Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32. Das beste Mittel nun, um uns über den wahren Sinn und 302) Von den Juristen, die nur gewohnt sind sich an die Rechtsabstractio-
nen zu halten, kann man es nicht anders erwarten, aber Philosophen und Philologen hätten hierin doch eher das Richtige treffen sollen. Es kann aber kaum etwas Verkehrteres geben, als was z. B. Hegel Philos. der Geschichte. Aufl. 2. S. 348 hierüber sagt: "Im griechischen Leben war doch Fami- lien-Liebe und Familien-Band vorhanden .... Dieser Anfang des römischen Lebens in verwilderter Rohheit mit Ausschluß der Empfindungen der natür- lichen Sittlichkeit bringt das Eine Element desselben mit sich, die Härte gegen das Familienverhältniß, eine selbstische Härte, welche die Grundbestimmung der römischen Sitten und Gesetze für die Folge ausmacht ... S. 350: "So entartet und entsittlicht sehen wir hier die Grundverhältnisse der Sittlichkeit." Aehnliche Urtheile bei Philologen. Daß Ruperti Handbuch der röm. Al- terthümer. Thl. 1, S. 270 der Meinung ist: "Auch das Familienleben konnte die feinern Gefühle nicht wecken und beleben, denn nicht das zarte Band der Liebe umschlang und einigte die Glieder der Fa- milie (!), sondern der Vater stand als dominus, als Herr seinem Hause vor," wird man begreiflich finden, wenn man die Unselbständigkeit des Verf. kennt, aber daß selbst ein so gründlicher Forscher und genauer Kenner des rö- mischen Alterthums wie Rein (in der zweiten Ausgabe von Beckers Gallus B. 2, S. 47 fl.) sich hinsichtlich der patr. pot. von dem gewöhnlichen Vor- urtheil nicht losreißen kann, beweist, wie fest letzteres gewurzelt ist. Uebri- gens will ich mich feierlichst verwahren, irgend einem Juristen, Philosophen oder Philologen, der ohne mein Wissen eine richtigere Anschauung des Ver- hältnisses dargelegt haben sollte, mit der obigen Bemerkung zu nahe treten zu wollen; es kam mir nur darauf an zu zeigen, welche verkehrten Vorstellungen im allgemeinen hier heimisch sind und damit einen Beleg für das B. 1, S. 47 über die herrschende Methode gefällte Urtheil zu liefern. A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32. Das beſte Mittel nun, um uns über den wahren Sinn und 302) Von den Juriſten, die nur gewohnt ſind ſich an die Rechtsabſtractio-
nen zu halten, kann man es nicht anders erwarten, aber Philoſophen und Philologen hätten hierin doch eher das Richtige treffen ſollen. Es kann aber kaum etwas Verkehrteres geben, als was z. B. Hegel Philoſ. der Geſchichte. Aufl. 2. S. 348 hierüber ſagt: „Im griechiſchen Leben war doch Fami- lien-Liebe und Familien-Band vorhanden .... Dieſer Anfang des römiſchen Lebens in verwilderter Rohheit mit Ausſchluß der Empfindungen der natür- lichen Sittlichkeit bringt das Eine Element deſſelben mit ſich, die Härte gegen das Familienverhältniß, eine ſelbſtiſche Härte, welche die Grundbeſtimmung der römiſchen Sitten und Geſetze für die Folge ausmacht … S. 350: „So entartet und entſittlicht ſehen wir hier die Grundverhältniſſe der Sittlichkeit.“ Aehnliche Urtheile bei Philologen. Daß Ruperti Handbuch der röm. Al- terthümer. Thl. 1, S. 270 der Meinung iſt: „Auch das Familienleben konnte die feinern Gefühle nicht wecken und beleben, denn nicht das zarte Band der Liebe umſchlang und einigte die Glieder der Fa- milie (!), ſondern der Vater ſtand als dominus, als Herr ſeinem Hauſe vor,“ wird man begreiflich finden, wenn man die Unſelbſtändigkeit des Verf. kennt, aber daß ſelbſt ein ſo gründlicher Forſcher und genauer Kenner des rö- miſchen Alterthums wie Rein (in der zweiten Ausgabe von Beckers Gallus B. 2, S. 47 fl.) ſich hinſichtlich der patr. pot. von dem gewöhnlichen Vor- urtheil nicht losreißen kann, beweiſt, wie feſt letzteres gewurzelt iſt. Uebri- gens will ich mich feierlichſt verwahren, irgend einem Juriſten, Philoſophen oder Philologen, der ohne mein Wiſſen eine richtigere Anſchauung des Ver- hältniſſes dargelegt haben ſollte, mit der obigen Bemerkung zu nahe treten zu wollen; es kam mir nur darauf an zu zeigen, welche verkehrten Vorſtellungen im allgemeinen hier heimiſch ſind und damit einen Beleg für das B. 1, S. 47 über die herrſchende Methode gefällte Urtheil zu liefern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <pb facs="#f0219" n="205"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.</fw><lb/> <p>Das beſte Mittel nun, um uns über den wahren Sinn und<lb/> die wahre Beſtimmung der hausherrlichen Gewalt aufzuklären,<lb/> beſteht darin, daß wir dieſelbe in ihrer wirklichen Geſtalt im<lb/> römiſchen Leben kennen lernen. 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A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.
