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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Sklaven. §. 32.

Die rechtliche Qualität der Sache war die Schale, die
den Keim der Person in sich barg und schützte. 237)

Bei dieser Gelegenheit mußte auch der vermögensrechtliche
Verkehr zwischen Herrn und Sklaven, der sonst vom Recht als
etwas rein Faktisches völlig ignorirt wurde, rechtliche Bedeu-
tung gewinnen. Schulden und Forderungen zwischen Herrn und
Sklaven waren juristisch ein Unding, konnten mithin auch nie vor
Gericht zur Sprache gebracht werden. Aber bei dieser Gelegen-
heit, wo dem Pekulium des Sklaven, wenn die Absicht des Testa-
tors nicht völlig vereitelt werden sollte, eine rechtliche Unverletz-
lichkeit zuerkannt werden mußte, 238) verhielt sich dies anders, und
hier begegnen wir der interessanten Erscheinung, jenen Verkehr
zwischen Herrn und Sklaven förmlich nach den Civilrechtsregeln
beurtheilt zu sehen. 239) Man suchte zwar diese gewaltige Ab-
weichung von der Consequenz der herrschaftlichen Gewalt da-
durch etwas zu verdecken, daß man hier nur von obligationes
naturales
zwischen Herrn und Sklaven sprach, 240) allein dies
war in der That nur eine Form; der Sache nach wurden bei

Sache eine absolute und unvertilgbare rechtliche Qualität
zuschrieb.
237) Das Gegenstück zu diesem Anfang der Person tritt beim Ende der-
selben ein, nämlich der Uebergang der Person zur Sache. Unter der Schale
der Person (fingirte Persönlichkeit der hered. jac., ein durch die historischen
Prämissen der römischen Jurisprudenz nöthig gewordener Gesichtspunkt) ver-
birgt sich hier eine Sache: das Vermögen.
238) L. 17 de statul. (40. 7.) .. haec mens fuit constituentium, ut
quasi ex patrimonio suo dandi eo nomine servo potestas esset.
239) z. B. hinsichtlich der Frage, ob eine Forderung entstanden, L. 49
§. 2 de pec. (15. 1). Ut debitor vel servus domino vel dominus servo
intelligatur, ex causa civili computandum est ... nuda ratio
(der bloße
Wille, Schuldner zu sein) eum non facit debitorem, hinsichtlich des Er-
werbs der Sachen das Requisit der Tradition, L. 8 ibid; ferner L. 21. pr.
de statul.
(40. 7).
240) Factum magis demonstramus, quam ad jus civile referimus
obligationem. L. 41 de pec.
(15. 1).
Jhering, Geist d. röm. Rechts. II. 12
A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Sklaven. §. 32.

Die rechtliche Qualität der Sache war die Schale, die
den Keim der Perſon in ſich barg und ſchützte. 237)

Bei dieſer Gelegenheit mußte auch der vermögensrechtliche
Verkehr zwiſchen Herrn und Sklaven, der ſonſt vom Recht als
etwas rein Faktiſches völlig ignorirt wurde, rechtliche Bedeu-
tung gewinnen. Schulden und Forderungen zwiſchen Herrn und
Sklaven waren juriſtiſch ein Unding, konnten mithin auch nie vor
Gericht zur Sprache gebracht werden. Aber bei dieſer Gelegen-
heit, wo dem Pekulium des Sklaven, wenn die Abſicht des Teſta-
tors nicht völlig vereitelt werden ſollte, eine rechtliche Unverletz-
lichkeit zuerkannt werden mußte, 238) verhielt ſich dies anders, und
hier begegnen wir der intereſſanten Erſcheinung, jenen Verkehr
zwiſchen Herrn und Sklaven förmlich nach den Civilrechtsregeln
beurtheilt zu ſehen. 239) Man ſuchte zwar dieſe gewaltige Ab-
weichung von der Conſequenz der herrſchaftlichen Gewalt da-
durch etwas zu verdecken, daß man hier nur von obligationes
naturales
zwiſchen Herrn und Sklaven ſprach, 240) allein dies
war in der That nur eine Form; der Sache nach wurden bei

