Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. tig; genug sie erfolgt für sie. Dieser letztere Umstand ist derentscheidende. Nach der obigen Ansicht, welche alles Gewicht auf das "Durch" legt und die Bedeutung des "Für" übersieht, würde der Vormund der Berechtigte sein, denn er nimmt die Dispositionen über das Vermögen vor, ihm allein kömmt der ideale Genuß zu gute, in den diese Ansicht den Zweck der Rechte setzt: der Hochgenuß, einen Willensakt vorzunehmen. Er sei ihm gern gegönnt, wenn nur der reale Nutzen dem Mün- del zu Theil wird! Berechtigt ist nicht, wer das Wollen, son- dern den Genuß beanspruchen kann. Ersteres läßt sich zur Noth auf einen Andern übertragen oder lahm legen, letzteres nicht, ohne daß das Recht selber in gleicher Weise dadurch betroffen wird. Subject des Rechts ist der, dem der Nutzen desselben zugedacht ist (der Destinatär); der Schutz des Rechts hat keinen andern Zweck, als die Zuwendung dieses Nutzens an ihn zu sichern. Welche Rolle der Wille dabei spielt, werden wir unten nachweisen. Handelte es sich bei der obigen Ansicht lediglich um einen 442) Ein anderes Beispiel liefert die juristische Person. Die unnatürliche
Auffassung derselben, welche das Recht der einzelnen Mitglieder (der Destina- Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. tig; genug ſie erfolgt für ſie. Dieſer letztere Umſtand iſt derentſcheidende. Nach der obigen Anſicht, welche alles Gewicht auf das „Durch“ legt und die Bedeutung des „Für“ überſieht, würde der Vormund der Berechtigte ſein, denn er nimmt die Dispoſitionen über das Vermögen vor, ihm allein kömmt der ideale Genuß zu gute, in den dieſe Anſicht den Zweck der Rechte ſetzt: der Hochgenuß, einen Willensakt vorzunehmen. Er ſei ihm gern gegönnt, wenn nur der reale Nutzen dem Mün- del zu Theil wird! Berechtigt iſt nicht, wer das Wollen, ſon- dern den Genuß beanſpruchen kann. Erſteres läßt ſich zur Noth auf einen Andern übertragen oder lahm legen, letzteres nicht, ohne daß das Recht ſelber in gleicher Weiſe dadurch betroffen wird. Subject des Rechts iſt der, dem der Nutzen deſſelben zugedacht iſt (der Deſtinatär); der Schutz des Rechts hat keinen andern Zweck, als die Zuwendung dieſes Nutzens an ihn zu ſichern. Welche Rolle der Wille dabei ſpielt, werden wir unten nachweiſen. Handelte es ſich bei der obigen Anſicht lediglich um einen 442) Ein anderes Beiſpiel liefert die juriſtiſche Perſon. Die unnatürliche
Auffaſſung derſelben, welche das Recht der einzelnen Mitglieder (der Deſtina- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0330" n="314"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.</fw><lb/> tig; genug ſie erfolgt <hi rendition="#g">für</hi> ſie. Dieſer letztere Umſtand iſt der<lb/> entſcheidende. Nach der obigen Anſicht, welche alles Gewicht<lb/> auf das „Durch“ legt und die Bedeutung des „Für“ überſieht,<lb/> würde der Vormund der Berechtigte ſein, denn er nimmt die<lb/> Dispoſitionen über das Vermögen vor, ihm allein kömmt der<lb/> ideale Genuß zu gute, in den dieſe Anſicht den Zweck der<lb/> Rechte ſetzt: der Hochgenuß, einen Willensakt vorzunehmen.<lb/> Er ſei ihm gern gegönnt, wenn nur der <hi rendition="#g">reale</hi> Nutzen dem Mün-<lb/> del zu Theil wird! Berechtigt iſt nicht, wer das <hi rendition="#g">Wollen</hi>, ſon-<lb/> dern den <hi rendition="#g">Genuß</hi> beanſpruchen kann. Erſteres läßt ſich zur Noth<lb/> auf einen Andern übertragen oder lahm legen, letzteres nicht,<lb/> ohne daß das Recht ſelber in gleicher Weiſe dadurch betroffen<lb/> wird. Subject des Rechts iſt der, dem der <hi rendition="#g">Nutzen</hi> deſſelben<lb/> zugedacht iſt (der <hi rendition="#g">Deſtinatär</hi>); der Schutz des Rechts hat<lb/> keinen andern Zweck, als die Zuwendung dieſes Nutzens an<lb/> ihn zu ſichern. Welche Rolle der Wille dabei ſpielt, werden<lb/> wir unten nachweiſen.