Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. Antwort, die im Grunde nur eine Beschreibung, die An-gabe der äußern Erscheinung des Rechts enthält, können wir uns aber für unsere Zwecke nicht begnügen. Die Antwort, die uns Noth thut, muß das Innere des Rechts: sein Wesen treffen, wenn sie uns sonst als Ausgangs- und Anhaltspunkt für die folgenden Untersuchungen dienen soll. Eine derartige Antwort müßte uns die Rechtsphilosophie nitionen wechselt man einen Silberthaler gegen einen Papierthaler, man ist ebensoweit wie vorher. Was ist Recht? "Befugniß zu handeln u. s. w." Was ist Befugniß? "Recht zu handeln" -- da gibt man den Papierthaler wieder zurück. Wer wechseln will, muß mir den Werth in einer andern Münzsorte darstellen, wer definiren will, den Begriff in andern Begriffen. 436) Einleitung zu den Metaphys. Anfangsgründen der Rechtslehre:
"Recht und Befugniß zu zwingen bedeuten also einerlei." Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. Antwort, die im Grunde nur eine Beſchreibung, die An-gabe der äußern Erſcheinung des Rechts enthält, können wir uns aber für unſere Zwecke nicht begnügen. Die Antwort, die uns Noth thut, muß das Innere des Rechts: ſein Weſen treffen, wenn ſie uns ſonſt als Ausgangs- und Anhaltspunkt für die folgenden Unterſuchungen dienen ſoll. Eine derartige Antwort müßte uns die Rechtsphiloſophie nitionen wechſelt man einen Silberthaler gegen einen Papierthaler, man iſt ebenſoweit wie vorher. Was iſt Recht? „Befugniß zu handeln u. ſ. w.“ Was iſt Befugniß? „Recht zu handeln“ — da gibt man den Papierthaler wieder zurück. Wer wechſeln will, muß mir den Werth in einer andern Münzſorte darſtellen, wer definiren will, den Begriff in andern Begriffen. 436) Einleitung zu den Metaphyſ. Anfangsgründen der Rechtslehre:
„Recht und Befugniß zu zwingen bedeuten alſo einerlei.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0324" n="308"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.</fw><lb/> Antwort, die im Grunde nur eine <hi rendition="#g">Beſchreibung</hi>, die An-<lb/> gabe der <hi rendition="#g">äußern</hi> Erſcheinung des Rechts enthält, können wir<lb/> uns aber für unſere Zwecke nicht begnügen. Die Antwort, die<lb/> uns Noth thut, muß das Innere des Rechts: ſein <hi rendition="#g">Weſen</hi><lb/> treffen, wenn ſie uns ſonſt als Ausgangs- und Anhaltspunkt<lb/> für die folgenden Unterſuchungen dienen ſoll.</p><lb/> <p>Eine derartige Antwort müßte uns die Rechtsphiloſophie<lb/> geben. Während <hi rendition="#g">Kant</hi> und ſeine Schule über die äußere Er-<lb/> ſcheinungsform des Rechts: den <hi rendition="#g">Zwang</hi> nicht hinausgekommen<lb/> iſt,<note place="foot" n="436)">Einleitung zu den Metaphyſ. Anfangsgründen der Rechtslehre:<lb/> „Recht und Befugniß zu zwingen bedeuten alſo einerlei.“</note> hat <hi rendition="#g">Hegel</hi> — und ſein Einfluß iſt für die neuere poſi-<lb/> tive Jurisprudenz bewußt oder unbewußt ein ganz entſcheiden-<lb/> der geworden — die Subſtanz des Rechts ſowohl im objectiven<lb/> als ſubjectiven Sinn in den Willen geſetzt. Damit iſt für daſ-<lb/> ſelbe nach beiden Seiten ein unläugbarer Fortſchritt begründet,<lb/> aber in der Einſeitigkeit ſeiner Verfolgung hat das Willensmo-<lb/> ment dennoch vom rechten Wege abgelenkt und nicht minder,<lb/> wie der Begriff des Zwanges, mit einem reinen Formalismus<lb/> des Rechtsbegriffs geendet. Die Bezeichnung des Rechts