Sache eine abſolute und unvertilgbare rechtliche Qualität
zuſchrieb.
237) Das Gegenſtück zu dieſem Anfang der Perſon tritt beim Ende der-
ſelben ein, nämlich der Uebergang der Perſon zur Sache. Unter der Schale
der Perſon (fingirte Perſönlichkeit der hered. jac., ein durch die hiſtoriſchen
Prämiſſen der römiſchen Jurisprudenz nöthig gewordener Geſichtspunkt) ver-
birgt ſich hier eine Sache: das Vermögen.
238) L. 17 de statul. (40. 7.) .. haec mens fuit constituentium, ut
quasi ex patrimonio suo dandi eo nomine servo potestas esset.
239) z. B. hinſichtlich der Frage, ob eine Forderung entſtanden, L. 49
§. 2 de pec. (15. 1). Ut debitor vel servus domino vel dominus servo
intelligatur, ex causa civili computandum est … nuda ratio
(der bloße
Wille, Schuldner zu ſein) eum non facit debitorem, hinſichtlich des Er-
werbs der Sachen das Requiſit der Tradition, L. 8 ibid; ferner L. 21. pr.
de statul.
(40. 7).
240) Factum magis demonstramus, quam ad jus civile referimus
obligationem. L. 41 de pec.
(15. 1).
Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 12
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[177/0191] A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Sklaven. §. 32. Die rechtliche Qualität der Sache war die Schale, die den Keim der Perſon in ſich barg und ſchützte. 237) Bei dieſer Gelegenheit mußte auch der vermögensrechtliche Verkehr zwiſchen Herrn und Sklaven, der ſonſt vom Recht als etwas rein Faktiſches völlig ignorirt wurde, rechtliche Bedeu- tung gewinnen. Schulden und Forderungen zwiſchen Herrn und Sklaven waren juriſtiſch ein Unding, konnten mithin auch nie vor Gericht zur Sprache gebracht werden. Aber bei dieſer Gelegen- heit, wo dem Pekulium des Sklaven, wenn die Abſicht des Teſta- tors nicht völlig vereitelt werden ſollte, eine rechtliche Unverletz- lichkeit zuerkannt werden mußte, 238) verhielt ſich dies anders, und hier begegnen wir der intereſſanten Erſcheinung, jenen Verkehr zwiſchen Herrn und Sklaven förmlich nach den Civilrechtsregeln beurtheilt zu ſehen. 239) Man ſuchte zwar dieſe gewaltige Ab- weichung von der Conſequenz der herrſchaftlichen Gewalt da- durch etwas zu verdecken, daß man hier nur von obligationes naturales zwiſchen Herrn und Sklaven ſprach, 240) allein dies war in der That nur eine Form; der Sache nach wurden bei 236) 237) Das Gegenſtück zu dieſem Anfang der Perſon tritt beim Ende der- ſelben ein, nämlich der Uebergang der Perſon zur Sache. Unter der Schale der Perſon (fingirte Perſönlichkeit der hered. jac., ein durch die hiſtoriſchen Prämiſſen der römiſchen Jurisprudenz nöthig gewordener Geſichtspunkt) ver- birgt ſich hier eine Sache: das Vermögen. 238) L. 17 de statul. (40. 7.) .. haec mens fuit constituentium, ut quasi ex patrimonio suo dandi eo nomine servo potestas esset. 239) z. B. hinſichtlich der Frage, ob eine Forderung entſtanden, L. 49 §. 2 de pec. (15. 1). Ut debitor vel servus domino vel dominus servo intelligatur, ex causa civili computandum est … nuda ratio (der bloße Wille, Schuldner zu ſein) eum non facit debitorem, hinſichtlich des Er- werbs der Sachen das Requiſit der Tradition, L. 8 ibid; ferner L. 21. pr. de statul. (40. 7). 240) Factum magis demonstramus, quam ad jus civile referimus obligationem. L. 41 de pec. (15. 1). 236) Sache eine abſolute und unvertilgbare rechtliche Qualität zuſchrieb. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 12

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/191>, abgerufen am 23.11.2024.