Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
konnte daher an einer andern Stelle von ihm mit Recht als eine
Singularität bezeichnet werden. Es läge nun sehr nahe, die Rich-
tigkeit seiner Angabe an einem Vergleich der uns erhaltenen
Worte der Gesetze und Formeln zu erproben, allein leider hat
es sich so gefügt, daß in den meisten Fällen, wo uns die Worte
des Gesetzes, nicht die Formeln, und umgekehrt wo letztere, uns
jene nicht erhalten sind. Nichtsdestoweniger hat mir die Ver-
gleichung der XII Tafeln-Fragmente eine Ausbeute gewährt,
die wenn auch in quantitativer Beziehung höchst dürftig, sich
doch in doppelter Weise für die Theorie der Legisactionen mit
Erfolg verwerthen läßt. In der einen Richtung kann es erst
unten geschehen, in der andern ist hier der Ort dazu.

Es liegt der Gedanke nahe, daß die alten Juristen sich in
derselben Weise, wie bei der Construction der Formeln der Le-
gisactionen, so auch bei der der Rechtsgeschäfte der Worte,
mit denen das Gesetz sie erwähnte, hätten bedienen können.
Darauf gibt uns jene Vergleichung die Antwort: Nein! die
Nachbildung des Gesetzes beschränkte sich ausschließlich auf die
Legisactionen, und diese Antwort ist, wie ich sofort zeigen
werde, für die Erkenntniß des wahren Wesens derselben höchst
fruchtbar. Zu den Geschäften, für die uns noch die betreffen-
den Worte der XII Tafeln erhalten sind, gehören namentlich die
Mancipation, der Verkauf des Haussohnes, das Testament.
Ein Blick auf ihre Formeln bestätigt die obige Behauptung.
Hätten die Juristen es gewollt, wie leicht hätten sie die
entscheidenden Worte (mancipium facere -- filium venun-
dare -- legare super pecunia tutelave suae rei)
in der For-
mel anbringen können. Daß es nicht geschehen, kann nicht
Zufall sein, sondern nur darin seinen Grund gehabt haben, daß
der Gedanke der Correspondenz der Formel mit
dem Gesetz in ihren Augen in einer innern und aus-

Der Name der Klage begründet daher einen Schluß auf die im Gesetz ge-
brauchten Ausdrücke, so z. B. der der actio aquae pluviae arcendae.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
konnte daher an einer andern Stelle von ihm mit Recht als eine
Singularität bezeichnet werden. Es läge nun ſehr nahe, die Rich-
tigkeit ſeiner Angabe an einem Vergleich der uns erhaltenen
Worte der Geſetze und Formeln zu erproben, allein leider hat
es ſich ſo gefügt, daß in den meiſten Fällen, wo uns die Worte
des Geſetzes, nicht die Formeln, und umgekehrt wo letztere, uns
jene nicht erhalten ſind. Nichtsdeſtoweniger hat mir die Ver-
gleichung der XII Tafeln-Fragmente eine Ausbeute gewährt,
die wenn auch in quantitativer Beziehung höchſt dürftig, ſich
doch in doppelter Weiſe für die Theorie der Legisactionen mit
Erfolg verwerthen läßt. In der einen Richtung kann es erſt
unten geſchehen, in der andern iſt hier der Ort dazu.

Es liegt der Gedanke nahe, daß die alten Juriſten ſich in
derſelben Weiſe, wie bei der Conſtruction der Formeln der Le-
gisactionen, ſo auch bei der der Rechtsgeſchäfte der Worte,
mit denen das Geſetz ſie erwähnte, hätten bedienen können.
Darauf gibt uns jene Vergleichung die Antwort: Nein! die
Nachbildung des Geſetzes beſchränkte ſich ausſchließlich auf die
Legisactionen, und dieſe Antwort iſt, wie ich ſofort zeigen
werde, für die Erkenntniß des wahren Weſens derſelben höchſt
fruchtbar. Zu den Geſchäften, für die uns noch die betreffen-
den Worte der XII Tafeln erhalten ſind, gehören namentlich die
Mancipation, der Verkauf des Hausſohnes, das Teſtament.
Ein Blick auf ihre Formeln beſtätigt die obige Behauptung.
Hätten die Juriſten es gewollt, wie leicht hätten ſie die
entſcheidenden Worte (mancipium facere — filium venun-
dare — legare super pecunia tutelave suae rei)
in der For-
mel anbringen können. Daß es nicht geſchehen, kann nicht
Zufall ſein, ſondern nur darin ſeinen Grund gehabt haben, daß
der Gedanke der Correſpondenz der Formel mit
dem Geſetz in ihren Augen in einer innern und aus-

