Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. auch bei jener privatrechtlichen noxae deditio vorkommen (quan-doque ....... noxam nocuerunt .... ob eam rem hosce homines vobis dedo). 33) In jenem ersten Fall liegt eine völ- kerrechtliche obligatio ex delicto vor, im zweiten eine obligatio ex contractu (aus der sponsio), deren Nichterfüllung auch im privatrechtlichen Verkehr Schuldhaft und demnächstige Sklave- rei des Schuldners zur Folge hatte. Der bei der Auslieferung angeführte Grund: ut populus religione solvatur und die Natur der Sache selbst führt uns dazu, für den Privatverkehr denselben Grundsatz anzunehmen, daß nämlich derjenige, welcher den Verbrecher oder Schuldner der berechtigten Selbsthülfe des Ver- letzten oder Gläubigers zu entziehen suchte, sich an dem Unrecht desselben betheiligte, gleiche Schuld auf sich lud. 34) Eine Nach- wirkung dieses Grundsatzes finde ich noch in der Verpflichtung, die der vindex im römischen Prozeß übernehmen mußte. Wer als vindex 35) libertatis auftritt d. h. einen andern, der nach seiner Angabe unrechtmäßiger Weise in Sklaverei gehalten wird, durch Klage gegen den Innehaber daraus befreien will, muß ein Succumbenzgeld (sacramentum) deponiren, und wer in gleicher Qualität sich des zur Schuldhaft gezogenen Schuldners annehmen will, tritt damit in dessen Verbindlichkeit ein, so daß er im Fall des Unterliegens als Strafe dafür, daß er die Recht- mäßigkeit der Selbsthülfe des Gläubigers bestritten, den Schuld- betrag entrichten muß 36) ohne den Schuldner selbst dadurch von 33) Livius IX. c. 10. 34) Später werden eigne Klagen gegen ihn gegeben. S. z. B. die Ti- tel: Ne quis eum, qui in jus vocabitur, vi eximat (2. 7) namentlich L. 5 §. 1 und L. 6 (is, qui debitorem vi exemit, si solverit, reum non liberat, quia poenam suam solvit) und Tit. De eo, per quem factum erit, quo minus quis in judicio sistat (2. 10). 35) Fest. vindex, qui vindicat, quominus is, qui prensus est, ab aliquo teneatur. 36) Dies erhielt sich noch, als statt des vindex der Beklagte selbst den
Prozeß übernehmen durfte. Da er gewissermaßen als sein eigner vindex auf- trat, so mußte er selbst, wenn er unterlag, das Duplum zahlen. Ebenso Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. auch bei jener privatrechtlichen noxae deditio vorkommen (quan-doque ....... noxam nocuerunt .... ob eam rem hosce homines vobis dedo). 33) In jenem erſten Fall liegt eine völ- kerrechtliche obligatio ex delicto vor, im zweiten eine obligatio ex contractu (aus der sponsio), deren Nichterfüllung auch im privatrechtlichen Verkehr Schuldhaft und demnächſtige Sklave- rei des Schuldners zur Folge hatte. Der bei der Auslieferung angeführte Grund: ut populus religione solvatur und die Natur der Sache ſelbſt führt uns dazu, für den Privatverkehr denſelben Grundſatz anzunehmen, daß nämlich derjenige, welcher den Verbrecher oder Schuldner der berechtigten Selbſthülfe des Ver- letzten oder Gläubigers zu entziehen ſuchte, ſich an dem Unrecht deſſelben betheiligte, gleiche Schuld auf ſich lud. 34) Eine Nach- wirkung dieſes Grundſatzes finde ich noch in der Verpflichtung, die der vindex im römiſchen Prozeß übernehmen mußte. Wer als vindex 35) libertatis auftritt d. h. einen andern, der nach ſeiner Angabe unrechtmäßiger Weiſe in Sklaverei gehalten wird, durch Klage gegen den Innehaber daraus befreien will, muß ein Succumbenzgeld (sacramentum) deponiren, und wer in gleicher Qualität ſich des zur Schuldhaft gezogenen Schuldners annehmen will, tritt damit in deſſen Verbindlichkeit ein, ſo daß er im Fall des Unterliegens als Strafe dafür, daß er die Recht- mäßigkeit der Selbſthülfe des Gläubigers beſtritten, den Schuld- betrag entrichten muß 36) ohne den Schuldner ſelbſt dadurch von 33) Livius IX. c. 10. 34) Später werden eigne Klagen gegen ihn gegeben. S. z. B. die Ti- tel: Ne quis eum, qui in jus vocabitur, vi eximat (2. 7) namentlich L. 5 §. 1 und L. 6 (is, qui debitorem vi exemit, si solverit, reum non liberat, quia poenam suam solvit) und Tit. De eo, per quem factum erit, quo minus quis in judicio sistat (2. 10). 35) Fest. vindex, qui vindicat, quominus is, qui prensus est, ab aliquo teneatur. 36) Dies erhielt ſich noch, als ſtatt des vindex der Beklagte ſelbſt den
Prozeß übernehmen durfte. Da er gewiſſermaßen als ſein eigner vindex auf- trat, ſo mußte er ſelbſt, wenn er unterlag, das Duplum zahlen. Ebenſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0142" n="124"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.</fw><lb/> auch bei jener privatrechtlichen <hi rendition="#aq">noxae deditio</hi> vorkommen (<hi rendition="#aq">quan-<lb/> doque ....... <hi rendition="#g">noxam nocuerunt</hi> .... ob eam rem hosce<lb/> homines vobis <hi rendition="#g">dedo</hi></hi>). <note place="foot" n="33)"><hi rendition="#aq">Livius IX. c.</hi> 10.</note> In jenem erſten Fall liegt eine völ-<lb/> kerrechtliche <hi rendition="#aq">obligatio ex delicto</hi> vor, im zweiten eine <hi rendition="#aq">obligatio<lb/> ex contractu</hi> (aus der <hi rendition="#aq">sponsio</hi>), deren Nichterfüllung auch im<lb/> privatrechtlichen Verkehr Schuldhaft und demnächſtige Sklave-<lb/> rei des Schuldners zur Folge hatte. Der bei der Auslieferung<lb/> angeführte Grund: <hi rendition="#aq">ut populus religione solvatur</hi> und die Natur<lb/> der Sache ſelbſt führt uns dazu, für den Privatverkehr denſelben<lb/> Grundſatz anzunehmen, daß nämlich derjenige, welcher den<lb/> Verbrecher oder Schuldner der berechtigten Selbſthülfe des Ver-<lb/> letzten oder Gläubigers zu entziehen ſuchte, ſich an dem Unrecht<lb/> deſſelben betheiligte, gleiche Schuld auf ſich lud. <note place="foot" n="34)">Später werden eigne Klagen gegen ihn gegeben. S. z. B. die Ti-<lb/> tel: <hi rendition="#aq">Ne quis eum, qui in jus vocabitur, vi eximat</hi> (2. 7) namentlich <hi rendition="#aq">L.</hi> 5<lb/> §. 1 und <hi rendition="#aq">L.</hi> 6 (<hi rendition="#aq">is, qui debitorem vi exemit, si solverit, reum non liberat,<lb/> quia poenam suam solvit</hi>) und <hi rendition="#aq">Tit. De eo, per quem factum erit, quo<lb/> minus quis in judicio sistat</hi> (2. 10).</note> Eine Nach-<lb/> wirkung dieſes Grundſatzes finde ich noch in der Verpflichtung,<lb/> die der <hi rendition="#aq">vindex</hi> im römiſchen Prozeß übernehmen mußte. Wer<lb/> als <hi rendition="#aq">vindex</hi> <note place="foot" n="35)"><hi rendition="#aq">Fest. vindex, qui vindicat, quominus is, qui prensus est, ab<lb/> aliquo teneatur.