Das beſte Mittel nun, um uns über den wahren Sinn und
die wahre Beſtimmung der hausherrlichen Gewalt aufzuklären,
beſteht darin, daß wir dieſelbe in ihrer wirklichen Geſtalt im
römiſchen Leben kennen lernen. Es gilt hier, uns von den
herrſchenden Vorurtheilen hinſichtlich des römiſchen Familien-
lebens los zu machen. Es iſt unglaublich, wie ſehr das ab-
ſtracte Recht Philologen und Philoſophen 302) nicht minder, als
Juriſten in ihrem Urtheil über das römiſche Familienleben irre
geführt hat. Daß ſich unter der Knecht-Ruprechts-Maske der
patria potestas und manus ein menſchliches Geſicht verbergen
ſollte, ſchien von vornherein unglaublich. Und allerdings, wenn
302) Von den Juriſten, die nur gewohnt ſind ſich an die Rechtsabſtractio-
nen zu halten, kann man es nicht anders erwarten, aber Philoſophen und
Philologen hätten hierin doch eher das Richtige treffen ſollen. Es kann aber
kaum etwas Verkehrteres geben, als was z. B. Hegel Philoſ. der Geſchichte.
Aufl. 2. S. 348 hierüber ſagt: „Im griechiſchen Leben war doch Fami-
lien-Liebe und Familien-Band vorhanden .... Dieſer Anfang des römiſchen
Lebens in verwilderter Rohheit mit Ausſchluß der Empfindungen der natür-
lichen Sittlichkeit bringt das Eine Element deſſelben mit ſich, die Härte gegen
das Familienverhältniß, eine ſelbſtiſche Härte, welche die Grundbeſtimmung
der römiſchen Sitten und Geſetze für die Folge ausmacht … S. 350: „So
entartet und entſittlicht ſehen wir hier die Grundverhältniſſe der Sittlichkeit.“
Aehnliche Urtheile bei Philologen. Daß Ruperti Handbuch der röm. Al-
terthümer. Thl. 1, S. 270 der Meinung iſt: „Auch das Familienleben konnte
die feinern Gefühle nicht wecken und beleben, denn nicht das zarte
Band der Liebe umſchlang und einigte die Glieder der Fa-
milie (!), ſondern der Vater ſtand als dominus, als Herr ſeinem Hauſe
vor,“ wird man begreiflich finden, wenn man die Unſelbſtändigkeit des Verf.
kennt, aber daß ſelbſt ein ſo gründlicher Forſcher und genauer Kenner des rö-
miſchen Alterthums wie Rein (in der zweiten Ausgabe von Beckers Gallus
B. 2, S. 47 fl.) ſich hinſichtlich der patr. pot. von dem gewöhnlichen Vor-
urtheil nicht losreißen kann, beweiſt, wie feſt letzteres gewurzelt iſt. Uebri-
gens will ich mich feierlichſt verwahren, irgend einem Juriſten, Philoſophen
oder Philologen, der ohne mein Wiſſen eine richtigere Anſchauung des Ver-
hältniſſes dargelegt haben ſollte, mit der obigen Bemerkung zu nahe treten zu
wollen; es kam mir nur darauf an zu zeigen, welche verkehrten Vorſtellungen
im allgemeinen hier heimiſch ſind und damit einen Beleg für das B. 1, S. 47
über die herrſchende Methode gefällte Urtheil zu liefern.
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