Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.
Bestreitung der Bedürfnisse auf einfachem Wege. §. 56. nicht möglich war, in Form des legatum partitionis, bei demihm, wie wir nicht anders wissen, die Anordnung des Theil- verhältnisses völlig frei stand, 316) also auch eine solche, wobei der eingesetzte Erbe gerade nur so viel erhielt, als ihm für seine Mühwaltung zugedacht war. Seitdem die Legate rück- sichtlich ihres Betrages einer gesetzlichen Beschränkung unter- worfen waren, mußte man sich anderer Mittel bedienen, nämlich entweder der Einsetzung des Erben unter einer Bedingung (Titius, si Maevio centum millia dederit oder promiserit oder juraverit se ei daturum, heres esto) oder des Universalfidei- commisses (deducta re oder summa), letzteres freilich, bevor es klagbar geworden war, ein trügerisches, ganz von der Treue und Zuverlässigkeit des Erben abhängiges Mittel. Es begreift sich jetzt, was die Römer zu dem scheinbaren Widerspruch veranlassen konnte, dem Eingesetzten mit der einen Hand die Erbschaft zu geben, mit der andern sie ihm zu entziehen. Die Absicht war gar nicht darauf gerichtet, ihm die Erbschaft, sondern ledig- lich die Stellung eines Rechtsträgers 317) einzuräumen. Sollten diese Mittel bei Kindern in der Gewalt angewandt werden, was namentlich im Fall ihrer Unmündigkeit ganz an- gemessen sein konnte, so bedurfte es zu diesem Zweck erst noch einer Exheredation derselben, -- eine Anwendung der Exheredation, die den Unkundigen leicht irre führen kann. Allein so wenig wie die obige Erbeseinsetzung den Zweck der effectiven Zu- wendung des Nachlasses, so wenig hatte diese Enterbung den der effectiven Entziehung desselben, sie war weit entfernt ein Akt der Lieblosigkeit zu sein, umgekehrt eine durch die umsichtigste, wohlwollendste Fürsorge dictirte Maßregel. 318) 316) Ulp. XXIV. 25 .. dimidia pars .. Potest autem et alia pars velut tertia vel quarta legari. Daß Ulpian keine Theile über die Hälfte nennt, ist wohl nur Zufall. 317) S. oben S. 211 u. unten in der Theorie der Rechte. 318) L. 18 de lib. exh. (28. 2) .. ut eis consulant ut puta impuberibus.
Daß die sacra gleichwohl auf die Kinder übergingen, dafür hatten die Ponti- fices gesorgt. Cic. de leg. II 20, 21. Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56. nicht möglich war, in Form des legatum partitionis, bei demihm, wie wir nicht anders wiſſen, die Anordnung des Theil- verhältniſſes völlig frei ſtand, 316) alſo auch eine ſolche, wobei der eingeſetzte Erbe gerade nur ſo viel erhielt, als ihm für ſeine Mühwaltung zugedacht war. Seitdem die Legate rück- ſichtlich ihres Betrages einer geſetzlichen Beſchränkung unter- worfen waren, mußte man ſich anderer Mittel bedienen, nämlich entweder der Einſetzung des Erben unter einer Bedingung (Titius, si Maevio centum millia dederit oder promiserit oder juraverit se ei daturum, heres esto) oder des Univerſalfidei- commiſſes (deducta re oder summa), letzteres freilich, bevor es klagbar geworden war, ein trügeriſches, ganz von der Treue und Zuverläſſigkeit des Erben abhängiges Mittel. Es begreift ſich jetzt, was die Römer zu dem ſcheinbaren Widerſpruch veranlaſſen konnte, dem Eingeſetzten mit der einen Hand die Erbſchaft zu