Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.A. Der Proceß. Die Vertheidigung in Form der Negation. §. 52. Der Umfang der Negation bestimmte sich nach dem der Be- Den Gegensatz zu ihnen bilden die vorhin erwähnten actiones 44) Mithin im Infinitiv des Präsens. Die in rem actiones sind mit
Andeutung der absoluten Natur des ihnen zu Grunde liegenden Rechts (B. 2 S. 511) auf ein esse gestellt (rem, hereditatem meam esse, jus eundi mihi esse, tibi non esse), die actiones in personam mit derselben fei- nen Andeutung der ihnen zu Grunde liegenden Verpflichtung der Person (B. 2 S. 512) auf oportere (dare, pro fure damnum decidere oportere). A. Der Proceß. Die Vertheidigung in Form der Negation. §. 52. Der Umfang der Negation beſtimmte ſich nach dem der Be- Den Gegenſatz zu ihnen bilden die vorhin erwähnten actiones 44) Mithin im Infinitiv des Präſens. Die in rem actiones ſind mit
Andeutung der abſoluten Natur des ihnen zu Grunde liegenden Rechts (B. 2 S. 511) auf ein esse geſtellt (rem, hereditatem meam esse, jus eundi mihi esse, tibi non esse), die actiones in personam mit derſelben fei- nen Andeutung der ihnen zu Grunde liegenden Verpflichtung der Perſon (B. 2 S. 512) auf oportere (dare, pro fure damnum decidere oportere). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <pb facs="#f0073" n="75[57]"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Der Proceß. Die Vertheidigung in Form der Negation. §. 52.</fw><lb/> <p>Der Umfang der Negation beſtimmte ſich nach dem der Be-<lb/> hauptung; je nachdem letztere enger oder weiter gefaßt, war damit<lb/> auch jener ein engerer oder weiterer Spielraum angewieſen. Es<lb/> ergab ſich daraus die Nothwendigkeit, die Klage ſoweit zu faſſen,<lb/> daß dem Beklagten der nöthige Raum zu ſeiner Vertheidigung offen<lb/> blieb. Hätte man alſo z. B. die Klagformel ſo formulirt, daß „Klä-<lb/> ger dem Beklagten 100 <hi rendition="#g">geliehen</hi> habe“, ſo hätte der Beklagte<lb/> mit dem Einwande, daß „er ſie <hi rendition="#g">zurückgezahlt</hi>“, in demſelben<lb/> Proceß gar nicht gehört werden können, weil darin eine neue <hi rendition="#g">po-<lb/> ſitive</hi> Behauptung gelegen hätte. Man mußte folglich die Klag-<lb/> formel ſo einrichten, daß ſie <hi rendition="#g">beide</hi> Behauptungen in ſich aufnehmen<lb/> konnte, und dies geſchah dadurch, daß man ſie auf das „<hi rendition="#g">Schul-<lb/> digſein</hi>“ ſtellte. Dieſe Faſſung ließ von Seiten des Klägers<lb/> als <hi rendition="#g">Affirmative</hi> des Schuldigſeins die Behauptung zu, daß<lb/> er die 100 <hi rendition="#g">gegeben</hi>, von Seiten des Beklagten als <hi rendition="#g">Negative</hi><lb/> des Schuldigſeins die, daß er ſie <hi rendition="#g">zurückgezahlt</hi> habe. Alle<lb/> Klagformeln mußten mithin, wenn ſonſt der Grundſatz der Ne-<lb/> gation durchführbar ſein ſollte, auf die <hi rendition="#g">gegenwärtige Exi-<lb/> ſtenz des Rechtes</hi> lauten — und in der That iſt dies die<lb/> Form aller altrömiſchen Klagen <note place="foot" n="44)">Mithin im Infinitiv des Präſens. Die <hi rendition="#aq">in rem actiones</hi> ſind mit<lb/> Andeutung der <hi rendition="#g">abſoluten</hi> Natur des ihnen zu Grunde liegenden Rechts<lb/> (B. 2 S. 511) auf ein <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">esse</hi></hi> geſtellt <hi rendition="#aq">(rem, hereditatem meam esse, jus<lb/> eundi mihi esse, tibi non esse),</hi> die <hi rendition="#aq">actiones in personam</hi> mit derſelben fei-<lb/> nen Andeutung der ihnen zu Grunde liegenden Verpflichtung der Perſon (B. 2<lb/> S. 512) auf <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">oportere</hi> (dare, pro fure damnum decidere oportere)</hi>.