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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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2. Verhältniß zu den gegebenen Ausgangspunkten. §. 21.
ganzen spätern Ausdehnung, auf dem Höhenpunkte seiner Kraft
und Vollendung kennen zu lernen. Wie es sich historisch ent-
wickelt hat, welche Bedeutung die Bestrebungen der Plebejer,
die Zwölftafelgesetzgebung u. s. w. dafür haben, das gehört
nicht hierher, und müssen wir der römischen Rechtsgeschichte
überlassen. Für unsern Zweck genügt es zu wissen, daß die rö-
mische Rechtsbildung vorzugsweise dies Prinzip herausgreift,
in meisterhaft consequenter Weise entwickelt und dasselbe von
den beschränkenden Einflüssen der übrigen Ausgangsprinzipien
befreit. Diese Entwicklung des subjektiven Prinzips steht im
umgekehrten Verhältniß mit der der beiden andern Prinzipien.
Ihre Zeit war dahin, das römische Volk, das über den Ge-
gensatz der Patricier und Plebejer sich erhob, bedurfte anderer
Formen und Prinzipien, als die Urbevölkerung Roms. Dauern
auch manche der hierher gehörigen Einrichtungen äußerlich fort:
ihre innere Bedeutung, ihre constitutive, productive Kraft ist,
wie die der Religion, erloschen, und wir können uns hier von
ihnen auf immer trennen; das folgende System wird ihrer nicht
mehr gedenken. Da wir hier nicht, wie bei dem religiösen Prin-
zip, Veranlassung haben, der herrschenden Ansicht entgegenzu-
treten, so kann die Trennung rasch von Statten gehn. Was
zuerst das Familienprinzip anbetrifft, so nimmt die Bedeutung
desselben sowohl in politischer wie privatrechtlicher Beziehung in
demselben Maße ab, als die Macht der Plebejer wächst. Auch
hier haben sie wieder das Verdienst, einen für die Entwicklung
des politischen Lebens sowohl wie für die freie Entfaltung des
Privatrechts höchst wichtigen Fortschritt erzwungen zu haben.
In letzterer Beziehung enthält ihre ursprüngliche Stellung die
Unabhängigkeit des Privatrechts vom öffentlichen Recht und
die des Vermögensrechts von der Familie. Ihnen verdankt also
das reine, vom Einfluß des Familienprinzips emancipirte Pri-
vatrecht seinen Ursprung, und dies ist eben das spätere römische
Privatrecht. In politischer Beziehung vertreten sie die Berech-

2. Verhältniß zu den gegebenen Ausgangspunkten. §. 21.
ganzen ſpätern Ausdehnung, auf dem Höhenpunkte ſeiner Kraft
und Vollendung kennen zu lernen. Wie es ſich hiſtoriſch ent-
wickelt hat, welche Bedeutung die Beſtrebungen der Plebejer,
die Zwölftafelgeſetzgebung u. ſ. w. dafür haben, das gehört
nicht hierher, und müſſen wir der römiſchen Rechtsgeſchichte
überlaſſen. Für unſern Zweck genügt es zu wiſſen, daß die rö-
miſche Rechtsbildung vorzugsweiſe dies Prinzip herausgreift,
in meiſterhaft conſequenter Weiſe entwickelt und daſſelbe von
den beſchränkenden Einflüſſen der übrigen Ausgangsprinzipien
befreit. Dieſe Entwicklung des ſubjektiven Prinzips ſteht im
umgekehrten Verhältniß mit der der beiden andern Prinzipien.
Ihre Zeit war dahin, das römiſche Volk, das über den Ge-
genſatz der Patricier und Plebejer ſich erhob, bedurfte anderer
Formen und Prinzipien, als die Urbevölkerung Roms. Dauern
auch manche der hierher gehörigen Einrichtungen äußerlich fort:
ihre innere Bedeutung, ihre conſtitutive, productive Kraft iſt,
wie die der Religion, erloſchen, und wir können uns hier von
ihnen auf immer trennen; das folgende Syſtem wird ihrer nicht
mehr gedenken. Da wir hier nicht, wie bei dem religiöſen Prin-
zip, Veranlaſſung haben, der herrſchenden Anſicht entgegenzu-
treten, ſo kann die Trennung raſch von Statten gehn. Was
zuerſt das Familienprinzip anbetrifft, ſo nimmt die Bedeutung
deſſelben ſowohl in politiſcher wie privatrechtlicher Beziehung in
demſelben Maße ab, als die Macht der Plebejer wächſt. Auch
hier haben ſie wieder das Verdienſt, einen für die Entwicklung
des politiſchen Lebens ſowohl wie für die freie Entfaltung des
Privatrechts höchſt wichtigen Fortſchritt erzwungen zu haben.
In letzterer Beziehung enthält ihre urſprüngliche Stellung die
Unabhängigkeit des Privatrechts vom öffentlichen Recht und
die des Vermögensrechts von der Familie. Ihnen verdankt alſo
das reine, vom Einfluß des Familienprinzips emancipirte Pri-
vatrecht ſeinen Urſprung, und dies iſt eben das ſpätere römiſche
Privatrecht. In politiſcher Beziehung vertreten ſie die Berech-

