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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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ist, Gott aber sieht das Herz an. Ich kann nicht sagen, ob
ich gelacht habe; ich weiß aber wohl, was profanatio sa-
crorum
ist, und hab's lang gewußt.

Nun befahl der Präsident, daß seine Gegner hereintreten
sollten; sie kamen, und der Sekretär mußte ihnen das eben
abgefaßte Protokoll vorlesen. Sie sahen sich an und schäm-
ten sich.

Habt ihr noch was einzuwenden, fragte der Präsident. Sie
sagten: Nein!

Nun dann, fuhr der ehrliche Mann fort, so hab' ich noch
was einzuwenden: Dem Herrn Inspektor kommt's zu, einen
Schulmeister zu bestätigen, wenn ihr einen erwählt habt. Meine
Pflicht aber ist's, Acht zu haben, daß Ruhe und Ordnung
erhalten werde; deßwegen befehl ich euch bei hundert Gulden
Strafe, den vorigen Schulmeister nicht zu wählen, sondern
einen ganz unparteyischen, damit die Gemeinde wieder ru-
hig werde.

Der Inspektor erschrack, sah den Präsidenten an und sagte:
"Auf die Wais werden die Lait nimmer zu Ruh kommä."

Herr Inspektor! erwiederte Jener, das gehört ins forum
politicum
und geht Sie nichts an.

Indessen ließ sich Rehkopf melden. Er wurde hereinge-
lassen. Dieser begehrte das Protokoll zu sehen im Namen
seiner Principalen. Der Sekretär mußte ihm das heutige
vorlesen. Rehkopf sah Stilling an und fragte ihn, ob
das recht wäre? Stilling antwortete: Man kann nicht
immer thun, was recht ist, sondern man muß auch wohl zu-
weilen die Augen zuthun und ergreifen, was man kann und
nicht was man will; indessen dank' ich Euch tausendmal,
rechtschaffener Freund! Gott wird's Euch vergelten! Rehkopf
schwieg eine Weile, endlich fing er an und sagte: So protestir'
ich im Namen meiner Principalen gegen die Wahl des vorigen
Schulmeisters, und begehre, daß diese Protestation zu Proto-
koll getragen werde. Gut! sagte der Präsident, das soll ge-
schehen, ich hab' dasselbige auch schon vorhin bei hundert Gul-
den Strafe verboten. Nun wurden sie alle zusammen nach
Haus geschickt und die Sache geschlossen.


iſt, Gott aber ſieht das Herz an. Ich kann nicht ſagen, ob
ich gelacht habe; ich weiß aber wohl, was profanatio sa-
crorum
iſt, und hab’s lang gewußt.

Nun befahl der Praͤſident, daß ſeine Gegner hereintreten
ſollten; ſie kamen, und der Sekretaͤr mußte ihnen das eben
abgefaßte Protokoll vorleſen. Sie ſahen ſich an und ſchaͤm-
ten ſich.

Habt ihr noch was einzuwenden, fragte der Praͤſident. Sie
ſagten: Nein!

Nun dann, fuhr der ehrliche Mann fort, ſo hab’ ich noch
was einzuwenden: Dem Herrn Inſpektor kommt’s zu, einen
Schulmeiſter zu beſtaͤtigen, wenn ihr einen erwaͤhlt habt. Meine
Pflicht aber iſt’s, Acht zu haben, daß Ruhe und Ordnung
erhalten werde; deßwegen befehl ich euch bei hundert Gulden
Strafe, den vorigen Schulmeiſter nicht zu waͤhlen, ſondern
einen ganz unparteyiſchen, damit die Gemeinde wieder ru-
hig werde.

Der Inſpektor erſchrack, ſah den Praͤſidenten an und ſagte:
„Auf die Wais werden die Lait nimmer zu Ruh kommaͤ.“

Herr Inſpektor! erwiederte Jener, das gehoͤrt ins forum
politicum
und geht Sie nichts an.