</note> —, ſie ſind ſämmtlich, wie die<lb/> römiſchen Juriſten es ausdrücken, <hi rendition="#aq">„<hi rendition="#g">in jus conceptae</hi>“.</hi></p><lb/> <p>Den Gegenſatz zu ihnen bilden die vorhin erwähnten <hi rendition="#aq">actiones<lb/><hi rendition="#g">in factum</hi> conceptae</hi> des prätoriſchen Rechts. Der Begriff<lb/><hi rendition="#aq">„jus“</hi> war ein hiſtoriſch abgeſchloſſener; als <hi rendition="#aq">jus</hi> im concreten<lb/> Sinn bezeichnete die correcte Sprache des Proceſſes nur ein ſol-<lb/> ches, welches dem <hi rendition="#aq">jus</hi> im abſtracten Sinn, dem <hi rendition="#aq">jus <hi rendition="#g">civile</hi>,</hi> ent-<lb/> ſprach, der Prätor konnte ſich mithin für die von ihm eingeführten<lb/> Klagen nicht der Ausdrücke bedienen, in denen man ſich ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75[57]/0073]
A. Der Proceß. Die Vertheidigung in Form der Negation. §. 52.
Der Umfang der Negation beſtimmte ſich nach dem der Be-
hauptung; je nachdem letztere enger oder weiter gefaßt, war damit
auch jener ein engerer oder weiterer Spielraum angewieſen. Es
ergab ſich daraus die Nothwendigkeit, die Klage ſoweit zu faſſen,
daß dem Beklagten der nöthige Raum zu ſeiner Vertheidigung offen
blieb. Hätte man alſo z. B. die Klagformel ſo formulirt, daß „Klä-
ger dem Beklagten 100 geliehen habe“, ſo hätte der Beklagte
mit dem Einwande, daß „er ſie zurückgezahlt“, in demſelben
Proceß gar nicht gehört werden können, weil darin eine neue po-
ſitive Behauptung gelegen hätte. Man mußte folglich die Klag-
formel ſo einrichten, daß ſie beide Behauptungen in ſich aufnehmen
konnte, und dies geſchah dadurch, daß man ſie auf das „Schul-
digſein“ ſtellte. Dieſe Faſſung ließ von Seiten des Klägers
als Affirmative des Schuldigſeins die Behauptung zu, daß
er die 100 gegeben, von Seiten des Beklagten als Negative
des Schuldigſeins die, daß er ſie zurückgezahlt habe. Alle
Klagformeln mußten mithin, wenn ſonſt der Grundſatz der Ne-
gation durchführbar ſein ſollte, auf die gegenwärtige Exi-
ſtenz des Rechtes lauten — und in der That iſt dies die
Form aller altrömiſchen Klagen 44) —, ſie ſind ſämmtlich, wie die
römiſchen Juriſten es ausdrücken, „in jus conceptae“.
Den Gegenſatz zu ihnen bilden die vorhin erwähnten actiones
in factum conceptae des prätoriſchen Rechts. Der Begriff
„jus“ war ein hiſtoriſch abgeſchloſſener; als jus im concreten
Sinn bezeichnete die correcte Sprache des Proceſſes nur ein ſol-
ches, welches dem jus im abſtracten Sinn, dem jus civile, ent-
ſprach, der Prätor konnte ſich mithin für die von ihm eingeführten
Klagen nicht der Ausdrücke bedienen, in denen man ſich ge-
44) Mithin im Infinitiv des Präſens. Die in rem actiones ſind mit
Andeutung der abſoluten Natur des ihnen zu Grunde liegenden Rechts
(B. 2 S. 511) auf ein esse geſtellt (rem, hereditatem meam esse, jus
eundi mihi esse, tibi non esse), die actiones in personam mit derſelben fei-
nen Andeutung der ihnen zu Grunde liegenden Verpflichtung der Perſon (B. 2
S. 512) auf oportere (dare, pro fure damnum decidere oportere).
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