im<lb/> objectiven Sinn als des „allgemeinen Willens“ gibt in formaler<lb/> Beziehung das Weſen deſſelben in einer Weiſe wieder, wie ſie<lb/> nicht kürzer und treffender gedacht werden kann. Denn das<lb/> Weſen des Rechts, was immerhin auch ſeine Aufgabe, ſein Ziel,<lb/> ſein Inhalt ſein möge, beſteht in der <hi rendition="#g">Verwirklichung</hi>, die<lb/> Vorausſetzung dazu aber iſt die Macht, das Organ und der Trä-<lb/> ger der Macht aber der Wille. Erſt durch ihn werden die Rechts-<lb/><hi rendition="#g">gedanken</hi> — die des Geſetzgebers im Geſetz, die des Volks<lb/> im Gewohnheitsrecht — zu <hi rendition="#g">Rechtsſätzen</hi>, zu wirklichem,<lb/><note xml:id="seg2pn_26_2" prev="#seg2pn_26_1" place="foot" n="435)">nitionen wechſelt man einen Silberthaler gegen einen Papierthaler, man iſt<lb/> ebenſoweit wie vorher. Was iſt Recht? „<hi rendition="#g">Befugniß</hi> zu handeln u. ſ. w.“<lb/> Was iſt Befugniß? „<hi rendition="#g">Recht</hi> zu handeln“ — da gibt man den Papierthaler<lb/> wieder zurück. Wer wechſeln will, muß mir den Werth in einer andern<lb/> Münzſorte darſtellen, wer definiren will, den Begriff in andern Begriffen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [308/0324]
Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.
Antwort, die im Grunde nur eine Beſchreibung, die An-
gabe der äußern Erſcheinung des Rechts enthält, können wir
uns aber für unſere Zwecke nicht begnügen. Die Antwort, die
uns Noth thut, muß das Innere des Rechts: ſein Weſen
treffen, wenn ſie uns ſonſt als Ausgangs- und Anhaltspunkt
für die folgenden Unterſuchungen dienen ſoll.
Eine derartige Antwort müßte uns die Rechtsphiloſophie
geben. Während Kant und ſeine Schule über die äußere Er-
ſcheinungsform des Rechts: den Zwang nicht hinausgekommen
iſt, 436) hat Hegel — und ſein Einfluß iſt für die neuere poſi-
tive Jurisprudenz bewußt oder unbewußt ein ganz entſcheiden-
der geworden — die Subſtanz des Rechts ſowohl im objectiven
als ſubjectiven Sinn in den Willen geſetzt. Damit iſt für daſ-
ſelbe nach beiden Seiten ein unläugbarer Fortſchritt begründet,
aber in der Einſeitigkeit ſeiner Verfolgung hat das Willensmo-
ment dennoch vom rechten Wege abgelenkt und nicht minder,
wie der Begriff des Zwanges, mit einem reinen Formalismus
des Rechtsbegriffs geendet. Die Bezeichnung des Rechts im
objectiven Sinn als des „allgemeinen Willens“ gibt in formaler
Beziehung das Weſen deſſelben in einer Weiſe wieder, wie ſie
nicht kürzer und treffender gedacht werden kann. Denn das
Weſen des Rechts, was immerhin auch ſeine Aufgabe, ſein Ziel,
ſein Inhalt ſein möge, beſteht in der Verwirklichung, die
Vorausſetzung dazu aber iſt die Macht, das Organ und der Trä-
ger der Macht aber der Wille. Erſt durch ihn werden die Rechts-
gedanken — die des Geſetzgebers im Geſetz, die des Volks
im Gewohnheitsrecht — zu Rechtsſätzen, zu wirklichem,
435)
436) Einleitung zu den Metaphyſ. Anfangsgründen der Rechtslehre:
„Recht und Befugniß zu zwingen bedeuten alſo einerlei.“
435) nitionen wechſelt man einen Silberthaler gegen einen Papierthaler, man iſt
ebenſoweit wie vorher. Was iſt Recht? „Befugniß zu handeln u. ſ. w.“
Was iſt Befugniß? „Recht zu handeln“ — da gibt man den Papierthaler
wieder zurück. Wer wechſeln will, muß mir den Werth in einer andern
Münzſorte darſtellen, wer definiren will, den Begriff in andern Begriffen.
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