Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.C. Histor. Bedeutung d. Systems. -- Produktivität der Autonomie. §. 36. terhin (davon an einer andern Stelle). Für die allmählige ty-pische Gestaltung der verschiedenen Geschäfte nach Form und In- halt, ihre Abrundung und detaillirtere Ausbildung trug eine Ein- richtung außerordentlich viel bei, zu der der Verkehr in der Bil- dungsperiode der Rechtsgeschäfte überall zu greifen pflegt, ich meine den Gebrauch der Formulare. Für alle Arten von Geschäf- ten gab es in Rom bestimmte, höchst sorgfältig ausgearbeitete Formulare (actiones, leges rerum vendendarum u. s. w.), 470) die durch die fortgesetzte Probe, welche sie im Leben zu bestehen hatten, und ein stets wiederholtes Feilen und Nachbessern einen sehr hohen Grad der Brauchbarkeit erlangt hatten. Sowie irgend eine neue Art von Geschäften aufkam, ward für dieselbe ein Formular ausgearbeitet d. h. das Geschäft von vornherein in eine bestimmte geregelte Bahn gewiesen. Da die Benutzung des Formulars nichts Obligatorisches hatte, sondern ganz vom individuellen Ermessen abhing, da ferner die in demselben ent- haltenen Stipulationen, mochten sie auch täglich wiederkehren, nur als subjektiver Willensinhalt in Betracht kommen, so konnte man das rechtliche Material, welches in diesen For- mularen aufgeschichtet war, nicht eigentlich als Bestandtheil des Rechts bezeichnen. Wenn dies aber dennoch geschah (z. B. das jus Flavianum, Aelianum), so begreift es sich sehr wohl. Die Sammlungen von Formularen waren die Vorläufer, Sur- rogate und Quellen des dispositiven Rechts. In ihnen war bereits die Aufgabe gelöst, mit der sich dieser Theil des Rechts zu beschäftigen hat: die Classifikation der Rechtsgeschäfte, na- mentlich die Scheidung der verschiedenen Verträge und die Er- findung und richtige Formulirung naturgemäßer Rechtsregeln 470) L. 2 §. 7, 33. 38 de orig. jur. (1. 2.) Cic. de orat. I, 57. 58.
III, 33. Varro de re rustica theilt an jeder Stelle seines Werkes, wo er irgend einen Contrakt z. B. den Verkauf von Sklaven, Vieh, der Wein- ärndte u. s. w., das Verdingen einer Arbeit u. a. erwähnt, die betreffenden Formulare mit. C. Hiſtor. Bedeutung d. Syſtems. — Produktivität der Autonomie. §. 36. terhin (davon an einer andern Stelle). Für die allmählige ty-piſche Geſtaltung der verſchiedenen Geſchäfte nach Form und In- halt, ihre Abrundung und detaillirtere Ausbildung trug eine Ein- richtung außerordentlich viel bei, zu der der Verkehr in der Bil- dungsperiode der Rechtsgeſchäfte überall zu greifen pflegt, ich meine den Gebrauch der Formulare. Für alle Arten von Geſchäf- ten gab es in Rom beſtimmte, höchſt ſorgfältig ausgearbeitete Formulare (actiones, leges rerum vendendarum u. ſ. w.), 470) die durch die fortgeſetzte Probe, welche ſie im Leben zu beſtehen hatten, und ein ſtets wiederholtes Feilen und Nachbeſſern einen ſehr hohen Grad der Brauchbarkeit erlangt hatten. Sowie irgend eine neue Art von Geſchäften aufkam, ward für dieſelbe ein Formular ausgearbeitet d. h. das Geſchäft von vornherein in eine beſtimmte geregelte Bahn gewieſen. Da die Benutzung des Formulars nichts Obligatoriſches hatte, ſondern ganz vom individuellen Ermeſſen abhing, da ferner die in demſelben ent- haltenen Stipulationen, mochten ſie auch täglich wiederkehren, nur als ſubjektiver Willensinhalt in Betracht kommen, ſo konnte man das rechtliche Material, welches in dieſen For- mularen aufgeſchichtet war, nicht eigentlich als Beſtandtheil des Rechts bezeichnen. Wenn dies aber dennoch geſchah (z. B. das jus Flavianum, Aelianum), ſo begreift es ſich ſehr wohl. Die Sammlungen von Formularen waren die Vorläufer, Sur- rogate und Quellen des dispoſitiven Rechts. In ihnen war bereits die Aufgabe gelöſt, mit der ſich dieſer Theil des Rechts zu beſchäftigen hat: die Claſſifikation der Rechtsgeſchäfte, na- mentlich die Scheidung der verſchiedenen Verträge und die Er- findung und richtige Formulirung naturgemäßer Rechtsregeln 470) L. 2 §. 7, 33. 38 de orig. jur. (1. 2.) Cic. de orat. I, 57. 58.
