Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Vindicationsprocesses Veranlassung gegeben haben? Daß es dieRücksicht auf die Vertheidigung des Beklagten gewesen, wird von vornherein vermuthet werden dürfen. Man verstatte mir zum Zweck der Beantwortung dieser Frage zunächst von dem einfache- ren Verhältniß der Vindication von Sachen abzusehen und einen complicirteren Anwendungsfall ins Auge zu fassen. Im römischen Leben konnten die Fälle nicht selten sein, daß 118) Für die Sklaverei bedarf es keiner Bemerkung; für das Mancipium
folgt es aus der Formel seiner Begründung (Gaj. I. 119: hunc ego hominem ex jure Quiritium meum esse ajo I. 123), wenn man sonst an die Correspon- denz zwischen den Formeln der Begründung und gerichtlichen Verfolgung des Rechts (B. 2 S. 647) glaubt; für die väterliche Gewalt Gaj. I. 134 vindicat filium suum esse L. 1 §. 2 de R. V. (6. 1). Für die Manus dagegen scheint das Gegentheil aus Gaj. I. 123 i. f. zu folgen; worauf die Behauptung des Gegentheils bei Andern z. B. von Scheurl Institutionen §. 157 sich stützt, vermag ich nicht zu bestimmen. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Vindicationsproceſſes Veranlaſſung gegeben haben? Daß es dieRückſicht auf die Vertheidigung des Beklagten geweſen, wird von vornherein vermuthet werden dürfen. Man verſtatte mir zum Zweck der Beantwortung dieſer Frage zunächſt von dem einfache- ren Verhältniß der Vindication von Sachen abzuſehen und einen complicirteren Anwendungsfall ins Auge zu faſſen. Im römiſchen Leben konnten die Fälle nicht ſelten ſein, daß 118) Für die Sklaverei bedarf es keiner Bemerkung; für das Mancipium
folgt es aus der Formel ſeiner Begründung (Gaj. I. 119: hunc ego hominem ex jure Quiritium meum esse ajo I. 123), wenn man ſonſt an die Correſpon- denz zwiſchen den Formeln der Begründung und gerichtlichen Verfolgung des Rechts (B. 2 S. 647) glaubt; für die väterliche Gewalt Gaj. I. 134 vindicat filium suum esse L. 1 §. 2 de R. V. (6. 1). Für die Manus dagegen ſcheint das Gegentheil aus Gaj. I. 123 i. f. zu folgen; worauf die Behauptung des Gegentheils bei Andern z. B. von Scheurl Inſtitutionen §. 157 ſich ſtützt, vermag ich nicht zu beſtimmen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <div n="10"> <div n="11"> <div n="12"> <p><pb facs="#f0108" n="92"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/> Vindicationsproceſſes Veranlaſſung gegeben haben? Daß es die<lb/> Rückſicht auf die <hi rendition="#g">Vertheidigung</hi> des Beklagten geweſen, wird<lb/> von vornherein vermuthet werden dürfen. Man verſtatte mir zum<lb/> Zweck der Beantwortung dieſer Frage zunächſt von dem einfache-<lb/> ren Verhältniß der Vindication von <hi rendition="#g">Sachen</hi> abzuſehen und<lb/> einen complicirteren Anwendungsfall ins Auge zu faſſen.</p><lb/> <p>Im römiſchen Leben konnten die Fälle nicht ſelten ſein, daß<lb/> die verſchiedenen hausherrlichen Gewalten mit einander in Con-<lb/> flict geriethen, z. B. an demſelben Individuum von der einen<lb/> Seite väterliche oder herrſchaftliche Gewalt, von der andern<lb/> Manus oder Mancipium in Anſpruch genommen ward. Da<lb/> nun wenn nicht alle, ſo doch die meiſten dieſer Gewaltverhältniſſe<lb/> durch eine Vindication geltend gemacht werden konnten, <note place="foot" n="118)">Für die Sklaverei bedarf es keiner Bemerkung; für das Mancipium<lb/> folgt es aus der Formel ſeiner Begründung (<hi rendition="#aq">Gaj. I. 119: hunc ego hominem<lb/> ex jure Quiritium <hi rendition="#g">meum</hi> esse ajo I.