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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
seines Anwendungsgebiets, als des tiefeingreifenden Einflusses,
den hier die Form ausübt, weitaus die erste Stelle einnimmt.

Die Legisactionen bilden einen so hervorragenden Bestand-
theil des alten Formalismus, daß ich geglaubt habe, denselben
eine eingehende Erörterung widmen zu müssen. Indem ich mich
dazu anschicke, bemerke ich, daß ich einerseits zwar nur die all-
gemeine Theorie
derselben,868) andererseits dieselbe aber
ihrem ganzen Umfange nach zu geben beabsichtige, ohne mich durch
den obigen Gesichtspunkt beengen zu lassen. Gezwungen an
einer Stelle den Gegenstand im Zusammenhang zu behandeln,
habe ich mich für die gegenwärtige entschieden, weil sie uns den-
jenigen Gesichtspunkt darbietet, der, wenn irgend einer, der na-
türliche Ausgangspunkt der ganzen Darstellung ist -- ich meine
den morphologischen. Mit ihm beginnend, also zunächst:

1. die Form der Legisactio und
2. die damit engverbundene Frage von dem Grunde dersel-
ben ins Auge fassend, werde ich sodann
3. die äußere Ausdehnung und
4. die praktische und historische Bedeutung des Le-
gisactionen-Systems zu bestimmen versuchen.

Ich beginne mit dem Bericht des Gajus.869) Die Klagen,
deren sich die Alten bedient, sagt er, seien legis actiones870)

oben bei Gelegenheit der Hand kennen lernen: Das Recht, welches durch die
Hand begründet ist, wird auch durch dieselbe geltend gemacht, in
einem Fall (daselbst Note 784) kommt noch das Entlassen aus der Hand
hinzu.
868) Die einzelnen Arten sind bereits früher berührt, s. B. 1 S. 146 fl.
und S. 265 fl. B. 2 S. 431.
869) Gaj. IV, 11, 30.
870) Der Ausdruck: actio, agere hatte ursprünglich weder eine vorwie-
gend processualische Bedeutung -- auch die Geschäftsformulare hießen actio-
nes
S. 313 oben -- noch die des Handelns im Gegensatz zum Spre-
chen
. Varro de ling. lat. (Müller) VI §. 42 .. et cum pronuntiamus, agi-
mus. Itaque ab eo orator agere causam et augures augurium
agere
dicuntur, quum in eo plura dicant, quam faciant.
s. auch §. 77,
78 ibid.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
ſeines Anwendungsgebiets, als des tiefeingreifenden Einfluſſes,
den hier die Form ausübt, weitaus die erſte Stelle einnimmt.

Die Legisactionen bilden einen ſo hervorragenden Beſtand-
theil des alten Formalismus, daß ich geglaubt habe, denſelben
eine eingehende Erörterung widmen zu müſſen. Indem ich mich
dazu anſchicke, bemerke ich, daß ich einerſeits zwar nur die all-
gemeine Theorie
derſelben,868) andererſeits dieſelbe aber
ihrem ganzen Umfange nach zu geben beabſichtige, ohne mich durch
den obigen Geſichtspunkt beengen zu laſſen. Gezwungen an
einer Stelle den Gegenſtand im Zuſammenhang zu behandeln,
habe ich mich für die gegenwärtige entſchieden, weil ſie uns den-
jenigen Geſichtspunkt darbietet, der, wenn irgend einer, der na-
türliche Ausgangspunkt der ganzen Darſtellung iſt — ich meine
den morphologiſchen. Mit ihm beginnend, alſo zunächſt:

1. die Form der Legisactio und
2. die damit engverbundene Frage von dem Grunde derſel-
ben ins Auge faſſend, werde ich ſodann
3. die äußere Ausdehnung und
4. die praktiſche und hiſtoriſche Bedeutung des Le-
gisactionen-Syſtems zu beſtimmen verſuchen.

Ich beginne mit dem Bericht des Gajus.869) Die Klagen,
deren ſich die Alten bedient, ſagt er, ſeien legis actiones870)

oben bei Gelegenheit der Hand kennen lernen: Das Recht, welches durch die
Hand begründet iſt, wird auch durch dieſelbe geltend gemacht, in
einem Fall (daſelbſt Note 784) kommt noch das Entlaſſen aus der Hand
hinzu.
868) Die einzelnen Arten ſind bereits früher berührt, ſ. B. 1 S. 146 fl.
und S. 265 fl. B. 2 S. 431.
869) Gaj. IV, 11, 30.
870) Der Ausdruck: actio, agere hatte urſprünglich weder eine vorwie-
gend proceſſualiſche Bedeutung — auch die Geſchäftsformulare hießen actio-
nes
S. 313 oben — noch die des Handelns im Gegenſatz zum Spre-
chen
. Varro de ling. lat. (Müller) VI §. 42 .. et cum pronuntiamus, agi-
mus. Itaque ab eo orator agere causam et augures augurium
agere
dicuntur, quum in eo plura dicant, quam faciant.
ſ. auch §. 77,
78 ibid.
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[648/0354] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. ſeines Anwendungsgebiets, als des tiefeingreifenden Einfluſſes, den hier die Form ausübt, weitaus die erſte Stelle einnimmt. Die Legisactionen bilden einen ſo hervorragenden Beſtand- theil des alten Formalismus, daß ich geglaubt habe, denſelben eine eingehende Erörterung widmen zu müſſen. Indem ich mich dazu anſchicke, bemerke ich, daß ich einerſeits zwar nur die all- gemeine Theorie derſelben, 868) andererſeits dieſelbe aber ihrem ganzen Umfange nach zu geben beabſichtige, ohne mich durch den obigen Geſichtspunkt beengen zu laſſen. Gezwungen an einer Stelle den Gegenſtand im Zuſammenhang zu behandeln, habe ich mich für die gegenwärtige entſchieden, weil ſie uns den- jenigen Geſichtspunkt darbietet, der, wenn irgend einer, der na- türliche Ausgangspunkt der ganzen Darſtellung iſt — ich meine den morphologiſchen. Mit ihm beginnend, alſo zunächſt: 1. die Form der Legisactio und 2. die damit engverbundene Frage von dem Grunde derſel- ben ins Auge faſſend, werde ich ſodann 3. die äußere Ausdehnung und 4. die praktiſche und hiſtoriſche Bedeutung des Le- gisactionen-Syſtems zu beſtimmen verſuchen. Ich beginne mit dem Bericht des Gajus. 869) Die Klagen, deren ſich die Alten bedient, ſagt er, ſeien legis actiones 870) 867) 868) Die einzelnen Arten ſind bereits früher berührt, ſ. B. 1 S. 146 fl. und S. 265 fl. B. 2 S. 431. 869) Gaj. IV, 11, 30. 870) Der Ausdruck: actio, agere hatte urſprünglich weder eine vorwie- gend proceſſualiſche Bedeutung — auch die Geſchäftsformulare hießen actio- nes S. 313 oben — noch die des Handelns im Gegenſatz zum Spre- chen. Varro de ling. lat. (Müller) VI §. 42 .. et cum pronuntiamus, agi- mus. Itaque ab eo orator agere causam et augures augurium agere dicuntur, quum in eo plura dicant, quam faciant. ſ. auch §. 77, 78 ibid. 867) oben bei Gelegenheit der Hand kennen lernen: Das Recht, welches durch die Hand begründet iſt, wird auch durch dieſelbe geltend gemacht, in einem Fall (daſelbſt Note 784) kommt noch das Entlaſſen aus der Hand hinzu.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/354>, abgerufen am 26.11.2024.