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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweites Buch. Erster Abschnitt. II. Die Grundtriebe.
der Zahl noch ihrem intensiven Gehalt nach bedeutend; das
Prinzip der abstracten Gleichheit scheint auch ihnen eine freie
und breite Entwicklung verwehrt zu haben.

Der Gegensatz der Freien und Sklaven scheidet zunächst von
der Betrachtung aus, denn der Sklave ist rechtlich keine Person,
es kann also nur bei den Freien von Unterschieden der Person
die Rede sein. 104) Den bei weitem bedeutendsten Unterschied be-
gründet der Umstand, ob die Person einer fremden Gewalt un-
terworfen ist oder nicht (alieni oder sui juris). Es ist hier nicht
der Ort, die verschiedenen Gewaltverhältnisse über freie Perso-
nen (über die Ehefrau, die Kinder und die im Manzipium be-
findlichen Personen) zu erörtern, wir werden sie, soweit es
nöthig ist, in §. 31 berühren, müssen sie hier aber zunächst als
bekannt voraussetzen. Bemerkenswerth ist für den gegenwärti-
gen Gesichtspunkt nur das, wie wenig die natürliche Ungleich-
heit in den Verhältnissen der Ehefrau, der Kinder und der
Sklaven auf der einen Seite zu dem Innhaber der Gewalt auf
der andern Seite rechtliche Anerkennung gefunden hat. Die
Uebermacht der hausherrlichen Gewalt hatte jene drei Verhält-
nisse in persönlicher wie vermögensrechtlicher Hinsicht rechtlich
fast auf ein und dasselbe Niveau herabgedrückt; hinsichtlich der
Entfaltung ihrer sittlichen Individualität waren sie lediglich auf
den Schutz verwiesen, den Sitte und Censor gewährten.

Für Kinder in der väterlichen Gewalt begründete das Ge-
schlecht
nach älterm Recht keinen nachweisbaren Unterschied.
Söhne und Töchter erbten zu gleichen Theilen; auch was Ent-
erbung und Präterition anbetrifft, standen sie ursprünglich sich
gleich. 105) Der Einfluß des Geschlechts auf die Adoption und

104) In servorum conditione nulla est differentia §. 5 I. de jure pers.
(1. 3) L. 5 pr. de statu hom.
(1. 5.)
105) S. Schrader zu Instit. de exh. lib. (2. 13), nämlich 1. Enterbung;
L. 4 Cod. de lib. praet. (6. 28) scimus antea omnes inter ceteros exhe-
redatos scribere esse concessum.
2. Präterition; die Wirkung derselben
war noch zu Ciceros Zeit keineswegs ausgemacht. Cic. de orat. I. 38.

Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe.
der Zahl noch ihrem intenſiven Gehalt nach bedeutend; das
Prinzip der abſtracten Gleichheit ſcheint auch ihnen eine freie
und breite Entwicklung verwehrt zu haben.

Der Gegenſatz der Freien und Sklaven ſcheidet zunächſt von
der Betrachtung aus, denn der Sklave iſt rechtlich keine Perſon,
es kann alſo nur bei den Freien von Unterſchieden der Perſon
die Rede ſein. 104) Den bei weitem bedeutendſten Unterſchied be-
gründet der Umſtand, ob die Perſon einer fremden Gewalt un-
terworfen iſt oder nicht (alieni oder sui juris). Es iſt hier nicht
der Ort, die verſchiedenen Gewaltverhältniſſe über freie Perſo-
nen (über die Ehefrau, die Kinder und die im Manzipium be-
findlichen Perſonen) zu erörtern, wir werden ſie, ſoweit es
nöthig iſt, in §. 31 berühren, müſſen ſie hier aber zunächſt als
bekannt vorausſetzen. Bemerkenswerth iſt für den gegenwärti-
gen Geſichtspunkt nur das, wie wenig die natürliche Ungleich-
heit in den Verhältniſſen der Ehefrau, der Kinder und der
Sklaven auf der einen Seite zu dem Innhaber der Gewalt auf
der andern Seite rechtliche Anerkennung gefunden hat. Die
Uebermacht der hausherrlichen Gewalt hatte jene drei Verhält-
niſſe in perſönlicher wie vermögensrechtlicher Hinſicht rechtlich
faſt auf ein und daſſelbe Niveau herabgedrückt; hinſichtlich der
Entfaltung ihrer ſittlichen Individualität waren ſie lediglich auf
den Schutz verwieſen, den Sitte und Cenſor gewährten.

Für Kinder in der väterlichen Gewalt begründete das Ge-
ſchlecht
nach älterm Recht keinen nachweisbaren Unterſchied.
Söhne und Töchter erbten zu gleichen Theilen; auch was Ent-
erbung und Präterition anbetrifft, ſtanden ſie urſprünglich ſich
gleich. 105) Der Einfluß des Geſchlechts auf die Adoption und

104) In servorum conditione nulla est differentia §. 5 I. de jure pers.
(1. 3) L. 5 pr. de statu hom.
(1. 5.)
105) S. Schrader zu Instit. de exh. lib. (2. 13), nämlich 1. Enterbung;
L. 4 Cod. de lib. praet. (6. 28) scimus antea omnes inter ceteros exhe-
redatos scribere esse concessum.
2. Präterition; die Wirkung derſelben
war noch zu Ciceros Zeit keineswegs ausgemacht. Cic. de orat. I. 38.
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[102/0116] Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe. der Zahl noch ihrem intenſiven Gehalt nach bedeutend; das Prinzip der abſtracten Gleichheit ſcheint auch ihnen eine freie und breite Entwicklung verwehrt zu haben. Der Gegenſatz der Freien und Sklaven ſcheidet zunächſt von der Betrachtung aus, denn der Sklave iſt rechtlich keine Perſon, es kann alſo nur bei den Freien von Unterſchieden der Perſon die Rede ſein. 104) Den bei weitem bedeutendſten Unterſchied be- gründet der Umſtand, ob die Perſon einer fremden Gewalt un- terworfen iſt oder nicht (alieni oder sui juris). Es iſt hier nicht der Ort, die verſchiedenen Gewaltverhältniſſe über freie Perſo- nen (über die Ehefrau, die Kinder und die im Manzipium be- findlichen Perſonen) zu erörtern, wir werden ſie, ſoweit es nöthig iſt, in §. 31 berühren, müſſen ſie hier aber zunächſt als bekannt vorausſetzen. Bemerkenswerth iſt für den gegenwärti- gen Geſichtspunkt nur das, wie wenig die natürliche Ungleich- heit in den Verhältniſſen der Ehefrau, der Kinder und der Sklaven auf der einen Seite zu dem Innhaber der Gewalt auf der andern Seite rechtliche Anerkennung gefunden hat. Die Uebermacht der hausherrlichen Gewalt hatte jene drei Verhält- niſſe in perſönlicher wie vermögensrechtlicher Hinſicht rechtlich faſt auf ein und daſſelbe Niveau herabgedrückt; hinſichtlich der Entfaltung ihrer ſittlichen Individualität waren ſie lediglich auf den Schutz verwieſen, den Sitte und Cenſor gewährten. Für Kinder in der väterlichen Gewalt begründete das Ge- ſchlecht nach älterm Recht keinen nachweisbaren Unterſchied. Söhne und Töchter erbten zu gleichen Theilen; auch was Ent- erbung und Präterition anbetrifft, ſtanden ſie urſprünglich ſich gleich. 105) Der Einfluß des Geſchlechts auf die Adoption und 104) In servorum conditione nulla est differentia §. 5 I. de jure pers. (1. 3) L. 5 pr. de statu hom. (1. 5.) 105) S. Schrader zu Instit. de exh. lib. (2. 13), nämlich 1. Enterbung; L. 4 Cod. de lib. praet. (6. 28) scimus antea omnes inter ceteros exhe- redatos scribere esse concessum. 2. Präterition; die Wirkung derſelben war noch zu Ciceros Zeit keineswegs ausgemacht. Cic. de orat. I. 38.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/116>, abgerufen am 21.11.2024.