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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts.
ria, decuria eine kleinere Abtheilung von 10 Mann. 148) Der
letzte Ausdruck bezeichnet die Gens von Seiten ihrer Stellung
in der Wehrverfassung, der Ausdruck gens absolut als einen
Verein der durch Geburt Verbundenen. Die ursprüngliche
Wehrverfassung enthält 10 Curien, jede Curie 10 Decurien,
also im Ganzen 100 Decurien; durch die Vereinigung von drei
in dieser Weise organisirten Völkern verdreifachte sich in Rom
diese Zahl.

Die Etymologie lehrt uns also, daß die comitia curiata ur-
sprünglich Versammlungen des Heeres gewesen, und der Aus-
druck Quirites, mit dem das Volk angeredet wird, gewährt uns
ein anderes Argument. Die etymologische Erklärung desselben
ist gleichfalls bereits S. 103 gegeben, und darnach bedeutet er
die Krieger, die die quiris, die dienstmäßige Lanze, tragen.
Populus Romanus Quiritium ist also die junge römische Mann-
schaft der Lanzenträger, das Heer in seinen Versammlungen.
Man muß sich dadurch nur nicht irre machen lassen, daß der
Ausdruck Quirites später, als die Begriffe Volk und Heer prak-
tisch auseinander gefallen waren, die Bürger bezeichnete, und
seine Anwendung auf die Soldaten einen Schimpf enthielt; eine
solche Abnutzung des Ausdruckes durch Umgestaltung der Sache
selbst ist nichts ungewöhnliches. Ebenso wenig darf uns die
spätere Competenz der Curiatcomitien über ihre ursprüngliche
Bestimmung und ihren ursprünglichen Charakter täuschen.

Nachdem die Verfassung des Servius Tullius, die ganz im
Geiste der Idee, mit der wir uns hier beschäftigen, die Wehr-
verfassung als Fundament des Staats beibehielt, 149) längere

148) Wie bei allen solchen eine Zahl enthaltenden Ausdrücken bleibt der
Name derselbe, auch wenn die Zahl im Laufe der Zeit sich ändert.
149) Dies zeigt sich auch in der militärischen Form der Abhaltung der
Centuriatcomitien. "Das Volk erschien in den Centuriatcomitien dem Be-
griff der centuriae gemäß als bewaffnetes Heer, in seine Centurien und
unter seine Fähnlein geordnet, die Centurionen an der Spitze, daher man
auch die Ansagung von Centuriatcomitien exercitum (zum Unterschiede vom

Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
ria, decuria eine kleinere Abtheilung von 10 Mann. 148) Der
letzte Ausdruck bezeichnet die Gens von Seiten ihrer Stellung
in der Wehrverfaſſung, der Ausdruck gens abſolut als einen
Verein der durch Geburt Verbundenen. Die urſprüngliche
Wehrverfaſſung enthält 10 Curien, jede Curie 10 Decurien,
alſo im Ganzen 100 Decurien; durch die Vereinigung von drei
in dieſer Weiſe organiſirten Völkern verdreifachte ſich in Rom
dieſe Zahl.

Die Etymologie lehrt uns alſo, daß die comitia curiata ur-
ſprünglich Verſammlungen des Heeres geweſen, und der Aus-
druck Quirites, mit dem das Volk angeredet wird, gewährt uns
ein anderes Argument. Die etymologiſche Erklärung deſſelben
iſt gleichfalls bereits S. 103 gegeben, und darnach bedeutet er
die Krieger, die die quiris, die dienſtmäßige Lanze, tragen.
Populus Romanus Quiritium iſt alſo die junge römiſche Mann-
ſchaft der Lanzenträger, das Heer in ſeinen Verſammlungen.
Man muß ſich dadurch nur nicht irre machen laſſen, daß der
Ausdruck Quirites ſpäter, als die Begriffe Volk und Heer prak-
tiſch auseinander gefallen waren, die Bürger bezeichnete, und
ſeine Anwendung auf die Soldaten einen Schimpf enthielt; eine
ſolche Abnutzung des Ausdruckes durch Umgeſtaltung der Sache
ſelbſt iſt nichts ungewöhnliches. Ebenſo wenig darf uns die
ſpätere Competenz der Curiatcomitien über ihre urſprüngliche
Beſtimmung und ihren urſprünglichen Charakter täuſchen.

Nachdem die Verfaſſung des Servius Tullius, die ganz im
Geiſte der Idee, mit der wir uns hier beſchäftigen, die Wehr-
verfaſſung als Fundament des Staats beibehielt, 149) längere

148) Wie bei allen ſolchen eine Zahl enthaltenden Ausdrücken bleibt der
Name derſelbe, auch wenn die Zahl im Laufe der Zeit ſich ändert.
149) Dies zeigt ſich auch in der militäriſchen Form der Abhaltung der
Centuriatcomitien. „Das Volk erſchien in den Centuriatcomitien dem Be-
griff der centuriae gemäß als bewaffnetes Heer, in ſeine Centurien und
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[244/0262] Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. ria, decuria eine kleinere Abtheilung von 10 Mann. 148) Der letzte Ausdruck bezeichnet die Gens von Seiten ihrer Stellung in der Wehrverfaſſung, der Ausdruck gens abſolut als einen Verein der durch Geburt Verbundenen. Die urſprüngliche Wehrverfaſſung enthält 10 Curien, jede Curie 10 Decurien, alſo im Ganzen 100 Decurien; durch die Vereinigung von drei in dieſer Weiſe organiſirten Völkern verdreifachte ſich in Rom dieſe Zahl. Die Etymologie lehrt uns alſo, daß die comitia curiata ur- ſprünglich Verſammlungen des Heeres geweſen, und der Aus- druck Quirites, mit dem das Volk angeredet wird, gewährt uns ein anderes Argument. Die etymologiſche Erklärung deſſelben iſt gleichfalls bereits S. 103 gegeben, und darnach bedeutet er die Krieger, die die quiris, die dienſtmäßige Lanze, tragen. Populus Romanus Quiritium iſt alſo die junge römiſche Mann- ſchaft der Lanzenträger, das Heer in ſeinen Verſammlungen. Man muß ſich dadurch nur nicht irre machen laſſen, daß der Ausdruck Quirites ſpäter, als die Begriffe Volk und Heer prak- tiſch auseinander gefallen waren, die Bürger bezeichnete, und ſeine Anwendung auf die Soldaten einen Schimpf enthielt; eine ſolche Abnutzung des Ausdruckes durch Umgeſtaltung der Sache ſelbſt iſt nichts ungewöhnliches. Ebenſo wenig darf uns die ſpätere Competenz der Curiatcomitien über ihre urſprüngliche Beſtimmung und ihren urſprünglichen Charakter täuſchen. Nachdem die Verfaſſung des Servius Tullius, die ganz im Geiſte der Idee, mit der wir uns hier beſchäftigen, die Wehr- verfaſſung als Fundament des Staats beibehielt, 149) längere 148) Wie bei allen ſolchen eine Zahl enthaltenden Ausdrücken bleibt der Name derſelbe, auch wenn die Zahl im Laufe der Zeit ſich ändert. 149) Dies zeigt ſich auch in der militäriſchen Form der Abhaltung der Centuriatcomitien. „Das Volk erſchien in den Centuriatcomitien dem Be- griff der centuriae gemäß als bewaffnetes Heer, in ſeine Centurien und unter ſeine Fähnlein geordnet, die Centurionen an der Spitze, daher man auch die Anſagung von Centuriatcomitien exercitum (zum Unterſchiede vom

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/262>, abgerufen am 22.11.2024.