</hi></note> <hi rendition="#aq">libertatis</hi> auftritt d. h. einen andern, der nach<lb/> ſeiner Angabe unrechtmäßiger Weiſe in Sklaverei gehalten wird,<lb/> durch Klage gegen den Innehaber daraus befreien will, muß<lb/> ein Succumbenzgeld (<hi rendition="#aq">sacramentum</hi>) deponiren, und wer in<lb/> gleicher Qualität ſich des zur Schuldhaft gezogenen Schuldners<lb/> annehmen will, tritt damit in deſſen Verbindlichkeit ein, ſo daß<lb/> er im Fall des Unterliegens als Strafe dafür, daß er die Recht-<lb/> mäßigkeit der Selbſthülfe des Gläubigers beſtritten, den Schuld-<lb/> betrag entrichten muß <note xml:id="seg2pn_2_1" next="#seg2pn_2_2" place="foot" n="36)">Dies erhielt ſich noch, als ſtatt des <hi rendition="#aq">vindex</hi> der Beklagte ſelbſt den<lb/> Prozeß übernehmen durfte. Da er gewiſſermaßen als ſein eigner <hi rendition="#aq">vindex</hi> auf-<lb/> trat, ſo mußte er ſelbſt, wenn er unterlag, das <hi rendition="#aq">Duplum</hi> zahlen. Ebenſo</note> ohne den Schuldner ſelbſt dadurch von<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0142]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
auch bei jener privatrechtlichen noxae deditio vorkommen (quan-
doque ....... noxam nocuerunt .... ob eam rem hosce
homines vobis dedo). 33) In jenem erſten Fall liegt eine völ-
kerrechtliche obligatio ex delicto vor, im zweiten eine obligatio
ex contractu (aus der sponsio), deren Nichterfüllung auch im
privatrechtlichen Verkehr Schuldhaft und demnächſtige Sklave-
rei des Schuldners zur Folge hatte. Der bei der Auslieferung
angeführte Grund: ut populus religione solvatur und die Natur
der Sache ſelbſt führt uns dazu, für den Privatverkehr denſelben
Grundſatz anzunehmen, daß nämlich derjenige, welcher den
Verbrecher oder Schuldner der berechtigten Selbſthülfe des Ver-
letzten oder Gläubigers zu entziehen ſuchte, ſich an dem Unrecht
deſſelben betheiligte, gleiche Schuld auf ſich lud. 34) Eine Nach-
wirkung dieſes Grundſatzes finde ich noch in der Verpflichtung,
die der vindex im römiſchen Prozeß übernehmen mußte. Wer
als vindex 35) libertatis auftritt d. h. einen andern, der nach
ſeiner Angabe unrechtmäßiger Weiſe in Sklaverei gehalten wird,
durch Klage gegen den Innehaber daraus befreien will, muß
ein Succumbenzgeld (sacramentum) deponiren, und wer in
gleicher Qualität ſich des zur Schuldhaft gezogenen Schuldners
annehmen will, tritt damit in deſſen Verbindlichkeit ein, ſo daß
er im Fall des Unterliegens als Strafe dafür, daß er die Recht-
mäßigkeit der Selbſthülfe des Gläubigers beſtritten, den Schuld-
betrag entrichten muß 36) ohne den Schuldner ſelbſt dadurch von
33) Livius IX. c. 10.
34) Später werden eigne Klagen gegen ihn gegeben. S. z. B. die Ti-
tel: Ne quis eum, qui in jus vocabitur, vi eximat (2. 7) namentlich L. 5
§. 1 und L. 6 (is, qui debitorem vi exemit, si solverit, reum non liberat,
quia poenam suam solvit) und Tit. De eo, per quem factum erit, quo
minus quis in judicio sistat (2. 10).
35) Fest. vindex, qui vindicat, quominus is, qui prensus est, ab
aliquo teneatur.
36) Dies erhielt ſich noch, als ſtatt des vindex der Beklagte ſelbſt den
Prozeß übernehmen durfte. Da er gewiſſermaßen als ſein eigner vindex auf-
trat, ſo mußte er ſelbſt, wenn er unterlag, das Duplum zahlen. Ebenſo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |