So! -- fuhr Liebmann fort: ich bin einer von Ihres Va- ters Rentmeistern, ich werde also jetzt einmal den Beutel ziehen. Damit zählte er Stillingen drei und dreißig Reichs- thaler hin, und sagte: mehr kann ich für jetzt nicht missen. Sie werden überall Hülfe finden. Können sie mir das Geld einstens wieder geben, gut! wo nicht, auch gut -- Stilling fühlte heiße Thränen in seinen Augen. Er dankte herzlich für diese Liebe, und versetzte: "Das ist reich genug, ich wünsche nicht mehr zu haben." Diese erste Probe machte ihn so muthig, daß er gar nicht mehr zweifelte, Gott würde ihm gewiß durch Alles durchhelfen. Er erhielt auch Briefe von Rasenheim von Herrn Friedenberg und von Christinen. Diese hatte Muth gefaßt, und standhaft beschlossen, geduldig auszuharren. Friedenberg aber schrieb ihm in den aller- zärtlichsten Ausdrücken, und empfahl ihn der väterlichen Für- sorge Gottes. Er beantwortete gleichfalls beide Briefe mit al- ler möglichen Zärtlichkeit und Liebe. Von seiner ersten Glau- bensprobe aber meldete er nichts, sondern schrieb nur, daß er Ueberfluß habe.
Nach zwei Tagen fand Herr Troost eine Returkutsche nach Mannheim, welche er für sich und Stilling, nebst noch einen redlichen Kaufmann von Luzern aus der Schweiz, mie- thete. Nun nahmen sie wiederum von allen Bekannten und Freunden Abschied, setzten sich ein und reisten im Namen Gottes weiter.
Um sich nun einander die Zeit zu verkürzen, erzählte ein Jeder, was er wußte. Der Schweizer wurde so vertraulich, daß er unsern beiden Reisenden sein ganzes Herz entdeckte. Stilling wurde dadurch gerührt, und er erzählte seine ganze Lebensgeschichte mit allen Umständen, so daß der Schweizer oft die milden Thränen fallen ließ. Herr Troost selber hatte sie noch nicht gehört, er wurde auch sehr gerührt, und seine Liebe zu Stillingen wurde desto größer.
Zu Mannheim nahmen sie wieder eine Returkutsche bis Straßburg. Als sie zwischen Speyer und Lauterburg in den großen Wald kamen, stieg Stilling aus. Er war das Fahren nicht gewohnt und konnte das Wiegen der Kutsche,
So! — fuhr Liebmann fort: ich bin einer von Ihres Va- ters Rentmeiſtern, ich werde alſo jetzt einmal den Beutel ziehen. Damit zaͤhlte er Stillingen drei und dreißig Reichs- thaler hin, und ſagte: mehr kann ich fuͤr jetzt nicht miſſen. Sie werden uͤberall Huͤlfe finden. Koͤnnen ſie mir das Geld einſtens wieder geben, gut! wo nicht, auch gut — Stilling fuͤhlte heiße Thraͤnen in ſeinen Augen. Er dankte herzlich fuͤr dieſe Liebe, und verſetzte: „Das iſt reich genug, ich wuͤnſche nicht mehr zu haben.“ Dieſe erſte Probe machte ihn ſo muthig, daß er gar nicht mehr zweifelte, Gott wuͤrde ihm gewiß durch Alles durchhelfen. Er erhielt auch Briefe von Raſenheim von Herrn Friedenberg und von Chriſtinen. Dieſe hatte Muth gefaßt, und ſtandhaft beſchloſſen, geduldig auszuharren. Friedenberg aber ſchrieb ihm in den aller- zaͤrtlichſten Ausdruͤcken, und empfahl ihn der vaͤterlichen Fuͤr- ſorge Gottes. Er beantwortete gleichfalls beide Briefe mit al- ler moͤglichen Zaͤrtlichkeit und Liebe. Von ſeiner erſten Glau- bensprobe aber meldete er nichts, ſondern ſchrieb nur, daß er Ueberfluß habe.