III, 33. Varro de re rustica theilt an jeder Stelle ſeines Werkes, wo er irgend einen Contrakt z. B. den Verkauf von Sklaven, Vieh, der Wein- ärndte u. ſ. w., das Verdingen einer Arbeit u. a. erwähnt, die betreffenden Formulare mit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0327" n="313"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">C.</hi> Hiſtor. Bedeutung d. Syſtems. — Produktivität der Autonomie. §. 36.</fw><lb/> terhin (davon an einer andern Stelle). Für die allmählige ty-<lb/> piſche Geſtaltung der verſchiedenen Geſchäfte nach Form und In-<lb/> halt, ihre Abrundung und detaillirtere Ausbildung trug eine Ein-<lb/> richtung außerordentlich viel bei, zu der der Verkehr in der Bil-<lb/> dungsperiode der Rechtsgeſchäfte überall zu greifen pflegt, ich<lb/> meine den Gebrauch der Formulare. Für alle Arten von Geſchäf-<lb/> ten gab es in Rom beſtimmte, höchſt ſorgfältig ausgearbeitete<lb/> Formulare (<hi rendition="#aq">actiones, leges rerum vendendarum</hi> u. ſ. w.), <note place="foot" n="470)"><hi rendition="#aq">L. 2 §. 7, 33. 38 de orig. jur. (1. 2.) Cic. de orat. I, 57. 58.<lb/> III,</hi> 33. Varro <hi rendition="#aq">de re rustica</hi> theilt an jeder Stelle ſeines Werkes, wo er<lb/> irgend einen Contrakt z. B. den Verkauf von Sklaven, Vieh, der Wein-<lb/> ärndte u. ſ. w., das Verdingen einer Arbeit u. a. erwähnt, die betreffenden<lb/> Formulare mit.</note><lb/> die durch die fortgeſetzte Probe, welche ſie im Leben zu beſtehen<lb/> hatten, und ein ſtets wiederholtes Feilen und Nachbeſſern einen<lb/> ſehr hohen Grad der Brauchbarkeit erlangt hatten. Sowie<lb/> irgend eine neue Art von Geſchäften aufkam, ward für dieſelbe<lb/> ein Formular ausgearbeitet d. h. das Geſchäft von vornherein<lb/> in eine beſtimmte geregelte Bahn gewieſen. Da die Benutzung<lb/> des Formulars nichts Obligatoriſches hatte, ſondern ganz vom<lb/> individuellen Ermeſſen abhing, da ferner die in demſelben ent-<lb/> haltenen Stipulationen, mochten ſie auch täglich wiederkehren,<lb/> nur als <hi rendition="#g">ſubjektiver Willensinhalt</hi> in Betracht kommen,<lb/> ſo konnte man das rechtliche Material, welches in dieſen For-<lb/> mularen aufgeſchichtet war, nicht eigentlich als Beſtandtheil<lb/> des Rechts bezeichnen. Wenn dies aber dennoch geſchah (z. B.<lb/> das <hi rendition="#aq">jus Flavianum, Aelianum</hi>), ſo begreift es ſich ſehr wohl.<lb/> Die Sammlungen von Formularen waren die <hi rendition="#g">Vorläufer, Sur-<lb/> rogate</hi> und <hi rendition="#g">Quellen</hi> des <hi rendition="#g">dispoſitiven</hi> Rechts. In ihnen<lb/> war bereits die Aufgabe gelöſt, mit der ſich dieſer Theil des Rechts<lb/> zu beſchäftigen hat: die Claſſifikation der Rechtsgeſchäfte, na-<lb/> mentlich die Scheidung der verſchiedenen Verträge und die Er-<lb/> findung und richtige Formulirung naturgemäßer Rechtsregeln<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [313/0327]
C. Hiſtor. Bedeutung d. Syſtems. — Produktivität der Autonomie. §. 36.
terhin (davon an einer andern Stelle). Für die allmählige ty-
piſche Geſtaltung der verſchiedenen Geſchäfte nach Form und In-
halt, ihre Abrundung und detaillirtere Ausbildung trug eine Ein-
richtung außerordentlich viel bei, zu der der Verkehr in der Bil-
dungsperiode der Rechtsgeſchäfte überall zu greifen pflegt, ich
meine den Gebrauch der Formulare. Für alle Arten von Geſchäf-
ten gab es in Rom beſtimmte, höchſt ſorgfältig ausgearbeitete
Formulare (actiones, leges rerum vendendarum u. ſ. w.), 470)
die durch die fortgeſetzte Probe, welche ſie im Leben zu beſtehen
hatten, und ein ſtets wiederholtes Feilen und Nachbeſſern einen
ſehr hohen Grad der Brauchbarkeit erlangt hatten. Sowie
irgend eine neue Art von Geſchäften aufkam, ward für dieſelbe
ein Formular ausgearbeitet d. h. das Geſchäft von vornherein
in eine beſtimmte geregelte Bahn gewieſen. Da die Benutzung
des Formulars nichts Obligatoriſches hatte, ſondern ganz vom
individuellen Ermeſſen abhing, da ferner die in demſelben ent-
haltenen Stipulationen, mochten ſie auch täglich wiederkehren,
nur als ſubjektiver Willensinhalt in Betracht kommen,
ſo konnte man das rechtliche Material, welches in dieſen For-
mularen aufgeſchichtet war, nicht eigentlich als Beſtandtheil
des Rechts bezeichnen. Wenn dies aber dennoch geſchah (z. B.
das jus Flavianum, Aelianum), ſo begreift es ſich ſehr wohl.
Die Sammlungen von Formularen waren die Vorläufer, Sur-
rogate und Quellen des dispoſitiven Rechts. In ihnen
war bereits die Aufgabe gelöſt, mit der ſich dieſer Theil des Rechts
zu beſchäftigen hat: die Claſſifikation der Rechtsgeſchäfte, na-
mentlich die Scheidung der verſchiedenen Verträge und die Er-
findung und richtige Formulirung naturgemäßer Rechtsregeln
470) L. 2 §. 7, 33. 38 de orig. jur. (1. 2.) Cic. de orat. I, 57. 58.
III, 33. Varro de re rustica theilt an jeder Stelle ſeines Werkes, wo er
irgend einen Contrakt z. B. den Verkauf von Sklaven, Vieh, der Wein-
ärndte u. ſ. w., das Verdingen einer Arbeit u. a. erwähnt, die betreffenden
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