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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie.
zu mancipiren, zu tradiren, bleiben wir die Antwort schuldig
oder geben eine solche, die unmöglich befriedigen kann, wie z. B.
daß sie sich die Weitläuftigkeit der Mancipation hätten ersparen
wollen -- als wenn fünf Zeugen und eine Wagschaale in Rom
schwer zu haben gewesen wären! -- oder daß die Mancipation
nur unter Gegenwärtigen hätte beschafft werden können -- als
ob dem Sklaven oder Stellvertreter des Abwesenden nicht eben
so gut hätte mancipirt, als tradirt werden können. Nein! Die
Tradition hatte hier einen ganz verständigen, praktischen
Grund, so war sie z. B., um nur eins anzuführen, für die res
mancipi
die einzige Form unseres heutigen s. g. pactum reservati
dominii
und pactum displicentiae. Ein anderes Beispiel bietet
die Verbindung des Vorkaufsrechts und des Anspruchs auf
Alienationsgebühr336) (s. g. quinquagesima) bei der Emphy-
teusis -- in meinen Augen eins der feinsten Probestücke römischer
Cautelarjurisprudenz aus der spätern Zeit! Ich weiß nicht, ob
bereits ein Anderer den Sinn und Zweck dieser Verbindung an-
gegeben hat, in den gangbaren Darstellungen ist dies wenigstens
nicht der Fall. Und doch ist er so wenig schwer zu finden. Beide
Rechte stützen und sichern sich gegenseitig. Bestände das eine
ohne das andere, so würde der Emphyteuta es in seiner Hand
haben, den Herrn zu betrügen, beim Vorkaufsrecht nämlich, in-
dem er den ihm gebotenen Kaufpreis fälschlich so hoch angäbe,
daß der Herr von der Ausübung desselben abgeschreckt würde,
bei der Alienationsgebühr, indem er, um sie zu verringern, um-
gekehrt den erhaltenen Kaufpreis beträchtlich geringer angäbe.
Die Verbindung beider Rechte aber bewirkt, daß er sich nicht
nach der einen Seite von der Wahrheit entfernen kann, ohne sich
nach der andern hin zu gefährden. Gibt er das ihm gemachte
Gebot zu niedrig an, so fängt er sich im Vorkaufsrecht, gibt er

336) Dieselbe war bereits vor Justinian üblich, L. 3 Cod. de jure emph.
(4. 66) quod usque ad praesens tempus praestari cognovimus,
Justinian
hat nur ihren Betrag auf 1/50 fixirt.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
zu mancipiren, zu tradiren, bleiben wir die Antwort ſchuldig
oder geben eine ſolche, die unmöglich befriedigen kann, wie z. B.
daß ſie ſich die Weitläuftigkeit der Mancipation hätten erſparen
wollen — als wenn fünf Zeugen und eine Wagſchaale in Rom
ſchwer zu haben geweſen wären! — oder daß die Mancipation
nur unter Gegenwärtigen hätte beſchafft werden können — als
ob dem Sklaven oder Stellvertreter des Abweſenden nicht eben
ſo gut hätte mancipirt, als tradirt werden können. Nein! Die
Tradition hatte hier einen ganz verſtändigen, praktiſchen
Grund, ſo war ſie z. B., um nur eins anzuführen, für die res
mancipi
die einzige Form unſeres heutigen ſ. g. pactum reservati
dominii
und pactum displicentiae. Ein anderes Beiſpiel bietet
die Verbindung des Vorkaufsrechts und des Anſpruchs auf
Alienationsgebühr336) (ſ. g. quinquagesima) bei der Emphy-
teuſis — in meinen Augen eins der feinſten Probeſtücke römiſcher
Cautelarjurisprudenz aus der ſpätern Zeit! Ich weiß nicht, ob
bereits ein Anderer den Sinn und Zweck dieſer Verbindung an-
gegeben hat, in den gangbaren Darſtellungen iſt dies wenigſtens
nicht der Fall. Und doch iſt er ſo wenig ſchwer zu finden. Beide
Rechte ſtützen und ſichern ſich gegenſeitig. Beſtände das eine
ohne das andere, ſo würde der Emphyteuta es in ſeiner Hand
haben, den Herrn zu betrügen, beim Vorkaufsrecht nämlich, in-
dem er den ihm gebotenen Kaufpreis fälſchlich ſo hoch angäbe,
daß der Herr von der Ausübung deſſelben abgeſchreckt würde,
bei der Alienationsgebühr, indem er, um ſie zu verringern, um-
gekehrt den erhaltenen Kaufpreis beträchtlich geringer angäbe.