Nach zwei Tagen fand Herr Trooſt eine Returkutſche nach Mannheim, welche er fuͤr ſich und Stilling, nebſt noch einen redlichen Kaufmann von Luzern aus der Schweiz, mie- thete. Nun nahmen ſie wiederum von allen Bekannten und Freunden Abſchied, ſetzten ſich ein und reisten im Namen Gottes weiter.
Um ſich nun einander die Zeit zu verkuͤrzen, erzaͤhlte ein Jeder, was er wußte. Der Schweizer wurde ſo vertraulich, daß er unſern beiden Reiſenden ſein ganzes Herz entdeckte. Stilling wurde dadurch geruͤhrt, und er erzaͤhlte ſeine ganze Lebensgeſchichte mit allen Umſtaͤnden, ſo daß der Schweizer oft die milden Thraͤnen fallen ließ. Herr Trooſt ſelber hatte ſie noch nicht gehoͤrt, er wurde auch ſehr geruͤhrt, und ſeine Liebe zu Stillingen wurde deſto groͤßer.
Zu Mannheim nahmen ſie wieder eine Returkutſche bis Straßburg. Als ſie zwiſchen Speyer und Lauterburg in den großen Wald kamen, ſtieg Stilling aus. Er war das Fahren nicht gewohnt und konnte das Wiegen der Kutſche,
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So! — fuhr Liebmann fort: ich bin einer von Ihres Va-
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thaler hin, und ſagte: mehr kann ich fuͤr jetzt nicht miſſen.
Sie werden uͤberall Huͤlfe finden. Koͤnnen ſie mir das Geld
einſtens wieder geben, gut! wo nicht, auch gut — Stilling
fuͤhlte heiße Thraͤnen in ſeinen Augen. Er dankte herzlich fuͤr
dieſe Liebe, und verſetzte: „Das iſt reich genug, ich wuͤnſche
nicht mehr zu haben.“ Dieſe erſte Probe machte ihn ſo
muthig, daß er gar nicht mehr zweifelte, Gott wuͤrde ihm
gewiß durch Alles durchhelfen. Er erhielt auch Briefe von
Raſenheim von Herrn Friedenberg und von Chriſtinen.
Dieſe hatte Muth gefaßt, und ſtandhaft beſchloſſen, geduldig
auszuharren. Friedenberg aber ſchrieb ihm in den aller-
zaͤrtlichſten Ausdruͤcken, und empfahl ihn der vaͤterlichen Fuͤr-
ſorge Gottes. Er beantwortete gleichfalls beide Briefe mit al-
ler moͤglichen Zaͤrtlichkeit und Liebe. Von ſeiner erſten Glau-
bensprobe aber meldete er nichts, ſondern ſchrieb nur, daß er
Ueberfluß habe.
Nach zwei Tagen fand Herr Trooſt eine Returkutſche nach
Mannheim, welche er fuͤr ſich und Stilling, nebſt noch
einen redlichen Kaufmann von Luzern aus der Schweiz, mie-
thete. Nun nahmen ſie wiederum von allen Bekannten und
Freunden Abſchied, ſetzten ſich ein und reisten im Namen
Gottes weiter.
Um ſich nun einander die Zeit zu verkuͤrzen, erzaͤhlte ein
Jeder, was er wußte. Der Schweizer wurde ſo vertraulich,
daß er unſern beiden Reiſenden ſein ganzes Herz entdeckte.
Stilling wurde dadurch geruͤhrt, und er erzaͤhlte ſeine ganze
Lebensgeſchichte mit allen Umſtaͤnden, ſo daß der Schweizer
oft die milden Thraͤnen fallen ließ. Herr Trooſt ſelber hatte
ſie noch nicht gehoͤrt, er wurde auch ſehr geruͤhrt, und ſeine
Liebe zu Stillingen wurde deſto groͤßer.
Zu Mannheim nahmen ſie wieder eine Returkutſche bis
Straßburg. Als ſie zwiſchen Speyer und Lauterburg
in den großen Wald kamen, ſtieg Stilling aus. Er war
das Fahren nicht gewohnt und konnte das Wiegen der Kutſche,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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