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[333/0351] 2. Verhältniß zu den gegebenen Ausgangspunkten. §. 21. ganzen ſpätern Ausdehnung, auf dem Höhenpunkte ſeiner Kraft und Vollendung kennen zu lernen. Wie es ſich hiſtoriſch ent- wickelt hat, welche Bedeutung die Beſtrebungen der Plebejer, die Zwölftafelgeſetzgebung u. ſ. w. dafür haben, das gehört nicht hierher, und müſſen wir der römiſchen Rechtsgeſchichte überlaſſen. Für unſern Zweck genügt es zu wiſſen, daß die rö- miſche Rechtsbildung vorzugsweiſe dies Prinzip herausgreift, in meiſterhaft conſequenter Weiſe entwickelt und daſſelbe von den beſchränkenden Einflüſſen der übrigen Ausgangsprinzipien befreit. Dieſe Entwicklung des ſubjektiven Prinzips ſteht im umgekehrten Verhältniß mit der der beiden andern Prinzipien. Ihre Zeit war dahin, das römiſche Volk, das über den Ge- genſatz der Patricier und Plebejer ſich erhob, bedurfte anderer Formen und Prinzipien, als die Urbevölkerung Roms. Dauern auch manche der hierher gehörigen Einrichtungen äußerlich fort: ihre innere Bedeutung, ihre conſtitutive, productive Kraft iſt, wie die der Religion, erloſchen, und wir können uns hier von ihnen auf immer trennen; das folgende Syſtem wird ihrer nicht mehr gedenken. Da wir hier nicht, wie bei dem religiöſen Prin- zip, Veranlaſſung haben, der herrſchenden Anſicht entgegenzu- treten, ſo kann die Trennung raſch von Statten gehn. Was zuerſt das Familienprinzip anbetrifft, ſo nimmt die Bedeutung deſſelben ſowohl in politiſcher wie privatrechtlicher Beziehung in demſelben Maße ab, als die Macht der Plebejer wächſt. Auch hier haben ſie wieder das Verdienſt, einen für die Entwicklung des politiſchen Lebens ſowohl wie für die freie Entfaltung des Privatrechts höchſt wichtigen Fortſchritt erzwungen zu haben. In letzterer Beziehung enthält ihre urſprüngliche Stellung die Unabhängigkeit des Privatrechts vom öffentlichen Recht und die des Vermögensrechts von der Familie. Ihnen verdankt alſo das reine, vom Einfluß des Familienprinzips emancipirte Pri- vatrecht ſeinen Urſprung, und dies iſt eben das ſpätere römiſche Privatrecht. In politiſcher Beziehung vertreten ſie die Berech-

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/351>, abgerufen am 22.11.2024.