Die Verbindung beider Rechte aber bewirkt, daß er ſich nicht
nach der einen Seite von der Wahrheit entfernen kann, ohne ſich
nach der andern hin zu gefährden. Gibt er das ihm gemachte
Gebot zu niedrig an, ſo fängt er ſich im Vorkaufsrecht, gibt er

336) Dieſelbe war bereits vor Juſtinian üblich, L. 3 Cod. de jure emph.
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hat nur ihren Betrag auf 1/50 fixirt.
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[246/0262] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. zu mancipiren, zu tradiren, bleiben wir die Antwort ſchuldig oder geben eine ſolche, die unmöglich befriedigen kann, wie z. B. daß ſie ſich die Weitläuftigkeit der Mancipation hätten erſparen wollen — als wenn fünf Zeugen und eine Wagſchaale in Rom ſchwer zu haben geweſen wären! — oder daß die Mancipation nur unter Gegenwärtigen hätte beſchafft werden können — als ob dem Sklaven oder Stellvertreter des Abweſenden nicht eben ſo gut hätte mancipirt, als tradirt werden können. Nein! Die Tradition hatte hier einen ganz verſtändigen, praktiſchen Grund, ſo war ſie z. B., um nur eins anzuführen, für die res mancipi die einzige Form unſeres heutigen ſ. g. pactum reservati dominii und pactum displicentiae. Ein anderes Beiſpiel bietet die Verbindung des Vorkaufsrechts und des Anſpruchs auf Alienationsgebühr 336) (ſ. g. quinquagesima) bei der Emphy- teuſis — in meinen Augen eins der feinſten Probeſtücke römiſcher Cautelarjurisprudenz aus der ſpätern Zeit! Ich weiß nicht, ob bereits ein Anderer den Sinn und Zweck dieſer Verbindung an- gegeben hat, in den gangbaren Darſtellungen iſt dies wenigſtens nicht der Fall. Und doch iſt er ſo wenig ſchwer zu finden. Beide Rechte ſtützen und ſichern ſich gegenſeitig. Beſtände das eine ohne das andere, ſo würde der Emphyteuta es in ſeiner Hand haben, den Herrn zu betrügen, beim Vorkaufsrecht nämlich, in- dem er den ihm gebotenen Kaufpreis fälſchlich ſo hoch angäbe, daß der Herr von der Ausübung deſſelben abgeſchreckt würde, bei der Alienationsgebühr, indem er, um ſie zu verringern, um- gekehrt den erhaltenen Kaufpreis beträchtlich geringer angäbe. Die Verbindung beider Rechte aber bewirkt, daß er ſich nicht nach der einen Seite von der Wahrheit entfernen kann, ohne ſich nach der andern hin zu gefährden. Gibt er das ihm gemachte Gebot zu niedrig an, ſo fängt er ſich im Vorkaufsrecht, gibt er 336) Dieſelbe war bereits vor Juſtinian üblich, L. 3 Cod. de jure emph. (4. 66) quod usque ad praesens tempus praestari cognovimus, Juſtinian hat nur ihren Betrag auf 1/50 fixirt.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/262>, abgerufen am 21.11.2024.