Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. gen des Familienlebens z. B. Verheirathung der Tochter. 573)Der Jurist war der Vertrauensmann der Familie, ohne dessen Rath nichts geschah, und oft gewiß auch der Unterhändler und Vermittler, kurz er nahm ungefähr die Stellung ein, wie sie der Beichtvater vielerwärts zu bekleiden pflegt. Seine Dienstlei- stungen waren also mehr prophylaktischer Art, während die des heutigen mehr therapeutischer Art sind. 574) Gewiß war es nicht der bloße Thätigkeitsdrang oder eine 573) Cic. de orat. III, 33. 574) Ein Gegensatz, den Cicero pro Murena 13 mit salubritas und salus bezeichnet, indem er jene dem Juristen, diese dem Redner zuweist. 575) Der ex privatorum negotiis collecta gratia gedenkt Cicero de orat. III, 33. Wie sehr der Jurist auf Dank rechnete, darüber s. die Anekdote bei Val. Max. IX, 3, 2. 576) Hor. Sat. I, 10. 577) Cic. de orat. I, 45 ... in ejus infirmissima valetudine af-
fectaque jam aetate. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. gen des Familienlebens z. B. Verheirathung der Tochter. 573)Der Juriſt war der Vertrauensmann der Familie, ohne deſſen Rath nichts geſchah, und oft gewiß auch der Unterhändler und Vermittler, kurz er nahm ungefähr die Stellung ein, wie ſie der Beichtvater vielerwärts zu bekleiden pflegt. Seine Dienſtlei- ſtungen waren alſo mehr prophylaktiſcher Art, während die des heutigen mehr therapeutiſcher Art ſind. 574) Gewiß war es nicht der bloße Thätigkeitsdrang oder eine 573) Cic. de orat. III, 33. 574) Ein Gegenſatz, den Cicero pro Murena 13 mit salubritas und salus bezeichnet, indem er jene dem Juriſten, dieſe dem Redner zuweiſt. 575) Der ex privatorum negotiis collecta gratia gedenkt Cicero de orat. III, 33. Wie ſehr der Juriſt auf Dank rechnete, darüber ſ. die Anekdote bei Val. Max. IX, 3, 2. 576) Hor. Sat. I, 10. 577) Cic. de orat. I, 45 … in ejus infirmissima valetudine af-
fectaque jam aetate. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0146" n="440"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> gen des Familienlebens z. B. Verheirathung der Tochter. <note place="foot" n="573)"><hi rendition="#aq">Cic. de orat. III, 33.</hi></note><lb/> Der Juriſt war der Vertrauensmann der Familie, ohne deſſen<lb/> Rath nichts geſchah, und oft gewiß auch der Unterhändler und<lb/> Vermittler, kurz er nahm ungefähr die Stellung ein, wie ſie der<lb/> Beichtvater vielerwärts zu bekleiden pflegt. Seine Dienſtlei-<lb/> ſtungen waren alſo mehr <hi rendition="#g">prophylaktiſcher</hi> Art, während<lb/> die des heutigen mehr <hi rendition="#g">therapeutiſcher</hi> Art ſind. <note place="foot" n="574)">Ein Gegenſatz, den Cicero <hi rendition="#aq">pro Murena</hi> 13 mit <hi rendition="#aq">salubritas</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">salus</hi> bezeichnet, indem er jene dem Juriſten, dieſe dem Redner zuweiſt.</note></p><lb/> <p>Gewiß war es nicht der bloße Thätigkeitsdrang oder eine<lb/> unintereſſirte Dienſtfertigkeit, die ihn zu ſeinen Mühwal-<lb/> tungen beſtimmte; auch er ſelbſt mußte dabei ſeine Rechnung<lb/> finden. Und allerdings fehlte der Lohn nicht. Nur war’s freilich<lb/> kein klingender; die Conſultanten kamen mit leeren Händen.