sen war seine Antwort voll väterlicher Ermahnungen, nur gut hauszuhalten; für die Ehre, die seinem Schwiegersohn und seiner Tochter dadurch widerfuhr, daß er nun Professor war, hatte er kein Gefühl; überhaupt rührte ihn Glanz und Ehre nicht.
Weil ihm sein System, daß er sich von der Staatswirth- schaft gemacht hatte, sehr am Herzen lag, so wendete er den ersten Winter an, es in seinem Lehrbuch auszuarbeiten und zugleich über die geschriebenen Bogen ein Kollegium zu lesen; im Frühjahr wurde dieß Buch in Mannheim unter dem Titel: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Ka- meralwissenschaften gedruckt; es fand, ungeachtet sei- ner Fehler und Unvollkommenheit, vielen Beifall, und Stil- ling fing nun an, seiner Bestimmung vollkommen gewiß zu seyn, er fühlte sich ganz in seinem natürlichen Fache, Alles, was ihm sein Amt zur Pflicht machte, war auch zugleich seine größte Freude. Man kann sich keine glücklichere Lage denken, als die, in welcher er sich jetzt befand, denn auch das Publikum, in welchem er lebte, liebte, ehrte und schätzte ihn und seine Christine aus der Maßen; hier hörte alles Schmä- hen, alles Lästern auf; hätte ihm von Schönenthal aus nicht ein beständiges Ungewitter wegen seiner Schulden ge- droht, so wäre er vollkommen glücklich gewesen.
Den folgenden Sommer las er nun die Forstwissenschaft, Landwirthschaft und Technologie: denn er begnügte sich nicht blos mit den Wissenschaften, die ihm aufgetragen waren, son- dern er brannte vor Verlangen, sein System so weit auszu- füllen, als ihm in seiner Sphäre möglich war; und da die bekannten Lehrbücher nicht in seinen Plan paßten, so nahm er sich vor, über alle seine Wissenschaften selbst Kompendien zu schreiben, wozu er sich also von Anfang an rüstete.
Stilling war bisher von seinem himmlischen Schmelzer ausgeglüht und zu einem brauchbaren Werkzeug aus dem Gro- ben gearbeitet worden: nun fehlte ihm noch die Feile und die Politur; auch diese wurde nicht vergessen: denn es bildeten sich von ferne Anlagen, die die letzte Hand an das Werk legen
ſen war ſeine Antwort voll vaͤterlicher Ermahnungen, nur gut hauszuhalten; fuͤr die Ehre, die ſeinem Schwiegerſohn und ſeiner Tochter dadurch widerfuhr, daß er nun Profeſſor war, hatte er kein Gefuͤhl; uͤberhaupt ruͤhrte ihn Glanz und Ehre nicht.
Weil ihm ſein Syſtem, daß er ſich von der Staatswirth- ſchaft gemacht hatte, ſehr am Herzen lag, ſo wendete er den erſten Winter an, es in ſeinem Lehrbuch auszuarbeiten und zugleich uͤber die geſchriebenen Bogen ein Kollegium zu leſen; im Fruͤhjahr wurde dieß Buch in Mannheim unter dem Titel: Verſuch einer Grundlehre ſaͤmmtlicher Ka- meralwiſſenſchaften gedruckt; es fand, ungeachtet ſei- ner Fehler und Unvollkommenheit, vielen Beifall, und Stil- ling fing nun an, ſeiner Beſtimmung vollkommen gewiß zu ſeyn, er fuͤhlte ſich ganz in ſeinem natuͤrlichen Fache, Alles, was ihm ſein Amt zur Pflicht machte, war auch zugleich ſeine groͤßte Freude. Man kann ſich keine gluͤcklichere Lage denken, als die, in welcher er ſich jetzt befand, denn auch das Publikum, in welchem er lebte, liebte, ehrte und ſchaͤtzte ihn und ſeine Chriſtine aus der Maßen; hier hoͤrte alles Schmaͤ- hen, alles Laͤſtern auf; haͤtte ihm von Schoͤnenthal aus nicht ein beſtaͤndiges Ungewitter wegen ſeiner Schulden ge- droht, ſo waͤre er vollkommen gluͤcklich geweſen.
Den folgenden Sommer las er nun die Forſtwiſſenſchaft, Landwirthſchaft und Technologie: denn er begnuͤgte ſich nicht blos mit den Wiſſenſchaften, die ihm aufgetragen waren, ſon- dern er brannte vor Verlangen, ſein Syſtem ſo weit auszu- fuͤllen, als ihm in ſeiner Sphaͤre moͤglich war; und da die bekannten Lehrbuͤcher nicht in ſeinen Plan paßten, ſo nahm er ſich vor, uͤber alle ſeine Wiſſenſchaften ſelbſt Kompendien zu ſchreiben, wozu er ſich alſo von Anfang an ruͤſtete.
Stilling war bisher von ſeinem himmliſchen Schmelzer ausgegluͤht und zu einem brauchbaren Werkzeug aus dem Gro- ben gearbeitet worden: nun fehlte ihm noch die Feile und die Politur; auch dieſe wurde nicht vergeſſen: denn es bildeten ſich von ferne Anlagen, die die letzte Hand an das Werk legen
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ſen war ſeine Antwort voll vaͤterlicher Ermahnungen, nur
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und ſeiner Tochter dadurch widerfuhr, daß er nun Profeſſor
war, hatte er kein Gefuͤhl; uͤberhaupt ruͤhrte ihn Glanz und
Ehre nicht.
Weil ihm ſein Syſtem, daß er ſich von der Staatswirth-
ſchaft gemacht hatte, ſehr am Herzen lag, ſo wendete er den
erſten Winter an, es in ſeinem Lehrbuch auszuarbeiten und
zugleich uͤber die geſchriebenen Bogen ein Kollegium zu leſen;
im Fruͤhjahr wurde dieß Buch in Mannheim unter dem
Titel: Verſuch einer Grundlehre ſaͤmmtlicher Ka-
meralwiſſenſchaften gedruckt; es fand, ungeachtet ſei-
ner Fehler und Unvollkommenheit, vielen Beifall, und Stil-
ling fing nun an, ſeiner Beſtimmung vollkommen gewiß zu
ſeyn, er fuͤhlte ſich ganz in ſeinem natuͤrlichen Fache, Alles,
was ihm ſein Amt zur Pflicht machte, war auch zugleich
ſeine groͤßte Freude. Man kann ſich keine gluͤcklichere Lage
denken, als die, in welcher er ſich jetzt befand, denn auch das
Publikum, in welchem er lebte, liebte, ehrte und ſchaͤtzte ihn
und ſeine Chriſtine aus der Maßen; hier hoͤrte alles Schmaͤ-
hen, alles Laͤſtern auf; haͤtte ihm von Schoͤnenthal aus
nicht ein beſtaͤndiges Ungewitter wegen ſeiner Schulden ge-
droht, ſo waͤre er vollkommen gluͤcklich geweſen.
Den folgenden Sommer las er nun die Forſtwiſſenſchaft,
Landwirthſchaft und Technologie: denn er begnuͤgte ſich nicht
blos mit den Wiſſenſchaften, die ihm aufgetragen waren, ſon-
dern er brannte vor Verlangen, ſein Syſtem ſo weit auszu-
fuͤllen, als ihm in ſeiner Sphaͤre moͤglich war; und da die
bekannten Lehrbuͤcher nicht in ſeinen Plan paßten, ſo nahm
er ſich vor, uͤber alle ſeine Wiſſenſchaften ſelbſt Kompendien
zu ſchreiben, wozu er ſich alſo von Anfang an ruͤſtete.
Stilling war bisher von ſeinem himmliſchen Schmelzer
ausgegluͤht und zu einem brauchbaren Werkzeug aus dem Gro-
ben gearbeitet worden: nun fehlte ihm noch die Feile und die
Politur; auch dieſe wurde nicht vergeſſen: denn es bildeten
ſich von ferne Anlagen, die die letzte Hand an das Werk legen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/379>, abgerufen am 24.11.2024.
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