Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. Weise, wie er sich über ihn äußert, verräth, daß er darin einegroße Singularität erblickte. So viel zur Rechtfertigung des oben (S. 665) behaupteten Ob das Drückende dieses Zustandes vom römischen Leben Eine Nachwirkung ist meiner Ansicht nach der spätern Zeit 907) S. die Note 874 citirten Werke von de Lolme, Kap. 11 und Gneist
§. 125, außerdem Rüttimann der engl. Civilproceß. Leipzig 1851 §. 8--10, 83. Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. Weiſe, wie er ſich über ihn äußert, verräth, daß er darin einegroße Singularität erblickte. So viel zur Rechtfertigung des oben (S. 665) behaupteten Ob das Drückende dieſes Zuſtandes vom römiſchen Leben Eine Nachwirkung iſt meiner Anſicht nach der ſpätern Zeit 907) S. die Note 874 citirten Werke von de Lolme, Kap. 11 und Gneiſt
§. 125, außerdem Rüttimann der engl. Civilproceß. Leipzig 1851 §. 8—10, 83. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0377" n="671"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 47.</fw><lb/> Weiſe, wie er ſich über ihn äußert, verräth, daß er darin eine<lb/> große Singularität erblickte.</p><lb/> <p>So viel zur Rechtfertigung des oben (S. 665) behaupteten<lb/> beengenden Einfluſſes des Legisactionen-Syſtems. So weit letz-<lb/> teres reichte, war die Jurisprudenz und die Obrigkeit machtlos.<lb/> Sie vermochten weder eine geſetzlich zuſtändige Klage in ihrem<lb/> Lauf zu hindern, auch wenn das Reſultat im einzelnen Fall mit<lb/> der wirklichen Intention des Geſetzes und dem natürlichen Rechts-<lb/> gefühl in noch ſo grellen Widerſpruch gerieth, noch auch ſtand es<lb/> in ihrer Macht, umgekehrt in einem Fall, in dem das drin-<lb/> gendſte Bedürfniß und der gerechteſte Anſpruch auf Hülfe vor-<lb/> handen, eine Klage zu gewähren, die das lückenhafte Geſetz nicht<lb/> vorgeſehen hatte. Ich glaube daher nicht zu viel gethan zu ha-<lb/> ben, wenn ich den Eindruck, den der alte Proceß auf mich macht,<lb/> an anderer Stelle (S. 80) mit dem Bilde einer Maſchine wie-<lb/> dergegeben habe.</p><lb/> <p>Ob das Drückende dieſes Zuſtandes vom römiſchen Leben<lb/> empfunden, und ob nicht die Oppoſition, die der alte Proceß<lb/> nach Gajus im Lauf der Zeit hervorrief, und der er ſchließlich<lb/> erlag, ſich eben ſo ſehr auf dieſen Uebelſtand erſtreckte, als auf<lb/> den von Gajus gerügten — das, meine ich, darf ich dem Urtheil<lb/> eines Jeden überlaſſen. Auch England kannte einſt ähnliche<lb/> Zuſtände — denſelben Rigorismus des Geſetzes, denſelben eiſer-<lb/> nen Legalismus — aber auch hier machte das Leben ſeine Rechte<lb/> geltend. Dieſelbe Erleichterung, die Rom im Formularpro-<lb/> ceß, ſuchte England in den Billigkeitsgerichtshöfen (<hi rendition="#aq">courts of<lb/> equity</hi>),<note place="foot" n="907)">S. die Note 874 citirten Werke von de Lolme, Kap. 11 und Gneiſt<lb/> §. 125, außerdem Rüttimann der engl. Civilproceß. Leipzig 1851 §. 8—10, 83.</note> nur haben letztere ſich allerdings nie zu der Höhe<lb/> des rechtsbildneriſchen Einfluſſes erhoben, der dem römiſchen<lb/> Prätor beſchieden war.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Eine</hi> Nachwirkung iſt meiner Anſicht nach der ſpätern Zeit<lb/> noch vom Legisactionen-Syſtem geblieben. Es iſt dies jene für<lb/> den ſpecifiſchen Charakter der römiſchen im Gegenſatz zu unſerer<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [671/0377]
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
Weiſe, wie er ſich über ihn äußert, verräth, daß er darin eine
große Singularität erblickte.
So viel zur Rechtfertigung des oben (S. 665) behaupteten
beengenden Einfluſſes des Legisactionen-Syſtems. So weit letz-
teres reichte, war die Jurisprudenz und die Obrigkeit machtlos.
Sie vermochten weder eine geſetzlich zuſtändige Klage in ihrem
Lauf zu hindern, auch wenn das Reſultat im einzelnen Fall mit
der wirklichen Intention des Geſetzes und dem natürlichen Rechts-
gefühl in noch ſo grellen Widerſpruch gerieth, noch auch ſtand es
in ihrer Macht, umgekehrt in einem Fall, in dem das drin-
gendſte Bedürfniß und der gerechteſte Anſpruch auf Hülfe vor-
handen, eine Klage zu gewähren, die das lückenhafte Geſetz nicht
vorgeſehen hatte. Ich glaube daher nicht zu viel gethan zu ha-
ben, wenn ich den Eindruck, den der alte Proceß auf mich macht,
an anderer Stelle (S. 80) mit dem Bilde einer Maſchine wie-
dergegeben habe.
Ob das Drückende dieſes Zuſtandes vom römiſchen Leben
empfunden, und ob nicht die Oppoſition, die der alte Proceß
nach Gajus im Lauf der Zeit hervorrief, und der er ſchließlich
erlag, ſich eben ſo ſehr auf dieſen Uebelſtand erſtreckte, als auf
den von Gajus gerügten — das, meine ich, darf ich dem Urtheil
eines Jeden überlaſſen. Auch England kannte einſt ähnliche
Zuſtände — denſelben Rigorismus des Geſetzes, denſelben eiſer-
nen Legalismus — aber auch hier machte das Leben ſeine Rechte
geltend. Dieſelbe Erleichterung, die Rom im Formularpro-
ceß, ſuchte England in den Billigkeitsgerichtshöfen (courts of
equity), 907) nur haben letztere ſich allerdings nie zu der Höhe
des rechtsbildneriſchen Einfluſſes erhoben, der dem römiſchen
Prätor beſchieden war.
Eine Nachwirkung iſt meiner Anſicht nach der ſpätern Zeit
noch vom Legisactionen-Syſtem geblieben. Es iſt dies jene für
den ſpecifiſchen Charakter der römiſchen im Gegenſatz zu unſerer
907) S. die Note 874 citirten Werke von de Lolme, Kap. 11 und Gneiſt
§. 125, außerdem Rüttimann der engl. Civilproceß. Leipzig 1851 §. 8—10, 83.
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