Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.C. Histor. Bedeutung d. Systems. -- Entdeckung d. Privatrechts. §. 36. Wesen der letzteren besteht gerade darin, daß sie von allem Nicht-juristischen in den Verhältnissen abstrahirt, und Nicht-juristisch ist alles, was auf den Gesichtspunkt der Macht nicht reagirt. Daß ganz verschiedenartige Ideen und Rücksichten bei der Man lasse sich dadurch nicht täuschen, daß der Zweck des 20*
C. Hiſtor. Bedeutung d. Syſtems. — Entdeckung d. Privatrechts. §. 36. Weſen der letzteren beſteht gerade darin, daß ſie von allem Nicht-juriſtiſchen in den Verhältniſſen abſtrahirt, und Nicht-juriſtiſch iſt alles, was auf den Geſichtspunkt der Macht nicht reagirt. Daß ganz verſchiedenartige Ideen und Rückſichten bei der Man laſſe ſich dadurch nicht täuſchen, daß der Zweck des 20*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0321" n="307"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">C.</hi> Hiſtor. Bedeutung d. Syſtems. — Entdeckung d. Privatrechts. §. 36.</fw><lb/> Weſen der letzteren beſteht gerade darin, daß ſie von allem Nicht-<lb/> juriſtiſchen in den Verhältniſſen abſtrahirt, und Nicht-juriſtiſch<lb/> iſt alles, was auf den Geſichtspunkt der Macht nicht reagirt.</p><lb/> <p>Daß ganz verſchiedenartige Ideen und Rückſichten bei der<lb/> legislativen Geſtaltung eines Herrſchaftsverhältniſſes mitwir-<lb/> ken können z. B. die Rückſicht auf das öffentliche Wohl, die<lb/> Sittlichkeit u. ſ. w., wird Niemand läugnen, aber juriſtiſch ge-<lb/> ſprochen beſteht dieſer Einfluß nicht darin, daß ſie in das In-<lb/> nere des Verhältniſſes eine fremdartige Subſtanz brächten, den<lb/> Inhalt deſſelben <hi rendition="#g">qualitativ</hi> zu etwas anderem machten, als<lb/> Willensmacht, ſondern daß ſie, ſo zu ſagen, <hi rendition="#g">von außen</hi> ge-<lb/> gen die Wände des Rechtsverhältniſſes drücken und dadurch den<lb/> Machtgehalt deſſelben beſchränken, die Herrſchaft mehr oder<lb/> weniger comprimiren. Wie ſehr immerhin die ſittliche Auf-<lb/> faſſung eines und deſſelben Inſtituts zu verſchiedenen Zeiten<lb/> variirt, wie ſehr dieſe Verſchiedenheit in der rechtlichen Geſtal-<lb/> tung des Inſtituts ſich verwirklicht haben mag — vom juriſti-<lb/> ſchen Standpunkte aus dürfen wir dieſer Thatſache keinen andern<lb/> Ausdruck geben, als: <hi rendition="#g">der Machtgehalt des Inſtituts war<lb/> hier ein weiterer, dort ein geringerer</hi>. Die Unter-<lb/> ſchiede alſo z. B. zwiſchen der Vormundſchaft, dem Verhältniß<lb/> des Vaters zu den Kindern, des Mannes zur Frau u. ſ. w. im<lb/> ältern römiſchen und heutigen Recht reduciren ſich, wenn man<lb/> ſie juriſtiſch bezeichnen will, auf eine quantitative Differenz in<lb/> dem Machtgehalt jener Verhältniſſe und die Begründung einer<lb/> gegenüberſtehenden Macht (des Mündels, Kindes, der Frau); es<lb/> heißt wie ein Laie ſprechen, wenn man ſagt, daß jene Verhält-<lb/> niſſe nicht mehr Gewaltverhältniſſe ſeien, der nüchterne Gedanke<lb/> der Macht hier vielmehr irgend einem edlern das Feld geräumt<lb/> oder ſich mit ihm zu irgend einem höhern, den Römern unbe-<lb/> kannten, verbunden habe.</p><lb/> <p>Man laſſe ſich dadurch nicht täuſchen, daß der Zweck des<lb/> Verhältniſſes nicht immer in dem ſelbſtnützigen Genuß der<lb/> Macht beſteht. Der Beamte hat ſeine Macht nicht ſeinetwegen,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">20*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [307/0321]
C. Hiſtor. Bedeutung d. Syſtems. — Entdeckung d. Privatrechts. §. 36.
Weſen der letzteren beſteht gerade darin, daß ſie von allem Nicht-
juriſtiſchen in den Verhältniſſen abſtrahirt, und Nicht-juriſtiſch
iſt alles, was auf den Geſichtspunkt der Macht nicht reagirt.
Daß ganz verſchiedenartige Ideen und Rückſichten bei der
legislativen Geſtaltung eines Herrſchaftsverhältniſſes mitwir-
ken können z. B. die Rückſicht auf das öffentliche Wohl, die
Sittlichkeit u. ſ. w., wird Niemand läugnen, aber juriſtiſch ge-
ſprochen beſteht dieſer Einfluß nicht darin, daß ſie in das In-
nere des Verhältniſſes eine fremdartige Subſtanz brächten, den
Inhalt deſſelben qualitativ zu etwas anderem machten, als
Willensmacht, ſondern daß ſie, ſo zu ſagen, von außen ge-
gen die Wände des Rechtsverhältniſſes drücken und dadurch den
Machtgehalt deſſelben beſchränken, die Herrſchaft mehr oder
weniger comprimiren. Wie ſehr immerhin die ſittliche Auf-
faſſung eines und deſſelben Inſtituts zu verſchiedenen Zeiten
variirt, wie ſehr dieſe Verſchiedenheit in der rechtlichen Geſtal-
tung des Inſtituts ſich verwirklicht haben mag — vom juriſti-
ſchen Standpunkte aus dürfen wir dieſer Thatſache keinen andern
Ausdruck geben, als: der Machtgehalt des Inſtituts war
hier ein weiterer, dort ein geringerer. Die Unter-
ſchiede alſo z. B. zwiſchen der Vormundſchaft, dem Verhältniß
des Vaters zu den Kindern, des Mannes zur Frau u. ſ. w. im
ältern römiſchen und heutigen Recht reduciren ſich, wenn man
ſie juriſtiſch bezeichnen will, auf eine quantitative Differenz in
dem Machtgehalt jener Verhältniſſe und die Begründung einer
gegenüberſtehenden Macht (des Mündels, Kindes, der Frau); es
heißt wie ein Laie ſprechen, wenn man ſagt, daß jene Verhält-
niſſe nicht mehr Gewaltverhältniſſe ſeien, der nüchterne Gedanke
der Macht hier vielmehr irgend einem edlern das Feld geräumt
oder ſich mit ihm zu irgend einem höhern, den Römern unbe-
kannten, verbunden habe.
Man laſſe ſich dadurch nicht täuſchen, daß der Zweck des
Verhältniſſes nicht immer in dem ſelbſtnützigen Genuß der
Macht beſteht. Der Beamte hat ſeine Macht nicht ſeinetwegen,
20*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |