Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Bestreitung der Bedürfnisse auf einfachem Wege. §. 56. Für letztere dagegen sind diese Nothbehelfe eine durch ihre Dies Bestreben, die neuen Gedanken oder sagen wir besser: Nicht immer aber bedurfte es für den angegebenen Zweck so Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56. Für letztere dagegen ſind dieſe Nothbehelfe eine durch ihre Dies Beſtreben, die neuen Gedanken oder ſagen wir beſſer: Nicht immer aber bedurfte es für den angegebenen Zweck ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <pb facs="#f0247" n="231"/> <fw place="top" type="header">Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56.</fw><lb/> <p>Für letztere dagegen ſind dieſe Nothbehelfe eine durch ihre<lb/> Entwicklungsſtufe gegebene Nothwendigkeit, und ſie wiederholen<lb/> ſich darum auch überall, in beſonders ausgeprägter Geſtalt im<lb/> engliſchen Recht. Für ſie iſt die Kunſt ſich mit wenigem zu be-<lb/> helfen eine Lebensfrage; unter der Maſſe des Materials würde<lb/> ſie zu Grunde gehen. Die Herrſchaft über den Stoff kann ſie<lb/> ſich nur dadurch ſichern, daß ſie die Ordnung, in die ſie ihn<lb/> einmal gebracht hat, ängſtlich hütet, an den Grundlagen und For-<lb/> men, auf denen dieſe Ordnung beruht, nicht leichtſinnig rüttelt.<lb/> Ein neuer Gedanke, der Aufnahme begehrt, iſt ihr daher nicht,<lb/> wie uns, ein willkommner Gaſt, ſie erblickt in ihm nicht mit<lb/> uns eine werthvolle Erweiterung des Wiſſens, ſondern einen<lb/> unbequemen Eindringling, der den Beſtand der bisherigen Ord-<lb/> nung in Frage ſtellt. Gezwungen ihn zuzulaſſen, thut ſie dies<lb/> in einer Weiſe, die dieſen Beſtand möglichſt wenig alterirt, ſie<lb/> bereitet für ihn, wenn ich ſo ſagen darf, kein beſonderes Bett,<lb/> wo er ſich frei ſtrecken und rühren kann, ſondern ſie bringt ihn<lb/> unter, wo es eben am beſten geht.</p><lb/> <p>Dies Beſtreben, die neuen Gedanken oder ſagen wir beſſer:<lb/> die neuen Zwecke und Bedürfniſſe, die der Fortſchritt der Bil-<lb/> dung und die Entwicklung des Verkehrs mit ſich bringen, mög-<lb/> lichſt mit den gegebenen Mitteln zu beſtreiten, führte noth-<lb/> wendigerweiſe in manchen Fällen zu einer höchſt gewaltſamen<lb/> Spannung, um nicht zu ſagen: Verrenkung des vorhandenen<lb/> Rechts. Das ſchlagendſte Beiſpiel dafür liefert das <hi rendition="#aq">testamentum<lb/> per aes et libram,</hi> bei dem die <hi rendition="#aq">mancipatio</hi> in ihrer urſprüng-<lb/> lichen Geſtalt faſt bis zur Unkenntlichkeit entſtellt iſt. Es gibt<lb/> kaum größere Gegenſätze im ganzen Recht, als den Begriff des<lb/> Kaufs und der Eigenthumsübertragung auf der einen und den<lb/> des Teſtaments und der Univerſalſucceſſion auf der andern Seite.</p><lb/> <p>Nicht immer aber bedurfte es für den angegebenen Zweck ſo<lb/> künſtlicher Mittel, nicht ſelten reichten auch ganz einfache aus.<lb/> Der römiſche Scharfſinn war in Entdeckung derſelben ungemein<lb/> erfinderiſch und hat in dieſer Richtung Probeſtücke zu Tage ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [231/0247]
Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56.
Für letztere dagegen ſind dieſe Nothbehelfe eine durch ihre
Entwicklungsſtufe gegebene Nothwendigkeit, und ſie wiederholen
ſich darum auch überall, in beſonders ausgeprägter Geſtalt im
engliſchen Recht. Für ſie iſt die Kunſt ſich mit wenigem zu be-
helfen eine Lebensfrage; unter der Maſſe des Materials würde
ſie zu Grunde gehen. Die Herrſchaft über den Stoff kann ſie
ſich nur dadurch ſichern, daß ſie die Ordnung, in die ſie ihn
einmal gebracht hat, ängſtlich hütet, an den Grundlagen und For-
men, auf denen dieſe Ordnung beruht, nicht leichtſinnig rüttelt.
Ein neuer Gedanke, der Aufnahme begehrt, iſt ihr daher nicht,
wie uns, ein willkommner Gaſt, ſie erblickt in ihm nicht mit
uns eine werthvolle Erweiterung des Wiſſens, ſondern einen
unbequemen Eindringling, der den Beſtand der bisherigen Ord-
nung in Frage ſtellt. Gezwungen ihn zuzulaſſen, thut ſie dies
in einer Weiſe, die dieſen Beſtand möglichſt wenig alterirt, ſie
bereitet für ihn, wenn ich ſo ſagen darf, kein beſonderes Bett,
wo er ſich frei ſtrecken und rühren kann, ſondern ſie bringt ihn
unter, wo es eben am beſten geht.
Dies Beſtreben, die neuen Gedanken oder ſagen wir beſſer:
die neuen Zwecke und Bedürfniſſe, die der Fortſchritt der Bil-
dung und die Entwicklung des Verkehrs mit ſich bringen, mög-
lichſt mit den gegebenen Mitteln zu beſtreiten, führte noth-
wendigerweiſe in manchen Fällen zu einer höchſt gewaltſamen
Spannung, um nicht zu ſagen: Verrenkung des vorhandenen
Rechts. Das ſchlagendſte Beiſpiel dafür liefert das testamentum
per aes et libram, bei dem die mancipatio in ihrer urſprüng-
lichen Geſtalt faſt bis zur Unkenntlichkeit entſtellt iſt. Es gibt
kaum größere Gegenſätze im ganzen Recht, als den Begriff des
Kaufs und der Eigenthumsübertragung auf der einen und den
des Teſtaments und der Univerſalſucceſſion auf der andern Seite.
Nicht immer aber bedurfte es für den angegebenen Zweck ſo
künſtlicher Mittel, nicht ſelten reichten auch ganz einfache aus.
Der römiſche Scharfſinn war in Entdeckung derſelben ungemein
erfinderiſch und hat in dieſer Richtung Probeſtücke zu Tage ge-
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