Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erkenntniß der logischen Natur des Rechts. §. 3. men. Dies Vermögen ist gerade die charakteristische Eigenschaftder Jurisprudenz und die beständige Bethätigung desselben an den Rechtssätzen ihre unerläßliche Pflicht. Kehren wir nun mit dem im bisherigen gewonnenen Re- Wenn wir nun schon hinsichtlich dieser Außenseite des Erkenntniß der logiſchen Natur des Rechts. §. 3. men. Dies Vermögen iſt gerade die charakteriſtiſche Eigenſchaftder Jurisprudenz und die beſtändige Bethätigung deſſelben an den Rechtsſätzen ihre unerläßliche Pflicht. Kehren wir nun mit dem im bisherigen gewonnenen Re- Wenn wir nun ſchon hinſichtlich dieſer Außenſeite des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0049" n="31"/><fw place="top" type="header">Erkenntniß der logiſchen Natur des Rechts. §. 3.</fw><lb/> men. Dies Vermögen iſt gerade die charakteriſtiſche Eigenſchaft<lb/> der Jurisprudenz und die beſtändige Bethätigung deſſelben an<lb/> den Rechtsſätzen ihre unerläßliche Pflicht.</p><lb/> <p>Kehren wir nun mit dem im bisherigen gewonnenen Re-<lb/> ſultat zu unſerm Ausgangspunkt zurück, ſo hat ſich alſo unſere<lb/> Kenntniß des Rechtsorganismus dahin erweitert, daß die meiſten<lb/> Rechtsſätze ſich zu logiſchen Momenten des Rechts und dieſe<lb/> wieder zu höheren Ordnungen geſtalten, ſo daß von eigentlichen<lb/> Rechtsſätzen als ſolchen nur ſehr wenig zurückbleibt. Dieſe, wie<lb/> wir ſie oben nannten, Präcipitirung der Rechtsſätze im Syſtem<lb/> iſt nicht ein Werk ſubjektiven Beliebens, keine von der Wiſſen-<lb/> ſchaft vorgenommene Verarbeitung des Stoffes, ſondern ſie liegt<lb/> in dem Rechte ſelbſt; indem wir ſie vornehmen und uns von<lb/> den Rechtsſätzen freimachen, vertauſchen wir eine unvollkommne,<lb/> äußerliche Betrachtung des Gegenſtandes mit einer innerlichen<lb/> Auffaſſung deſſelben. So wie das Syſtem nichts äußerlich in den<lb/> Gegenſtand hineingetragenes iſt, ſondern ſeine eigne Ordnung, ſo<lb/> iſt auch die ſcheinbar durch die ſyſtematiſche Thätigkeit bewirkte<lb/> logiſche Gliederung und Transſubſtantiation der Rechtsſätze in<lb/> der That nur das Erkennen der wahren Natur des Rechts. Dem<lb/> geübten Auge erſcheint das Recht als ein logiſcher Organismus<lb/> von Rechtsinſtituten und Rechtsbegriffen, dem ungeübten als<lb/> ein Complex von Rechtsſätzen; jenes iſt die innere Natur des<lb/> Rechts, dieſes die dem praktiſchen Leben zugewandte Außenſeite.</p><lb/> <p>Wenn wir nun ſchon hinſichtlich dieſer Außenſeite des<lb/> Rechts zu dem Satze gekommen ſind, daß die Erkenntniß derſel-<lb/> ben mit Schwierigkeiten verbunden und daher oft ſehr mangel-<lb/> haft iſt, ſo gilt dies von jener logiſchen Structur des Rechts in<lb/> einem noch viel höheren Grade. Das unmittelbar praktiſche<lb/> Bedürfniß führt nur zu der Erkenntniß von Rechtsſätzen, es ge-<lb/> hört eine beſonders glückliche Naturanlage eines Volkes dazu,<lb/> wenn es von den Rechts<hi rendition="#g">ſätzen</hi> frühzeitig zur Entdeckung des<lb/> Rechts-<hi rendition="#g">Alphabets</hi> gelangt. Wir werden ſehen, daß darin<lb/> gerade die ungewöhnliche Prädeſtination des römiſchen Volks<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0049]
Erkenntniß der logiſchen Natur des Rechts. §. 3.
men. Dies Vermögen iſt gerade die charakteriſtiſche Eigenſchaft
der Jurisprudenz und die beſtändige Bethätigung deſſelben an
den Rechtsſätzen ihre unerläßliche Pflicht.
Kehren wir nun mit dem im bisherigen gewonnenen Re-
ſultat zu unſerm Ausgangspunkt zurück, ſo hat ſich alſo unſere
Kenntniß des Rechtsorganismus dahin erweitert, daß die meiſten
Rechtsſätze ſich zu logiſchen Momenten des Rechts und dieſe
wieder zu höheren Ordnungen geſtalten, ſo daß von eigentlichen
Rechtsſätzen als ſolchen nur ſehr wenig zurückbleibt. Dieſe, wie
wir ſie oben nannten, Präcipitirung der Rechtsſätze im Syſtem
iſt nicht ein Werk ſubjektiven Beliebens, keine von der Wiſſen-
ſchaft vorgenommene Verarbeitung des Stoffes, ſondern ſie liegt
in dem Rechte ſelbſt; indem wir ſie vornehmen und uns von
den Rechtsſätzen freimachen, vertauſchen wir eine unvollkommne,
äußerliche Betrachtung des Gegenſtandes mit einer innerlichen
Auffaſſung deſſelben. So wie das Syſtem nichts äußerlich in den
Gegenſtand hineingetragenes iſt, ſondern ſeine eigne Ordnung, ſo
iſt auch die ſcheinbar durch die ſyſtematiſche Thätigkeit bewirkte
logiſche Gliederung und Transſubſtantiation der Rechtsſätze in
der That nur das Erkennen der wahren Natur des Rechts. Dem
geübten Auge erſcheint das Recht als ein logiſcher Organismus
von Rechtsinſtituten und Rechtsbegriffen, dem ungeübten als
ein Complex von Rechtsſätzen; jenes iſt die innere Natur des
Rechts, dieſes die dem praktiſchen Leben zugewandte Außenſeite.
Wenn wir nun ſchon hinſichtlich dieſer Außenſeite des
Rechts zu dem Satze gekommen ſind, daß die Erkenntniß derſel-
ben mit Schwierigkeiten verbunden und daher oft ſehr mangel-
haft iſt, ſo gilt dies von jener logiſchen Structur des Rechts in
einem noch viel höheren Grade. Das unmittelbar praktiſche
Bedürfniß führt nur zu der Erkenntniß von Rechtsſätzen, es ge-
hört eine beſonders glückliche Naturanlage eines Volkes dazu,
wenn es von den Rechtsſätzen frühzeitig zur Entdeckung des
Rechts-Alphabets gelangt. Wir werden ſehen, daß darin
gerade die ungewöhnliche Prädeſtination des römiſchen Volks
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |