Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.1. Das Wesen des römischen Geistes. §. 20. Der Nachweis jener Prädestination erfordert ein Eingehn Es möge vorher noch mit wenig Worten die angebliche 221) Diese Annahme hat auf die etymologische Bestimmung römischer Rechtsausdrücke und damit auf die Auffassung der durch sie bezeichneten In- Jhering, Geist d. röm. Rechts. 19
1. Das Weſen des römiſchen Geiſtes. §. 20. Der Nachweis jener Prädeſtination erfordert ein Eingehn Es möge vorher noch mit wenig Worten die angebliche 221) Dieſe Annahme hat auf die etymologiſche Beſtimmung römiſcher Rechtsausdrücke und damit auf die Auffaſſung der durch ſie bezeichneten In- Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. 19
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1. Das Weſen des römiſchen Geiſtes. §. 20.
Der Nachweis jener Prädeſtination erfordert ein Eingehn
in die Eigenſchaften, den Charakter wie die intellektuelle Be-
gabung des römiſchen Volks; nicht als ob daraus jene Präde-
ſtination ſelbſt erklärt werden ſollte — denn für ſie läßt ſich kein
anderer Grund angeben, als daß einmal die Geſchichte den Rö-
mern dieſe Miſſion der Cultur des Rechts zuertheilt hatte.
Nicht weil die Römer dieſe und jene Eigenſchaften hatten, wa-
ren ſie zur Cultur des Rechts prädeſtinirt, ſondern umgekehrt,
weil ihnen nach der Oekonomie der Geſchichte dieſe Aufgabe zu-
gefallen war, waren ſie ſubjektiv zur Löſung derſelben befähigt.
Es iſt aber von Intereſſe, dieſe Befähigung im Einzelnen zu
verfolgen, nachzuweiſen, wie der hiſtoriſche Beruf der Römer
ihr ganzes Weſen durchdringt, Eigenſchaften, Kräfte, Einrich-
tungen hervorruft, die ſämmtlich dem Zweck jener Aufgabe dienſt-
bar ſind.
Es möge vorher noch mit wenig Worten die angebliche
Abſtammung und Aehnlichkeit der Römer von und mit den Grie-
chen berührt werden. In der That ſind beide Völker in ihren Be-
ſtrebungen und in ihrer Begabung ſo unendlich verſchieden, daß
man Mühe hat, über der Verſchiedenheit die Aehnlichkeit aufzu-
finden. Aber ſchon die Römer der ſpätern Zeit gefielen ſich in
der Idee von den Griechen abzuſtammen, und man beutete die
vorhandenen Aehnlichkeiten in Sprache, Recht, Religion —
theils und vorzugsweiſe die Reſte der urſprünglichen Gemein-
ſchaft aller indogermaniſchen Völker, theils die Reſultate ſpäte-
rer Berührung beider Völker — in dieſem Sinne aus. Es hat
auch für die moderne Philologie eine Zeit gegeben, wo dieſer
Irrthum an der Tagesordnung und verzeihlich war, wo man
berechtigt war, namentlich die Verwandſchaft der griechiſchen
und lateiniſchen Sprache aus der Annahme zu erklären, daß
letztere eine Tochter der erſteren ſei. 221) Das Studium des
221) Dieſe Annahme hat auf die etymologiſche Beſtimmung römiſcher
Rechtsausdrücke und damit auf die Auffaſſung der durch ſie bezeichneten In-
Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. 19
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