</hi> 123), wenn man ſonſt an die Correſpon-<lb/> denz zwiſchen den Formeln der Begründung und gerichtlichen Verfolgung des<lb/> Rechts (B. 2 S. 647) glaubt; für die väterliche Gewalt <hi rendition="#aq">Gaj. I. 134 vindicat<lb/> filium suum esse L. 1 §. 2 de R. V.</hi> (6. 1). Für die Manus dagegen ſcheint<lb/> das Gegentheil aus <hi rendition="#aq">Gaj. I. 123 i. f.</hi> zu folgen; worauf die Behauptung des<lb/> Gegentheils bei Andern z. B. von <hi rendition="#g">Scheurl</hi> Inſtitutionen §. 157 ſich ſtützt,<lb/> vermag ich nicht zu beſtimmen.</note> die<lb/> Vindication aber ein <hi rendition="#aq">judicium duplex</hi> war, ſo wird man zur<lb/> Annahme berechtigt ſein, daß nicht bloß dann, wenn beide Par-<lb/> theien ſich ein und daſſelbe, ſondern auch wenn ſie ſich ein ver-<lb/> ſchiedenes Gewaltverhältniß anmaßten, z. B. der Kläger, wie<lb/> im Proceß der Virginia, die <hi rendition="#g">Tochter</hi> eines Andern für ſeine<lb/><hi rendition="#g">Sklavin</hi> ausgab, die beiderſeitigen Anſprüche in einem und<lb/> demſelben Proceß zur Verhandlung gelangen konnten. Hätte<lb/> man hier den Grundſatz: ein Proceß eine Frage feſthalten wollen,<lb/> ſo hätte es zweier Proceſſe bedurft, um den Status dieſer Per-<lb/> ſon proceſſualiſch feſtzuſtellen, in dem erſten wäre bloß entſchie-<lb/> den, daß ſie nicht Sklavin des Einen, in dem zweiten, daß ſie<lb/> Tochter des Andern ſei, und zur Ermöglichung dieſes zweiten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0108]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Vindicationsproceſſes Veranlaſſung gegeben haben? Daß es die
Rückſicht auf die Vertheidigung des Beklagten geweſen, wird
von vornherein vermuthet werden dürfen. Man verſtatte mir zum
Zweck der Beantwortung dieſer Frage zunächſt von dem einfache-
ren Verhältniß der Vindication von Sachen abzuſehen und
einen complicirteren Anwendungsfall ins Auge zu faſſen.
Im römiſchen Leben konnten die Fälle nicht ſelten ſein, daß
die verſchiedenen hausherrlichen Gewalten mit einander in Con-
flict geriethen, z. B. an demſelben Individuum von der einen
Seite väterliche oder herrſchaftliche Gewalt, von der andern
Manus oder Mancipium in Anſpruch genommen ward. Da
nun wenn nicht alle, ſo doch die meiſten dieſer Gewaltverhältniſſe
durch eine Vindication geltend gemacht werden konnten, 118) die
Vindication aber ein judicium duplex war, ſo wird man zur
Annahme berechtigt ſein, daß nicht bloß dann, wenn beide Par-
theien ſich ein und daſſelbe, ſondern auch wenn ſie ſich ein ver-
ſchiedenes Gewaltverhältniß anmaßten, z. B. der Kläger, wie
im Proceß der Virginia, die Tochter eines Andern für ſeine
Sklavin ausgab, die beiderſeitigen Anſprüche in einem und
demſelben Proceß zur Verhandlung gelangen konnten. Hätte
man hier den Grundſatz: ein Proceß eine Frage feſthalten wollen,
ſo hätte es zweier Proceſſe bedurft, um den Status dieſer Per-
ſon proceſſualiſch feſtzuſtellen, in dem erſten wäre bloß entſchie-
den, daß ſie nicht Sklavin des Einen, in dem zweiten, daß ſie
Tochter des Andern ſei, und zur Ermöglichung dieſes zweiten
118) Für die Sklaverei bedarf es keiner Bemerkung; für das Mancipium
folgt es aus der Formel ſeiner Begründung (Gaj. I. 119: hunc ego hominem
ex jure Quiritium meum esse ajo I. 123), wenn man ſonſt an die Correſpon-
denz zwiſchen den Formeln der Begründung und gerichtlichen Verfolgung des
Rechts (B. 2 S. 647) glaubt; für die väterliche Gewalt Gaj. I. 134 vindicat
filium suum esse L. 1 §. 2 de R. V. (6. 1). Für die Manus dagegen ſcheint
das Gegentheil aus Gaj. I. 123 i. f. zu folgen; worauf die Behauptung des
Gegentheils bei Andern z. B. von Scheurl Inſtitutionen §. 157 ſich ſtützt,
vermag ich nicht zu beſtimmen.
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