Der Name der Klage begründet daher einen Schluß auf die im Geſetz ge-
brauchten Ausdrücke, ſo z. B. der der actio aquae pluviae arcendae.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <p><pb facs="#f0356" n="650"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juri&#x017F;t. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/>
konnte daher an einer andern Stelle von ihm mit Recht als eine<lb/>
Singularität bezeichnet werden. Es läge nun &#x017F;ehr nahe, die Rich-<lb/>
tigkeit &#x017F;einer Angabe an einem Vergleich der uns erhaltenen<lb/>
Worte der Ge&#x017F;etze und Formeln zu erproben, allein leider hat<lb/>
es &#x017F;ich &#x017F;o gefügt, daß in den mei&#x017F;ten Fällen, wo uns die Worte<lb/>
des Ge&#x017F;etzes, nicht die Formeln, und umgekehrt wo letztere, uns<lb/>
jene nicht erhalten &#x017F;ind. Nichtsde&#x017F;toweniger hat mir die Ver-<lb/>
gleichung der <hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln-Fragmente eine Ausbeute gewährt,<lb/>
die wenn auch in quantitativer Beziehung höch&#x017F;t dürftig, &#x017F;ich<lb/>
doch in doppelter Wei&#x017F;e für die Theorie der Legisactionen mit<lb/>
Erfolg verwerthen läßt. In der einen Richtung kann es er&#x017F;t<lb/>
unten ge&#x017F;chehen, in der andern i&#x017F;t hier der Ort dazu.</p><lb/>
                          <p>Es liegt der Gedanke nahe, daß die alten Juri&#x017F;ten &#x017F;ich in<lb/>
der&#x017F;elben Wei&#x017F;e, wie bei der Con&#x017F;truction der Formeln der Le-<lb/>
gisactionen, &#x017F;o auch bei der der Rechtsge&#x017F;chäfte der Worte,<lb/>
mit denen das Ge&#x017F;etz &#x017F;ie erwähnte, hätten bedienen können.<lb/>
Darauf gibt uns jene Vergleichung die Antwort: Nein! die<lb/>
Nachbildung des Ge&#x017F;etzes be&#x017F;chränkte &#x017F;ich aus&#x017F;chließlich auf die<lb/>
Legisactionen, und die&#x017F;e Antwort i&#x017F;t, wie ich &#x017F;ofort zeigen<lb/>
werde, für die Erkenntniß des wahren We&#x017F;ens der&#x017F;elben höch&#x017F;t<lb/>
fruchtbar. Zu den Ge&#x017F;chäften, für die uns noch die betreffen-<lb/>
den Worte der <hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln erhalten &#x017F;ind, gehören namentlich die<lb/>
Mancipation, der Verkauf des Haus&#x017F;ohnes, das Te&#x017F;tament.<lb/>
Ein Blick auf ihre Formeln be&#x017F;tätigt die obige Behauptung.<lb/>
Hätten die Juri&#x017F;ten es <hi rendition="#g">gewollt</hi>, wie leicht hätten &#x017F;ie die<lb/>
ent&#x017F;cheidenden Worte <hi rendition="#aq">(mancipium facere &#x2014; filium venun-<lb/>
dare &#x2014; legare super pecunia tutelave suae rei)</hi> in der For-<lb/>
mel anbringen können. Daß es nicht ge&#x017F;chehen, kann nicht<lb/>
Zufall &#x017F;ein, &#x017F;ondern nur darin &#x017F;einen Grund gehabt haben, daß<lb/><hi rendition="#g">der Gedanke der Corre&#x017F;pondenz der Formel mit<lb/>
dem Ge&#x017F;etz in ihren Augen in einer innern und aus-</hi><lb/><note xml:id="seg2pn_40_2" prev="#seg2pn_40_1" place="foot" n="873)">Der Name der Klage begründet daher einen Schluß auf die im Ge&#x017F;etz ge-<lb/>
brauchten Ausdrücke, &#x017F;o z. B. der der <hi rendition="#aq">actio aquae pluviae arcendae.</hi></note><lb/></p>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[650/0356] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. konnte daher an einer andern Stelle von ihm mit Recht als eine Singularität bezeichnet werden. Es läge nun ſehr nahe, die Rich- tigkeit ſeiner Angabe an einem Vergleich der uns erhaltenen Worte der Geſetze und Formeln zu erproben, allein leider hat es ſich ſo gefügt, daß in den meiſten Fällen, wo uns die Worte des Geſetzes, nicht die Formeln, und umgekehrt wo letztere, uns jene nicht erhalten ſind. Nichtsdeſtoweniger hat mir die Ver- gleichung der XII Tafeln-Fragmente eine Ausbeute gewährt, die wenn auch in quantitativer Beziehung höchſt dürftig, ſich doch in doppelter Weiſe für die Theorie der Legisactionen mit Erfolg verwerthen läßt. In der einen Richtung kann es erſt unten geſchehen, in der andern iſt hier der Ort dazu. Es liegt der Gedanke nahe, daß die alten Juriſten ſich in derſelben Weiſe, wie bei der Conſtruction der Formeln der Le- gisactionen, ſo auch bei der der Rechtsgeſchäfte der Worte, mit denen das Geſetz ſie erwähnte, hätten bedienen können. Darauf gibt uns jene Vergleichung die Antwort: Nein! die Nachbildung des Geſetzes beſchränkte ſich ausſchließlich auf die Legisactionen, und dieſe Antwort iſt, wie ich ſofort zeigen werde, für die Erkenntniß des wahren Weſens derſelben höchſt fruchtbar. Zu den Geſchäften, für die uns noch die betreffen- den Worte der XII Tafeln erhalten ſind, gehören namentlich die Mancipation, der Verkauf des Hausſohnes, das Teſtament. Ein Blick auf ihre Formeln beſtätigt die obige Behauptung. Hätten die Juriſten es gewollt, wie leicht hätten ſie die entſcheidenden Worte (mancipium facere — filium venun- dare — legare super pecunia tutelave suae rei) in der For- mel anbringen können. Daß es nicht geſchehen, kann nicht Zufall ſein, ſondern nur darin ſeinen Grund gehabt haben, daß der Gedanke der Correſpondenz der Formel mit dem Geſetz in ihren Augen in einer innern und aus- 873) 873) Der Name der Klage begründet daher einen Schluß auf die im Geſetz ge- brauchten Ausdrücke, ſo z. B. der der actio aquae pluviae arcendae.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/356
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/356>, abgerufen am 24.11.2024.