Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Seite des Rechts mit einem Rückschritt in Bezug auf jeneäußere, praktische Seite desselben verbunden gewesen ist. Unser heutiges Recht steht in dieser Beziehung weit unter dem reinen römischen -- eine Behauptung, die ich hier ebenso wenig weiter ausführen darf, als ich nöthig haben werde, die ziemlich nahe liegenden Gründe anzudeuten, in denen diese Erscheinung ihre Erklärung findet. Die glückliche Lösung des obigen Problems hängt ab theils Ueberschlage ich im Geist die verschiedenen Hülfsmittel und Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Seite des Rechts mit einem Rückſchritt in Bezug auf jeneäußere, praktiſche Seite deſſelben verbunden geweſen iſt. Unſer heutiges Recht ſteht in dieſer Beziehung weit unter dem reinen römiſchen — eine Behauptung, die ich hier ebenſo wenig weiter ausführen darf, als ich nöthig haben werde, die ziemlich nahe liegenden Gründe anzudeuten, in denen dieſe Erſcheinung ihre Erklärung findet. Die glückliche Löſung des obigen Problems hängt ab theils Ueberſchlage ich im Geiſt die verſchiedenen Hülfsmittel und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0212" n="196"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/> Seite des Rechts mit einem Rückſchritt in Bezug auf jene<lb/> äußere, praktiſche Seite deſſelben verbunden geweſen iſt. Unſer<lb/> heutiges Recht ſteht in dieſer Beziehung weit unter dem reinen<lb/> römiſchen — eine Behauptung, die ich hier ebenſo wenig weiter<lb/> ausführen darf, als ich nöthig haben werde, die ziemlich nahe<lb/> liegenden Gründe anzudeuten, in denen dieſe Erſcheinung ihre<lb/> Erklärung findet.</p><lb/> <p>Die glückliche Löſung des obigen Problems hängt ab theils<lb/> von einem <hi rendition="#g">allgemeinen</hi> Moment: der zweckmäßigen Geſtal-<lb/> tung des Beweisverfahrens und der Beweislehre überhaupt, —<lb/> theils von einem <hi rendition="#g">beſondern</hi>, der Theorie der <hi rendition="#g">einzelnen</hi><lb/> Rechte angehörigen Moment: dem richtigen Zuſchnitt ihres<lb/> Thatbeſtandes (B. 2 S. 347—352). Je complicirter, umfäng-<lb/> licher der Thatbeſtand, je unbeſtimmter, vager die Erforderniſſe,<lb/> aus denen er zuſammengeſetzt iſt, um ſo umſtändlicher, ſchwie-<lb/> riger der Beweis. Jedes dieſer Erforderniſſe leiſtet dem Gegner<lb/> den Dienſt einer offenen Schanze, die er durch bloßes Läugnen<lb/> in Beſitz nehmen kann, und aus der der Angreifende ihn erſt<lb/> mit vieler Mühe vertreiben muß. Durch ungeſchickte Formuli-<lb/> rung des Thatbeſtandes kann daher die Verfolgung der Rechte<lb/> in bedenklichſter Weiſe erſchwert, durch geſchickte in höchſt wirk-<lb/> ſamer Weiſe erleichtert werden. Wer unſer Recht unter dieſem<lb/> Geſichtspunkt prüfen will, wird eine reiche Ausbeute finden,<lb/> reich genug, um eine höchſt intereſſante und lehrreiche Abhand-<lb/> lung über die Kunſt der zweckmäßigen Geſtaltung des Thatbe-<lb/> ſtandes zu ſchreiben. Daß ſie es bisher <hi rendition="#g">nicht</hi> iſt, gehört zur<lb/> Signatur unſerer modernen Rechtswiſſenſchaft.</p><lb/> <p>Ueberſchlage ich im Geiſt die verſchiedenen Hülfsmittel und<lb/> Kunſtgriffe, welche das römiſche Recht zum Zweck der Verein-<lb/> fachung des Thatbeſtandes in Anwendung gebracht hat, ſo ſind<lb/> vorzugsweiſe zwei unter ihnen von principieller Bedeutung: die<lb/><hi rendition="#g">Veräußerlichung</hi> des Thatbeſtandes, d. h. die Subſtitui-<lb/> rung äußerer Kriterien und Erforderniſſe an Stelle der innern<lb/> — davon iſt bereits B. 2 S. 348 fl. gehandelt — und die<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0212]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Seite des Rechts mit einem Rückſchritt in Bezug auf jene
äußere, praktiſche Seite deſſelben verbunden geweſen iſt. Unſer
heutiges Recht ſteht in dieſer Beziehung weit unter dem reinen
römiſchen — eine Behauptung, die ich hier ebenſo wenig weiter
ausführen darf, als ich nöthig haben werde, die ziemlich nahe
liegenden Gründe anzudeuten, in denen dieſe Erſcheinung ihre
Erklärung findet.
Die glückliche Löſung des obigen Problems hängt ab theils
von einem allgemeinen Moment: der zweckmäßigen Geſtal-
tung des Beweisverfahrens und der Beweislehre überhaupt, —
theils von einem beſondern, der Theorie der einzelnen
Rechte angehörigen Moment: dem richtigen Zuſchnitt ihres
Thatbeſtandes (B. 2 S. 347—352). Je complicirter, umfäng-
licher der Thatbeſtand, je unbeſtimmter, vager die Erforderniſſe,
aus denen er zuſammengeſetzt iſt, um ſo umſtändlicher, ſchwie-
riger der Beweis. Jedes dieſer Erforderniſſe leiſtet dem Gegner
den Dienſt einer offenen Schanze, die er durch bloßes Läugnen
in Beſitz nehmen kann, und aus der der Angreifende ihn erſt
mit vieler Mühe vertreiben muß. Durch ungeſchickte Formuli-
rung des Thatbeſtandes kann daher die Verfolgung der Rechte
in bedenklichſter Weiſe erſchwert, durch geſchickte in höchſt wirk-
ſamer Weiſe erleichtert werden. Wer unſer Recht unter dieſem
Geſichtspunkt prüfen will, wird eine reiche Ausbeute finden,
reich genug, um eine höchſt intereſſante und lehrreiche Abhand-
lung über die Kunſt der zweckmäßigen Geſtaltung des Thatbe-
ſtandes zu ſchreiben. Daß ſie es bisher nicht iſt, gehört zur
Signatur unſerer modernen Rechtswiſſenſchaft.
Ueberſchlage ich im Geiſt die verſchiedenen Hülfsmittel und
Kunſtgriffe, welche das römiſche Recht zum Zweck der Verein-
fachung des Thatbeſtandes in Anwendung gebracht hat, ſo ſind
vorzugsweiſe zwei unter ihnen von principieller Bedeutung: die
Veräußerlichung des Thatbeſtandes, d. h. die Subſtitui-
rung äußerer Kriterien und Erforderniſſe an Stelle der innern
— davon iſt bereits B. 2 S. 348 fl. gehandelt — und die
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