<lb/> Aber wenn auch kein Geld, ſo brachten ſie doch etwas anderes,<lb/> das einem unabhängig geſtellten Römer nicht minder galt —<lb/> Ehre, Achtung, Anſehn, Popularität und Einfluß. <note place="foot" n="575)">Der <hi rendition="#aq">ex privatorum negotiis collecta gratia</hi> gedenkt Cicero <hi rendition="#aq">de<lb/> orat. III, 33.</hi> Wie ſehr der Juriſt auf Dank rechnete, darüber ſ. die Anekdote<lb/> bei <hi rendition="#aq">Val. Max. IX, 3, 2.</hi></note> Je<lb/> mehr Conſultanten, deſto höher der Ruf des Juriſten; am Con-<lb/> ſultirtwerden erkannte man den <hi rendition="#aq">„Jure <hi rendition="#g">consultus</hi>“.</hi> Weſſen<lb/> Haus den ganzen Tag über von ihnen nicht leer ward, bei wem<lb/> ſie, um mit Horaz <note place="foot" n="576)"><hi rendition="#aq">Hor. Sat. I, 10.</hi></note> zu reden, ſchon beim erſten Hahnenſchrei<lb/> anpochten und ihm ſelbſt auf dem Krankenlager keine Ruhe<lb/> ließen, <note place="foot" n="577)"><hi rendition="#aq">Cic. de orat. I, 45 … in ejus infirmissima valetudine af-<lb/> fectaque jam aetate.</hi></note> der genoß eine kaum minder geachtete und einfluß-<lb/> reiche Stellung, als die höchſten Würdenträger der Republik.<lb/> Ein ſolches Haus galt in den Augen des Volks als ein öffent-<lb/> liches, in das Jeder aus- und einging, zu dem Jeder freien<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [440/0146]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
gen des Familienlebens z. B. Verheirathung der Tochter. 573)
Der Juriſt war der Vertrauensmann der Familie, ohne deſſen
Rath nichts geſchah, und oft gewiß auch der Unterhändler und
Vermittler, kurz er nahm ungefähr die Stellung ein, wie ſie der
Beichtvater vielerwärts zu bekleiden pflegt. Seine Dienſtlei-
ſtungen waren alſo mehr prophylaktiſcher Art, während
die des heutigen mehr therapeutiſcher Art ſind. 574)
Gewiß war es nicht der bloße Thätigkeitsdrang oder eine
unintereſſirte Dienſtfertigkeit, die ihn zu ſeinen Mühwal-
tungen beſtimmte; auch er ſelbſt mußte dabei ſeine Rechnung
finden. Und allerdings fehlte der Lohn nicht. Nur war’s freilich
kein klingender; die Conſultanten kamen mit leeren Händen.
Aber wenn auch kein Geld, ſo brachten ſie doch etwas anderes,
das einem unabhängig geſtellten Römer nicht minder galt —
Ehre, Achtung, Anſehn, Popularität und Einfluß. 575) Je
mehr Conſultanten, deſto höher der Ruf des Juriſten; am Con-
ſultirtwerden erkannte man den „Jure consultus“. Weſſen
Haus den ganzen Tag über von ihnen nicht leer ward, bei wem
ſie, um mit Horaz 576) zu reden, ſchon beim erſten Hahnenſchrei
anpochten und ihm ſelbſt auf dem Krankenlager keine Ruhe
ließen, 577) der genoß eine kaum minder geachtete und einfluß-
reiche Stellung, als die höchſten Würdenträger der Republik.
Ein ſolches Haus galt in den Augen des Volks als ein öffent-
liches, in das Jeder aus- und einging, zu dem Jeder freien
573) Cic. de orat. III, 33.
574) Ein Gegenſatz, den Cicero pro Murena 13 mit salubritas und
salus bezeichnet, indem er jene dem Juriſten, dieſe dem Redner zuweiſt.
575) Der ex privatorum negotiis collecta gratia gedenkt Cicero de
orat. III, 33. Wie ſehr der Juriſt auf Dank rechnete, darüber ſ. die Anekdote
bei Val. Max. IX, 3, 2.
576) Hor. Sat. I, 10.
577) Cic. de orat. I, 45 … in ejus infirmissima valetudine af-
fectaque jam aetate.
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