Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45. gegenstellen, geht nicht ein Inhalt ohne Form, sondern einInhalt in anderer Form voraus. In dieser Weise verhält es sich mit diesem Gegensatz auch bei Das Recht kann dem Willen rücksichtlich der Mittel seiner 649) Daß und warum der folgende Gegensatz nur bei Rechtsgeschäften, nicht auch bei Delicten Anwendung leidet, bedarf keiner Ausführung. 650) Man vergleiche z. B. das pignus publicum und privatum des neuern römischen Rechts, im deutschen Recht den Gegensatz der läugenbaren und unläugenbaren Schuld s. u. 651) In dieser Weise hat man hie und da das Gebot der Zuziehung von 32*
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45. gegenſtellen, geht nicht ein Inhalt ohne Form, ſondern einInhalt in anderer Form voraus. In dieſer Weiſe verhält es ſich mit dieſem Gegenſatz auch bei Das Recht kann dem Willen rückſichtlich der Mittel ſeiner 649) Daß und warum der folgende Gegenſatz nur bei Rechtsgeſchäften, nicht auch bei Delicten Anwendung leidet, bedarf keiner Ausführung. 650) Man vergleiche z. B. das pignus publicum und privatum des neuern römiſchen Rechts, im deutſchen Recht den Gegenſatz der läugenbaren und unläugenbaren Schuld ſ. u. 651) In dieſer Weiſe hat man hie und da das Gebot der Zuziehung von 32*
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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 45.
gegenſtellen, geht nicht ein Inhalt ohne Form, ſondern ein
Inhalt in anderer Form voraus.
In dieſer Weiſe verhält es ſich mit dieſem Gegenſatz auch bei
dem Gegenſtand unſerer Betrachtung, dem rechtlichen Wil-
len. Die Annahme deſſelben iſt bedingt durch ſeine Erkennbar-
keit, letztere durch ſeine Aeußerung. In dieſem Sinn gibt es
alſo keinen formloſen Willensact — ein Wille ohne Form wäre
gleich dem Lichtenbergſchen Meſſer ohne Klinge, dem der Stiel
fehlt. Wenn wir nichts deſto weniger von formloſen Willens-
erklärungen reden, ſo liegt auf der Hand, daß der Ausdruck
Form hier eine andere und zwar engere Bedeutung haben muß.
Damit aber hat es folgende Bewandniß.
Das Recht kann dem Willen rückſichtlich der Mittel ſeiner
Aeußerung im Rechtsgeſchäft 649) entweder völlige Freiheit
laſſen, ſo daß alſo jedwedes Mittel, ſei es das Wort, die Hand-
lung, das Zeichen und unter Umſtänden ſelbſt das Schweigen,
inſofern nur der beſtimmte Willensinhalt daraus mit Sicherheit
entnommen werden kann, zur Hervorbringung der beabſichtigten
Wirkung ausreicht, oder aber es kann ihn in der Wahl dieſer
Mittel beſchränken und zwar entweder ſo, daß es die Erreichung
des beabſichtigten Zwecks an die Benutzung einer beſtimmten
Aeußerungsform knüpft, ſo daß alſo im Unterlaſſungsfall ent-
weder gar keine Wirkung (Strafe der Nichtigkeit) oder nicht
die volle Wirkung 650) eintritt, oder aber in der Weiſe, daß die
Nichtbeachtung der Form, ohne das Rechtsgeſchäft ſelbſt in
irgend einer Weiſe zu afficiren, für den Urheber deſſelben eine
von letzterem völlig unabhängige Strafe z. B. eine fiscaliſche
Geldſtrafe 651) nach ſich zieht. Nur die in der erſten Weiſe po-
649) Daß und warum der folgende Gegenſatz nur bei Rechtsgeſchäften,
nicht auch bei Delicten Anwendung leidet, bedarf keiner Ausführung.
650) Man vergleiche z. B. das pignus publicum und privatum des
neuern römiſchen Rechts, im deutſchen Recht den Gegenſatz der läugenbaren
und unläugenbaren Schuld ſ. u.
651) In dieſer Weiſe hat man hie und da das Gebot der Zuziehung von
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