Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. Zeit wurden in England die Oberrichterstellen nur mit Lordsbesetzt, dies änderte sich später, allein der Name und die An- rede: Lord Oberrichter ist bis auf den heutigen Tag geblieben. Diese Anhänglichkeit an die gewohnte aber aller innern Die Sicherheit und Festigkeit des Fortschrittes beruht be- Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. Zeit wurden in England die Oberrichterſtellen nur mit Lordsbeſetzt, dies änderte ſich ſpäter, allein der Name und die An- rede: Lord Oberrichter iſt bis auf den heutigen Tag geblieben. Dieſe Anhänglichkeit an die gewohnte aber aller innern Die Sicherheit und Feſtigkeit des Fortſchrittes beruht be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0248" n="542"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> Zeit wurden in England die Oberrichterſtellen nur mit Lords<lb/> beſetzt, dies änderte ſich ſpäter, allein der Name und die An-<lb/> rede: Lord Oberrichter iſt bis auf den heutigen Tag geblieben.</p><lb/> <p>Dieſe Anhänglichkeit an die gewohnte aber aller innern<lb/> Bedeutung beraubte Form, dieſer Cultus der nackten Aeußer-<lb/> lichkeit erſcheint auf den erſten Blick als etwas völlig Werth-<lb/> loſes und Verwerfliches, und die ſeichte Weisheit der Aufklä-<lb/> rungsperiode hat ihn von den Tagen des Cicero an (S. 468<lb/> Anm. 610) bis auf unſere Zeit hinab als vogelfreien Gegen-<lb/> ſtand des Witzes betrachtet. Es wäre verdienſtlicher geweſen,<lb/> die Sache zu begreifen, als zu verſpotten. Sie hat eine höchſt<lb/> ernſte Seite, und ich nehme nicht Anſtand, in ihr eine der be-<lb/> deutungsvollſten culturhiſtoriſchen Erſcheinungen zu erblicken.</p><lb/> <p>Die Sicherheit und Feſtigkeit des Fortſchrittes beruht be-<lb/> kanntlich auf der hiſtoriſchen Continuität, auf dem innigen Zu-<lb/> ſammenhang der Gegenwart mit der Vergangenheit. Zu den<lb/> Fäden und Anknüpfungspunkten nun, durch die ſich dieſe Con-<lb/> tinuität vermittelt, gehört namentlich die Form, denn während<lb/> die innern, ſachlichen, hiſtoriſchen Anknüpfungspunkte dem Be-<lb/> wußtſein der <hi rendition="#g">Menge</hi> mehr oder weniger entſchwinden und nur<lb/> einer kleinen Zahl von Kundigen eigentlich geläufig bleiben, ſo<lb/> iſt die Form als etwas Sichtbares und ſtets ſich Wiederholen-<lb/> des die <hi rendition="#g">hauptſächlichſte Trägerin des hiſtoriſchen<lb/> Continuitätsbewußtſeins des Volks</hi>. Je mehr ſich<lb/> in den Formen irgend eine ſpäterhin verſchwundene Eigenthüm-<lb/> lichkeit ihrer Entſtehungszeit ausgeprägt hat, ſei es der Verfaſ-<lb/> ſung, ſei es der Sitte, Mode u. ſ. w., je fremdartiger ſie alſo den<lb/> Beſchauer anmuthen und in ihm das Gefühl der <hi rendition="#g">hiſtoriſchen<lb/> Ferne</hi> hervorrufen, wie etwa durch längſt abgekommene Trach-<lb/> ten und Moden die Bilder der Ahnen, um deſto mehr <hi rendition="#g">ver-<lb/> binden</hi> ſie ihn andererſeits mit der Vergangenheit, indem ſie<lb/> ihm dieſelbe in anſchaulicher und charakteriſtiſcher Weiſe vor-<lb/> führen, die Erinnerung der alten Tage, das Gedächtniß der<lb/> Ahnen im Volk wach und lebendig halten und damit jene maß-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [542/0248]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
Zeit wurden in England die Oberrichterſtellen nur mit Lords
beſetzt, dies änderte ſich ſpäter, allein der Name und die An-
rede: Lord Oberrichter iſt bis auf den heutigen Tag geblieben.
Dieſe Anhänglichkeit an die gewohnte aber aller innern
Bedeutung beraubte Form, dieſer Cultus der nackten Aeußer-
lichkeit erſcheint auf den erſten Blick als etwas völlig Werth-
loſes und Verwerfliches, und die ſeichte Weisheit der Aufklä-
rungsperiode hat ihn von den Tagen des Cicero an (S. 468
Anm. 610) bis auf unſere Zeit hinab als vogelfreien Gegen-
ſtand des Witzes betrachtet. Es wäre verdienſtlicher geweſen,
die Sache zu begreifen, als zu verſpotten. Sie hat eine höchſt
ernſte Seite, und ich nehme nicht Anſtand, in ihr eine der be-
deutungsvollſten culturhiſtoriſchen Erſcheinungen zu erblicken.
Die Sicherheit und Feſtigkeit des Fortſchrittes beruht be-
kanntlich auf der hiſtoriſchen Continuität, auf dem innigen Zu-
ſammenhang der Gegenwart mit der Vergangenheit. Zu den
Fäden und Anknüpfungspunkten nun, durch die ſich dieſe Con-
tinuität vermittelt, gehört namentlich die Form, denn während
die innern, ſachlichen, hiſtoriſchen Anknüpfungspunkte dem Be-
wußtſein der Menge mehr oder weniger entſchwinden und nur
einer kleinen Zahl von Kundigen eigentlich geläufig bleiben, ſo
iſt die Form als etwas Sichtbares und ſtets ſich Wiederholen-
des die hauptſächlichſte Trägerin des hiſtoriſchen
Continuitätsbewußtſeins des Volks. Je mehr ſich
in den Formen irgend eine ſpäterhin verſchwundene Eigenthüm-
lichkeit ihrer Entſtehungszeit ausgeprägt hat, ſei es der Verfaſ-
ſung, ſei es der Sitte, Mode u. ſ. w., je fremdartiger ſie alſo den
Beſchauer anmuthen und in ihm das Gefühl der hiſtoriſchen
Ferne hervorrufen, wie etwa durch längſt abgekommene Trach-
ten und Moden die Bilder der Ahnen, um deſto mehr ver-
binden ſie ihn andererſeits mit der Vergangenheit, indem ſie
ihm dieſelbe in anſchaulicher und charakteriſtiſcher Weiſe vor-
führen, die Erinnerung der alten Tage, das Gedächtniß der
Ahnen im Volk wach und lebendig halten und damit jene maß-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |