Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts Mit Hülfe nun der bisher betrachteten Formen des ältesten Die Bedeutung dieser Volksgarantie für die Entwicklung Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts Mit Hülfe nun der bisher betrachteten Formen des älteſten Die Bedeutung dieſer Volksgarantie für die Entwicklung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0226" n="208"/> <fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts</fw><lb/> <p>Mit Hülfe nun der bisher betrachteten Formen des älteſten<lb/> Rechts ließen ſich alle wichtigeren Rechte unter Garantie des<lb/> Volks ſtellen. Die Freiheit durch den <hi rendition="#aq">census,</hi> die Ehe durch<lb/><hi rendition="#aq">confarreatio</hi> und <hi rendition="#aq">coemtio</hi> und folglich auch die väterliche Ge-<lb/> walt über die aus dieſer Ehe erzeugten Kinder, die Begründung<lb/> der letzteren ohne Ehe durch <hi rendition="#aq">arrogatio</hi> (die <hi rendition="#aq">adoptio</hi> im engern<lb/> Sinn erfolgt in Form der <hi rendition="#aq">in jure cessio</hi>), die Vormundſchaft<lb/> durch Teſtament, das Eigenthum und die Ruſticalſervituten<lb/> durch <hi rendition="#aq">mancipatio</hi> (Urbanal- und perſönliche Servituten durch<lb/><hi rendition="#aq">in jure cessio</hi>), Obligationen durch <hi rendition="#aq">nexum,</hi> Erbeseinſetzung,<lb/> Legate u. ſ. w. durch die beiden öfters genannten Teſtaments-<lb/> formen.</p><lb/> <p>Die Bedeutung dieſer Volksgarantie für die Entwicklung<lb/> des Rechts beſteht in folgendem. Zuerſt in unmittelbar prakti-<lb/> ſcher Beziehung darin, daß ſie der Selbſthülfe den höchſten Grad<lb/> der Sicherheit verlieh, indem ſie die Verſuche des Widerſtandes<lb/> in der Geburt unterdrückte; der Widerſtand gegen den, der auf<lb/> Grund eines vom Volk garantirten Geſchäfts zur Selbſthülfe<lb/> ſchritt, war Widerſtand gegen das geſammte Volk, eine Provo-<lb/> kation aller Bürger, ihre Schutz<hi rendition="#g">pflicht</hi> zu erfüllen. Sodann<lb/> aber in rechtsphiloſophiſcher Beziehung darin, daß dieſe Volks-<lb/> garantie das Medium wird, durch das der Rechtsbegriff ſelbſt<lb/> eine höhere Stufe beſchritt. Das Concrete war hier, wie ſo oft<lb/> in der Geſchichte des römiſchen Rechts, die Brücke zum Ab-<lb/> ſtracten; aus dem Schutz <hi rendition="#g">der Rechte</hi> entwickelte ſich der Schutz<lb/><hi rendition="#g">des Rechts</hi>. Die üblich gewordene Gewährleiſtung der ein-<lb/> zelnen <hi rendition="#g">concreten</hi> Privat-Rechte ſetzt als Bodenſatz die Idee<lb/> an, daß das Privatrecht im abſtracten Sinn Gegenſtand der<lb/> Fürſorge und der Gewährleiſtung des Staats ſei, und aus der<lb/> Berechtigung der Gemeinde, die nachgeſuchte Garantie an Be-<lb/> dingungen zu knüpfen, entwickelt ſich die Idee, daß der Staat<lb/> berechtigt ſei, durch beſchränkende Geſetze in das Gebiet des<lb/> Privatrechts einzugreifen. Berechtigt der Schutz <hi rendition="#g">der Rechte</hi><lb/> zu Beſchränkungen, ſo auch der Schutz <hi rendition="#g">des Rechts</hi>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0226]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts
Mit Hülfe nun der bisher betrachteten Formen des älteſten
Rechts ließen ſich alle wichtigeren Rechte unter Garantie des
Volks ſtellen. Die Freiheit durch den census, die Ehe durch
confarreatio und coemtio und folglich auch die väterliche Ge-
walt über die aus dieſer Ehe erzeugten Kinder, die Begründung
der letzteren ohne Ehe durch arrogatio (die adoptio im engern
Sinn erfolgt in Form der in jure cessio), die Vormundſchaft
durch Teſtament, das Eigenthum und die Ruſticalſervituten
durch mancipatio (Urbanal- und perſönliche Servituten durch
in jure cessio), Obligationen durch nexum, Erbeseinſetzung,
Legate u. ſ. w. durch die beiden öfters genannten Teſtaments-
formen.
Die Bedeutung dieſer Volksgarantie für die Entwicklung
des Rechts beſteht in folgendem. Zuerſt in unmittelbar prakti-
ſcher Beziehung darin, daß ſie der Selbſthülfe den höchſten Grad
der Sicherheit verlieh, indem ſie die Verſuche des Widerſtandes
in der Geburt unterdrückte; der Widerſtand gegen den, der auf
Grund eines vom Volk garantirten Geſchäfts zur Selbſthülfe
ſchritt, war Widerſtand gegen das geſammte Volk, eine Provo-
kation aller Bürger, ihre Schutzpflicht zu erfüllen. Sodann
aber in rechtsphiloſophiſcher Beziehung darin, daß dieſe Volks-
garantie das Medium wird, durch das der Rechtsbegriff ſelbſt
eine höhere Stufe beſchritt. Das Concrete war hier, wie ſo oft
in der Geſchichte des römiſchen Rechts, die Brücke zum Ab-
ſtracten; aus dem Schutz der Rechte entwickelte ſich der Schutz
des Rechts. Die üblich gewordene Gewährleiſtung der ein-
zelnen concreten Privat-Rechte ſetzt als Bodenſatz die Idee
an, daß das Privatrecht im abſtracten Sinn Gegenſtand der
Fürſorge und der Gewährleiſtung des Staats ſei, und aus der
Berechtigung der Gemeinde, die nachgeſuchte Garantie an Be-
dingungen zu knüpfen, entwickelt ſich die Idee, daß der Staat
berechtigt ſei, durch beſchränkende Geſetze in das Gebiet des
Privatrechts einzugreifen. Berechtigt der Schutz der Rechte
zu Beſchränkungen, ſo auch der Schutz des Rechts.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |