von keiner Gefahr; er läßt sich also einen Eimer kalt Wasser bringen, und steckt den Arm hinein bis auf den Boden; das that ihm wohl, der Brand und das Jucken verging und mit ihm die Röthe und der Ausschlag, er zog also den Arm wie- der heraus und siehe, er war wie der andere.
Stoi war froh, daß er sich so leicht geholfen hatte. In- dessen bemerkte er aber gar bald, daß der Arm seine Empfin- dungen verloren hatte, er kniff sich in die Haut und fühlte nichts, er fühlte den Puls an diesem Arm, und siehe, er stand ganz still, er fühlte ihn am Hals, und er schlug regelmäßig; kurz, er war übrigens vollkommen gesund. Wenn er seinen Arm bewegen wollte, so fand er, daß er das nicht konnte, denn er war wie todt; nun traute er doch der Sache nicht recht, daher ließ er einen benachbarten Arzt kommen; dieser erschrack, wie billig, er belegte den Arm mit Zugpflastern, hieb ihn mit Nesseln, aber alles umsonst, er blieb unempfindlich. Nach und nach fingen die Finger an zu faulen, und diese Fäulniß schlich allmählig weiter den Arm hinan.
Nun wurden Troost und Stilling gerufen, sie gingen hin und fanden den Arm bis bald an den Ellenbogen dick aufge- laufen, schwarzbraun und unerträglich stinkend. So wie sie zur Thür hereintraten, fing Stoi an: Meine Herren! ich habe eine Unvorsichtigkeit begangen; (hier erzählte er die ganze Geschichte) thun Sie ihre Pflicht, ich bin in der Hand Gottes, ich bin siebenzig Jahr alt und wohl zufrieden mit jedem Aus- gang, den die Sache nimmt.
Die beiden Aerzte berathschlagten sich; sie sahen wohl ein, daß der Arm abgenommen werden müßte, indessen glaubten sie doch, noch vorher ein Mittel versuchen zu müssen, wodurch die Operation erleichtert werden könnte. Herr Troost nahm also ein Messer und zerschnitt die Gegend, wo der kalte Brand aufhörte, rund herum mit vielen Schnitten; von dem allem empfand der Patient nichts, dann machten sie Aufschläge von der Brühe der Fieberrinde und verordneten auch, diese Brühe häufig innerlich zu gebrauchen.
Des andern Tages wurden sie wieder gerufen und ersucht, die Instrumente zum Abnehmen des Arms mitzubringen. Die-
von keiner Gefahr; er laͤßt ſich alſo einen Eimer kalt Waſſer bringen, und ſteckt den Arm hinein bis auf den Boden; das that ihm wohl, der Brand und das Jucken verging und mit ihm die Roͤthe und der Ausſchlag, er zog alſo den Arm wie- der heraus und ſiehe, er war wie der andere.
Stoi war froh, daß er ſich ſo leicht geholfen hatte. In- deſſen bemerkte er aber gar bald, daß der Arm ſeine Empfin- dungen verloren hatte, er kniff ſich in die Haut und fuͤhlte nichts, er fuͤhlte den Puls an dieſem Arm, und ſiehe, er ſtand ganz ſtill, er fuͤhlte ihn am Hals, und er ſchlug regelmaͤßig; kurz, er war uͤbrigens vollkommen geſund. Wenn er ſeinen Arm bewegen wollte, ſo fand er, daß er das nicht konnte, denn er war wie todt; nun traute er doch der Sache nicht recht, daher ließ er einen benachbarten Arzt kommen; dieſer erſchrack, wie billig, er belegte den Arm mit Zugpflaſtern, hieb ihn mit Neſſeln, aber alles umſonſt, er blieb unempfindlich. Nach und nach fingen die Finger an zu faulen, und dieſe Faͤulniß ſchlich allmaͤhlig weiter den Arm hinan.
Nun wurden Trooſt und Stilling gerufen, ſie gingen hin und fanden den Arm bis bald an den Ellenbogen dick aufge- laufen, ſchwarzbraun und unertraͤglich ſtinkend. So wie ſie zur Thuͤr hereintraten, fing Stoi an: Meine Herren! ich habe eine Unvorſichtigkeit begangen; (hier erzaͤhlte er die ganze Geſchichte) thun Sie ihre Pflicht, ich bin in der Hand Gottes, ich bin ſiebenzig Jahr alt und wohl zufrieden mit jedem Aus- gang, den die Sache nimmt.
Die beiden Aerzte berathſchlagten ſich; ſie ſahen wohl ein, daß der Arm abgenommen werden muͤßte, indeſſen glaubten ſie doch, noch vorher ein Mittel verſuchen zu muͤſſen, wodurch die Operation erleichtert werden koͤnnte. Herr Trooſt nahm alſo ein Meſſer und zerſchnitt die Gegend, wo der kalte Brand aufhoͤrte, rund herum mit vielen Schnitten; von dem allem empfand der Patient nichts, dann machten ſie Aufſchlaͤge von der Bruͤhe der Fieberrinde und verordneten auch, dieſe Bruͤhe haͤufig innerlich zu gebrauchen.
Des andern Tages wurden ſie wieder gerufen und erſucht, die Inſtrumente zum Abnehmen des Arms mitzubringen. Die-
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von keiner Gefahr; er laͤßt ſich alſo einen Eimer kalt Waſſer
bringen, und ſteckt den Arm hinein bis auf den Boden; das
that ihm wohl, der Brand und das Jucken verging und mit
ihm die Roͤthe und der Ausſchlag, er zog alſo den Arm wie-
der heraus und ſiehe, er war wie der andere.
Stoi war froh, daß er ſich ſo leicht geholfen hatte. In-
deſſen bemerkte er aber gar bald, daß der Arm ſeine Empfin-
dungen verloren hatte, er kniff ſich in die Haut und fuͤhlte
nichts, er fuͤhlte den Puls an dieſem Arm, und ſiehe, er ſtand
ganz ſtill, er fuͤhlte ihn am Hals, und er ſchlug regelmaͤßig;
kurz, er war uͤbrigens vollkommen geſund. Wenn er ſeinen
Arm bewegen wollte, ſo fand er, daß er das nicht konnte,
denn er war wie todt; nun traute er doch der Sache nicht recht,
daher ließ er einen benachbarten Arzt kommen; dieſer erſchrack,
wie billig, er belegte den Arm mit Zugpflaſtern, hieb ihn mit
Neſſeln, aber alles umſonſt, er blieb unempfindlich. Nach und
nach fingen die Finger an zu faulen, und dieſe Faͤulniß ſchlich
allmaͤhlig weiter den Arm hinan.
Nun wurden Trooſt und Stilling gerufen, ſie gingen hin
und fanden den Arm bis bald an den Ellenbogen dick aufge-
laufen, ſchwarzbraun und unertraͤglich ſtinkend. So wie ſie
zur Thuͤr hereintraten, fing Stoi an: Meine Herren! ich
habe eine Unvorſichtigkeit begangen; (hier erzaͤhlte er die ganze
Geſchichte) thun Sie ihre Pflicht, ich bin in der Hand Gottes,
ich bin ſiebenzig Jahr alt und wohl zufrieden mit jedem Aus-
gang, den die Sache nimmt.
Die beiden Aerzte berathſchlagten ſich; ſie ſahen wohl ein,
daß der Arm abgenommen werden muͤßte, indeſſen glaubten
ſie doch, noch vorher ein Mittel verſuchen zu muͤſſen, wodurch
die Operation erleichtert werden koͤnnte. Herr Trooſt nahm
alſo ein Meſſer und zerſchnitt die Gegend, wo der kalte Brand
aufhoͤrte, rund herum mit vielen Schnitten; von dem allem
empfand der Patient nichts, dann machten ſie Aufſchlaͤge von
der Bruͤhe der Fieberrinde und verordneten auch, dieſe Bruͤhe
haͤufig innerlich zu gebrauchen.
Des andern Tages wurden ſie wieder gerufen und erſucht,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/368>, abgerufen am 24.11.2024.
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