Indeſſen ließ ſich Rehkopf melden. Er wurde hereinge-
laſſen. Dieſer begehrte das Protokoll zu ſehen im Namen
ſeiner Principalen. Der Sekretaͤr mußte ihm das heutige
vorleſen. Rehkopf ſah Stilling an und fragte ihn, ob
das recht waͤre? Stilling antwortete: Man kann nicht
immer thun, was recht iſt, ſondern man muß auch wohl zu-
weilen die Augen zuthun und ergreifen, was man kann und
nicht was man will; indeſſen dank’ ich Euch tauſendmal,
rechtſchaffener Freund! Gott wird’s Euch vergelten! Rehkopf
ſchwieg eine Weile, endlich fing er an und ſagte: So proteſtir’
ich im Namen meiner Principalen gegen die Wahl des vorigen
Schulmeiſters, und begehre, daß dieſe Proteſtation zu Proto-
koll getragen werde. Gut! ſagte der Praͤſident, das ſoll ge-
ſchehen, ich hab’ daſſelbige auch ſchon vorhin bei hundert Gul-
den Strafe verboten. Nun wurden ſie alle zuſammen nach
Haus geſchickt und die Sache geſchloſſen.


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[166/0174] iſt, Gott aber ſieht das Herz an. Ich kann nicht ſagen, ob ich gelacht habe; ich weiß aber wohl, was profanatio sa- crorum iſt, und hab’s lang gewußt. Nun befahl der Praͤſident, daß ſeine Gegner hereintreten ſollten; ſie kamen, und der Sekretaͤr mußte ihnen das eben abgefaßte Protokoll vorleſen. Sie ſahen ſich an und ſchaͤm- ten ſich. Habt ihr noch was einzuwenden, fragte der Praͤſident. Sie ſagten: Nein! Nun dann, fuhr der ehrliche Mann fort, ſo hab’ ich noch was einzuwenden: Dem Herrn Inſpektor kommt’s zu, einen Schulmeiſter zu beſtaͤtigen, wenn ihr einen erwaͤhlt habt. Meine Pflicht aber iſt’s, Acht zu haben, daß Ruhe und Ordnung erhalten werde; deßwegen befehl ich euch bei hundert Gulden Strafe, den vorigen Schulmeiſter nicht zu waͤhlen, ſondern einen ganz unparteyiſchen, damit die Gemeinde wieder ru- hig werde. Der Inſpektor erſchrack, ſah den Praͤſidenten an und ſagte: „Auf die Wais werden die Lait nimmer zu Ruh kommaͤ.“ Herr Inſpektor! erwiederte Jener, das gehoͤrt ins forum politicum und geht Sie nichts an. Indeſſen ließ ſich Rehkopf melden. Er wurde hereinge- laſſen. Dieſer begehrte das Protokoll zu ſehen im Namen ſeiner Principalen. Der Sekretaͤr mußte ihm das heutige vorleſen. Rehkopf ſah Stilling an und fragte ihn, ob das recht waͤre? Stilling antwortete: Man kann nicht immer thun, was recht iſt, ſondern man muß auch wohl zu- weilen die Augen zuthun und ergreifen, was man kann und nicht was man will; indeſſen dank’ ich Euch tauſendmal, rechtſchaffener Freund! Gott wird’s Euch vergelten! Rehkopf ſchwieg eine Weile, endlich fing er an und ſagte: So proteſtir’ ich im Namen meiner Principalen gegen die Wahl des vorigen Schulmeiſters, und begehre, daß dieſe Proteſtation zu Proto- koll getragen werde. Gut! ſagte der Praͤſident, das ſoll ge- ſchehen, ich hab’ daſſelbige auch ſchon vorhin bei hundert Gul- den Strafe verboten. Nun wurden ſie alle zuſammen nach Haus geſchickt und die Sache geſchloſſen.

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/174>, abgerufen am 21.11.2024.