</p><lb/> <p>Handelte es ſich bei der obigen Anſicht lediglich um einen<lb/> Mißgriff in der philoſophiſchen Formulirung des Rechtsbegriffs,<lb/> ich würde denſelben, nachdem ich ihn, wie ich glaube, als ſol-<lb/> chen erwieſen habe, nicht weiter verfolgen. Aber in Wirklich-<lb/> keit handelt es ſich dabei um einen Gegenſatz in der Auf-<lb/> faſſung von ganz fundamentaler Art, — um einen Irrthum,<lb/> der die richtige praktiſche Erkenntniß des Rechts in bedenklichſter<lb/> Weiſe erſchwert und trübt. Es iſt hier nicht der Ort, dies aus-<lb/> führlicher zu begründen — es würde zu dem Zweck eine hiſto-<lb/> riſche, weil in die Geſchichte der Jurisprudenz und der Rechts-<lb/> philoſophie zurückgreifende Abhandlung über das durch die Idee<lb/> des abſtracten Willens im Recht angeſtiftete Unheil nöthig ſein<lb/> — aber das folgende Beiſpiel wird, wie ich hoffe, das obige<lb/> Urtheil vollkommen beſtätigen. <note xml:id="seg2pn_29_1" next="#seg2pn_29_2" place="foot" n="442)">Ein anderes Beiſpiel liefert die juriſtiſche Perſon. Die unnatürliche<lb/> Auffaſſung derſelben, welche das Recht der einzelnen Mitglieder (der Deſtina-</note></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [314/0330]
Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.
tig; genug ſie erfolgt für ſie. Dieſer letztere Umſtand iſt der
entſcheidende. Nach der obigen Anſicht, welche alles Gewicht
auf das „Durch“ legt und die Bedeutung des „Für“ überſieht,
würde der Vormund der Berechtigte ſein, denn er nimmt die
Dispoſitionen über das Vermögen vor, ihm allein kömmt der
ideale Genuß zu gute, in den dieſe Anſicht den Zweck der
Rechte ſetzt: der Hochgenuß, einen Willensakt vorzunehmen.
Er ſei ihm gern gegönnt, wenn nur der reale Nutzen dem Mün-
del zu Theil wird! Berechtigt iſt nicht, wer das Wollen, ſon-
dern den Genuß beanſpruchen kann. Erſteres läßt ſich zur Noth
auf einen Andern übertragen oder lahm legen, letzteres nicht,
ohne daß das Recht ſelber in gleicher Weiſe dadurch betroffen
wird. Subject des Rechts iſt der, dem der Nutzen deſſelben
zugedacht iſt (der Deſtinatär); der Schutz des Rechts hat
keinen andern Zweck, als die Zuwendung dieſes Nutzens an
ihn zu ſichern. Welche Rolle der Wille dabei ſpielt, werden
wir unten nachweiſen.
Handelte es ſich bei der obigen Anſicht lediglich um einen
Mißgriff in der philoſophiſchen Formulirung des Rechtsbegriffs,
ich würde denſelben, nachdem ich ihn, wie ich glaube, als ſol-
chen erwieſen habe, nicht weiter verfolgen. Aber in Wirklich-
keit handelt es ſich dabei um einen Gegenſatz in der Auf-
faſſung von ganz fundamentaler Art, — um einen Irrthum,
der die richtige praktiſche Erkenntniß des Rechts in bedenklichſter
Weiſe erſchwert und trübt. Es iſt hier nicht der Ort, dies aus-
führlicher zu begründen — es würde zu dem Zweck eine hiſto-
riſche, weil in die Geſchichte der Jurisprudenz und der Rechts-
philoſophie zurückgreifende Abhandlung über das durch die Idee
des abſtracten Willens im Recht angeſtiftete Unheil nöthig ſein
— aber das folgende Beiſpiel wird, wie ich hoffe, das obige
Urtheil vollkommen beſtätigen. 442)
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