſelbſt?
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Zitationshilfe: | Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/132>, abgerufen am 16.02.2025. |