Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.II. Die Aufgabe derselben. §. 38. Die Verjährung, insofern sie durch den Gesichtspunkt der Bei der Berechnung der Zeitfristen müßte man eigentlich von stimmung der Pubertät. Die Sabinianer vertheidigten in dieser Beziehung
die abstract richtige, aber praktisch unbrauchbare einer individuellen Bestim- mung der Reife, die Proculejaner die praktischere Ansicht des Eintritts der Pubertät mit einem bestimmten Alter (Gaj. I, 109), und letztere Ansicht ist von Justinian mit Recht gebilligt. II. Die Aufgabe derſelben. §. 38. Die Verjährung, inſofern ſie durch den Geſichtspunkt der Bei der Berechnung der Zeitfriſten müßte man eigentlich von ſtimmung der Pubertät. Die Sabinianer vertheidigten in dieſer Beziehung
die abſtract richtige, aber praktiſch unbrauchbare einer individuellen Beſtim- mung der Reife, die Proculejaner die praktiſchere Anſicht des Eintritts der Pubertät mit einem beſtimmten Alter (Gaj. I, 109), und letztere Anſicht iſt von Juſtinian mit Recht gebilligt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <pb facs="#f0055" n="349"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Die Aufgabe derſelben. §. 38.</fw><lb/> <p>Die Verjährung, inſofern ſie durch den Geſichtspunkt der<lb/> Nachläſſigkeit des Berechtigten gerechtfertigt werden ſoll, würde<lb/> nur da Platz greifen, wo und ſoweit eine ſolche Nachläſſigkeit<lb/> ſich im einzelnen Fall nachweiſen ließe. Sie würde alſo zu be-<lb/> ginnen haben nicht mit dem Moment des objectiven Ereigniſſes,<lb/> ſondern mit dem des ſubjectiven Wiſſens dieſes Umſtandes, und<lb/> ebenſo würde ſie nur ſo lange laufen, als ſubjectiv die Möglich-<lb/> keit einer Ausübung oder Geltendmachung des Rechts vorhan-<lb/> den war. Ein ſolcher Zuſchnitt der Verjährung, alſo in der<lb/> Sprache des römiſchen Rechts das <hi rendition="#aq">tempus utile,</hi> wäre abſtract<lb/> genommen das allein Richtige, und die entgegenſtehende Be-<lb/> handlungsweiſe, das <hi rendition="#aq">tempus continuum</hi> (S. 109) das Ver-<lb/> kehrte. Praktiſch aber ſteht die Sache gerade umgekehrt, und<lb/> darin hat es ſeinen Grund, daß das neueſte Recht die Idee des<lb/><hi rendition="#aq">tempus utile,</hi> obgleich ſie die neuere und freiere war, nicht wei-<lb/> ter ausgebildet, ſondern ſie im Gegentheil weſentlich beſchränkt<lb/> (<hi rendition="#aq">restitutio in integrum</hi>) und für faſt alle wichtigeren Verhält-<lb/> niſſe das <hi rendition="#aq">tempus continuum</hi> in verbeſſerter Geſtalt (d. h. mit<lb/> verlängerten Zeitfriſten) beibehalten oder eingeführt hat (Klag-<lb/> verjährung).</p><lb/> <p>Bei der Berechnung der Zeitfriſten müßte man eigentlich von<lb/> der Minute und Sekunde des Anfangspunktes bis zu der ent-<lb/> ſprechenden des Schlußtages zählen (<hi rendition="#aq">computatio naturalis</hi>), al-<lb/> lein eine ſolche Genauigkeit wäre namentlich bei größern Friſten<lb/> geradezu ſinnlos. Weniger genau iſt beſſer; das Recht rechnet<lb/> bloß nach Tagen, auf Minuten und Stunden kömmt es nicht<lb/> an (<hi rendition="#aq">computatio civilis</hi>).</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="484)">ſtimmung der Pubertät. Die Sabinianer vertheidigten in dieſer Beziehung<lb/> die abſtract richtige, aber praktiſch unbrauchbare einer individuellen Beſtim-<lb/> mung der Reife, die Proculejaner die praktiſchere Anſicht des Eintritts der<lb/> Pubertät mit einem beſtimmten Alter (<hi rendition="#aq">Gaj. I,</hi> 109), und letztere Anſicht iſt<lb/> von Juſtinian mit Recht gebilligt.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [349/0055]
II. Die Aufgabe derſelben. §. 38.
Die Verjährung, inſofern ſie durch den Geſichtspunkt der
Nachläſſigkeit des Berechtigten gerechtfertigt werden ſoll, würde
nur da Platz greifen, wo und ſoweit eine ſolche Nachläſſigkeit
ſich im einzelnen Fall nachweiſen ließe. Sie würde alſo zu be-
ginnen haben nicht mit dem Moment des objectiven Ereigniſſes,
ſondern mit dem des ſubjectiven Wiſſens dieſes Umſtandes, und
ebenſo würde ſie nur ſo lange laufen, als ſubjectiv die Möglich-
keit einer Ausübung oder Geltendmachung des Rechts vorhan-
den war. Ein ſolcher Zuſchnitt der Verjährung, alſo in der
Sprache des römiſchen Rechts das tempus utile, wäre abſtract
genommen das allein Richtige, und die entgegenſtehende Be-
handlungsweiſe, das tempus continuum (S. 109) das Ver-
kehrte. Praktiſch aber ſteht die Sache gerade umgekehrt, und
darin hat es ſeinen Grund, daß das neueſte Recht die Idee des
tempus utile, obgleich ſie die neuere und freiere war, nicht wei-
ter ausgebildet, ſondern ſie im Gegentheil weſentlich beſchränkt
(restitutio in integrum) und für faſt alle wichtigeren Verhält-
niſſe das tempus continuum in verbeſſerter Geſtalt (d. h. mit
verlängerten Zeitfriſten) beibehalten oder eingeführt hat (Klag-
verjährung).
Bei der Berechnung der Zeitfriſten müßte man eigentlich von
der Minute und Sekunde des Anfangspunktes bis zu der ent-
ſprechenden des Schlußtages zählen (computatio naturalis), al-
lein eine ſolche Genauigkeit wäre namentlich bei größern Friſten
geradezu ſinnlos. Weniger genau iſt beſſer; das Recht rechnet
bloß nach Tagen, auf Minuten und Stunden kömmt es nicht
an (computatio civilis).
484)
484) ſtimmung der Pubertät. Die Sabinianer vertheidigten in dieſer Beziehung
die abſtract richtige, aber praktiſch unbrauchbare einer individuellen Beſtim-
mung der Reife, die Proculejaner die praktiſchere Anſicht des Eintritts der
Pubertät mit einem beſtimmten Alter (Gaj. I, 109), und letztere Anſicht iſt
von Juſtinian mit Recht gebilligt.
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