geben, mit der andern ſie ihm zu entziehen. Die Abſicht war gar nicht darauf gerichtet, ihm die Erbſchaft, ſondern ledig- lich die Stellung eines Rechtsträgers 317) einzuräumen. Sollten dieſe Mittel bei Kindern in der Gewalt angewandt werden, was namentlich im Fall ihrer Unmündigkeit ganz an- gemeſſen ſein konnte, ſo bedurfte es zu dieſem Zweck erſt noch einer Exheredation derſelben, — eine Anwendung der Exheredation, die den Unkundigen leicht irre führen kann. Allein ſo wenig wie die obige Erbeseinſetzung den Zweck der effectiven Zu- wendung des Nachlaſſes, ſo wenig hatte dieſe Enterbung den der effectiven Entziehung deſſelben, ſie war weit entfernt ein Akt der Liebloſigkeit zu ſein, umgekehrt eine durch die umſichtigſte, wohlwollendſte Fürſorge dictirte Maßregel. 318) 316) Ulp. XXIV. 25 .. dimidia pars .. Potest autem et alia pars velut tertia vel quarta legari. Daß Ulpian keine Theile über die Hälfte nennt, iſt wohl nur Zufall. 317) S. oben S. 211 u. unten in der Theorie der Rechte. 318) L. 18 de lib. exh. (28. 2) .. ut eis consulant ut puta impuberibus.
Daß die sacra gleichwohl auf die Kinder übergingen, dafür hatten die Ponti- fices geſorgt. Cic. de leg. II 20, 21. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0251" n="235"/><fw place="top" type="header">Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56.</fw><lb/> nicht möglich war, in Form des <hi rendition="#aq">legatum partitionis,</hi> bei dem<lb/> ihm, wie wir nicht anders wiſſen, die Anordnung des Theil-<lb/> verhältniſſes völlig frei ſtand, <note place="foot" n="316)"><hi rendition="#aq">Ulp. XXIV. 25 .. dimidia pars .. Potest autem et alia pars<lb/> velut tertia vel quarta legari</hi>. Daß Ulpian keine Theile <hi rendition="#g">über</hi> die Hälfte<lb/> nennt, iſt wohl nur Zufall.</note> alſo auch eine ſolche,<lb/> wobei der eingeſetzte Erbe gerade nur ſo viel erhielt, als ihm<lb/> für ſeine Mühwaltung zugedacht war. Seitdem die Legate rück-<lb/> ſichtlich ihres Betrages einer geſetzlichen Beſchränkung unter-<lb/> worfen waren, mußte man ſich anderer Mittel bedienen, nämlich<lb/> entweder der Einſetzung des Erben unter einer Bedingung<lb/> (<hi rendition="#aq">Titius, si Maevio centum millia dederit</hi> oder <hi rendition="#aq">promiserit</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq">juraverit se ei daturum, heres esto</hi>) oder des Univerſalfidei-<lb/> commiſſes (<hi rendition="#aq">deducta re</hi> oder <hi rendition="#aq">summa</hi>), letzteres freilich, bevor es<lb/> klagbar geworden war, ein trügeriſches, ganz von der Treue und<lb/> Zuverläſſigkeit des Erben abhängiges Mittel. Es begreift ſich<lb/> jetzt, was die Römer zu dem ſcheinbaren Widerſpruch veranlaſſen<lb/> konnte, dem Eingeſetzten mit der einen Hand die Erbſchaft zu<lb/> geben, mit der andern ſie ihm zu entziehen. Die Abſicht war<lb/> gar nicht darauf gerichtet, ihm die <hi rendition="#g">Erbſchaft</hi>, ſondern ledig-<lb/> lich die Stellung eines <hi rendition="#g">Rechtsträgers</hi> <note place="foot" n="317)">S. oben S. 211 u. unten in der Theorie der Rechte.</note> einzuräumen.<lb/> Sollten dieſe Mittel bei Kindern in der Gewalt angewandt<lb/> werden, was namentlich im Fall ihrer Unmündigkeit ganz an-<lb/> gemeſſen ſein konnte, ſo bedurfte es zu dieſem Zweck erſt noch einer<lb/> Exheredation derſelben, — eine Anwendung der Exheredation,<lb/> die den Unkundigen leicht irre führen kann. Allein ſo wenig<lb/> wie die obige Erbeseinſetzung den Zweck der effectiven <hi rendition="#g">Zu-<lb/> wendung</hi> des Nachlaſſes, ſo wenig hatte dieſe Enterbung den<lb/> der effectiven <hi rendition="#g">Entziehung</hi> deſſelben, ſie war weit entfernt ein<lb/> Akt der Liebloſigkeit zu ſein, umgekehrt eine durch die umſichtigſte,<lb/> wohlwollendſte Fürſorge dictirte Maßregel. <note place="foot" n="318)"><hi rendition="#aq">L. 18 de lib. exh. (28. 2) .. ut eis consulant ut puta impuberibus</hi>.<lb/> Daß die <hi rendition="#aq">sacra</hi> gleichwohl auf die Kinder übergingen, dafür hatten die Ponti-<lb/> fices geſorgt. <hi rendition="#aq">Cic. de leg. II</hi> 20, 21.</note></p> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0251]
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ihm, wie wir nicht anders wiſſen, die Anordnung des Theil-
verhältniſſes völlig frei ſtand, 316) alſo auch eine ſolche,
wobei der eingeſetzte Erbe gerade nur ſo viel erhielt, als ihm
für ſeine Mühwaltung zugedacht war. Seitdem die Legate rück-
ſichtlich ihres Betrages einer geſetzlichen Beſchränkung unter-
worfen waren, mußte man ſich anderer Mittel bedienen, nämlich
entweder der Einſetzung des Erben unter einer Bedingung
(Titius, si Maevio centum millia dederit oder promiserit oder
juraverit se ei daturum, heres esto) oder des Univerſalfidei-
commiſſes (deducta re oder summa), letzteres freilich, bevor es
klagbar geworden war, ein trügeriſches, ganz von der Treue und
Zuverläſſigkeit des Erben abhängiges Mittel. Es begreift ſich
jetzt, was die Römer zu dem ſcheinbaren Widerſpruch veranlaſſen
konnte, dem Eingeſetzten mit der einen Hand die Erbſchaft zu
geben, mit der andern ſie ihm zu entziehen. Die Abſicht war
gar nicht darauf gerichtet, ihm die Erbſchaft, ſondern ledig-
lich die Stellung eines Rechtsträgers 317) einzuräumen.
Sollten dieſe Mittel bei Kindern in der Gewalt angewandt
werden, was namentlich im Fall ihrer Unmündigkeit ganz an-
gemeſſen ſein konnte, ſo bedurfte es zu dieſem Zweck erſt noch einer
Exheredation derſelben, — eine Anwendung der Exheredation,
die den Unkundigen leicht irre führen kann. Allein ſo wenig
wie die obige Erbeseinſetzung den Zweck der effectiven Zu-
wendung des Nachlaſſes, ſo wenig hatte dieſe Enterbung den
der effectiven Entziehung deſſelben, ſie war weit entfernt ein
Akt der Liebloſigkeit zu ſein, umgekehrt eine durch die umſichtigſte,
wohlwollendſte Fürſorge dictirte Maßregel. 318)
316) Ulp. XXIV. 25 .. dimidia pars .. Potest autem et alia pars
velut tertia vel quarta legari. Daß Ulpian keine Theile über die Hälfte
nennt, iſt wohl nur Zufall.
317) S. oben S. 211 u. unten in der Theorie der Rechte.
318) L. 18 de lib. exh. (28. 2) .. ut eis consulant ut puta impuberibus.
Daß die sacra gleichwohl auf die Kinder übergingen, dafür hatten die Ponti-
fices geſorgt. Cic. de leg. II 20, 21.
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| Zitationshilfe: | Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/251>, abgerufen am 21.11.2024. |
