Hergang; dieser schrieb alsofort an Herrn Spässel und stellte ihm die Sache in ihrer wahren Liegenheit höflich und beschei- den vor; allein das war Oel ins Feuer gegossen, denn der ehrliche Mann kam zu Stilling und bediente sich solcher hämischer und beleidigender Ausdrücke, daß dieser in die lo- dernde Flamme gerieth, und den Spässel so geschwind wie möglich zur Thür hinaus und die Treppe hinunter promovirte, und ihm dann nachrief: Kommen Sie mir ja nicht wie- der über die Schwelle, bis Sie ein braver Mann geworden sind!
Dabei blieb's -- daß aber Spässel das Alles sehr wohl behielt, um dereinst Nutzen daraus zu ziehen, ist leicht zu denken.
Um diese Zeit erschien ein abermaliges Meteor am dortigen Horizont: ein gewisser anmaßlicher Engländer, Namens Tom, hatte als englischer Sprachmeister Land und Sand durchzogen, tausend Plane gemacht, Schlösser in die Luft gebaut, und Al- les war mißlungen. Sonst war er ein Mann von ungemei- nen Talenten, gelehrt und überhaupt ein Genie im eigentli- chen Verstande. Die Triebfeder aller seiner Handlungen war ein unbändiger Stolz, ohne Religion; steifer Naturalismus und blindes Schicksal schienen seine Führer zu seyn. Die Menschenliebe, dieses schöne Gotteskind, war ihm unbekannt, er liebte nichts als sich selbst; der Name Sprachmeister war ihm ein Gräuel, ob er gleich im Grunde nichts anders vor- stellte, und er führte den Charakter als Professor der englischen Litteratur. Die Armuth war ihm eine Hölle, und doch war er höchst arm; denn als ehemaliger wohlhabender Kaufmann hatte er die Rolle des großen Herrn gespielt, und darauf, wie leicht zu denken, fallirt. Dieser Mann hielt sich damals in Mannheim auf, und schien ihm das Rittersburger Institut gerade ein Schauplatz zu seyn, wo er sich nähren und Ruhm erwerben könnte. Er hielt deßwegen bei Eisenhart an, er möchte ihm zu einer Professorsstelle an der Ritters- burger Akademie helfen; Eisenhart, der freilich die Brauch- barkeit dieses Mannes, aber auch seinen gefährlichen Charak- ter kannte, und über das alles für nöthig hielt, mit der Gnade
Hergang; dieſer ſchrieb alſofort an Herrn Spaͤſſel und ſtellte ihm die Sache in ihrer wahren Liegenheit hoͤflich und beſchei- den vor; allein das war Oel ins Feuer gegoſſen, denn der ehrliche Mann kam zu Stilling und bediente ſich ſolcher haͤmiſcher und beleidigender Ausdruͤcke, daß dieſer in die lo- dernde Flamme gerieth, und den Spaͤſſel ſo geſchwind wie moͤglich zur Thuͤr hinaus und die Treppe hinunter promovirte, und ihm dann nachrief: Kommen Sie mir ja nicht wie- der uͤber die Schwelle, bis Sie ein braver Mann geworden ſind!
Dabei blieb’s — daß aber Spaͤſſel das Alles ſehr wohl behielt, um dereinſt Nutzen daraus zu ziehen, iſt leicht zu denken.
Um dieſe Zeit erſchien ein abermaliges Meteor am dortigen Horizont: ein gewiſſer anmaßlicher Englaͤnder, Namens Tom, hatte als engliſcher Sprachmeiſter Land und Sand durchzogen, tauſend Plane gemacht, Schloͤſſer in die Luft gebaut, und Al- les war mißlungen. Sonſt war er ein Mann von ungemei- nen Talenten, gelehrt und uͤberhaupt ein Genie im eigentli- chen Verſtande. Die Triebfeder aller ſeiner Handlungen war ein unbaͤndiger Stolz, ohne Religion; ſteifer Naturalismus und blindes Schickſal ſchienen ſeine Fuͤhrer zu ſeyn. Die Menſchenliebe, dieſes ſchoͤne Gotteskind, war ihm unbekannt, er liebte nichts als ſich ſelbſt; der Name Sprachmeiſter war ihm ein Graͤuel, ob er gleich im Grunde nichts anders vor- ſtellte, und er fuͤhrte den Charakter als Profeſſor der engliſchen Litteratur. Die Armuth war ihm eine Hoͤlle, und doch war er hoͤchſt arm; denn als ehemaliger wohlhabender Kaufmann hatte er die Rolle des großen Herrn geſpielt, und darauf, wie leicht zu denken, fallirt. Dieſer Mann hielt ſich damals in Mannheim auf, und ſchien ihm das Rittersburger Inſtitut gerade ein Schauplatz zu ſeyn, wo er ſich naͤhren und Ruhm erwerben koͤnnte. Er hielt deßwegen bei Eiſenhart an, er moͤchte ihm zu einer Profeſſorsſtelle an der Ritters- burger Akademie helfen; Eiſenhart, der freilich die Brauch- barkeit dieſes Mannes, aber auch ſeinen gefaͤhrlichen Charak- ter kannte, und uͤber das alles fuͤr noͤthig hielt, mit der Gnade
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Hergang; dieſer ſchrieb alſofort an Herrn Spaͤſſel und ſtellte
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ehrliche Mann kam zu Stilling und bediente ſich ſolcher
haͤmiſcher und beleidigender Ausdruͤcke, daß dieſer in die lo-
dernde Flamme gerieth, und den Spaͤſſel ſo geſchwind wie
moͤglich zur Thuͤr hinaus und die Treppe hinunter promovirte,
und ihm dann nachrief: Kommen Sie mir ja nicht wie-
der uͤber die Schwelle, bis Sie ein braver Mann
geworden ſind!
Dabei blieb’s — daß aber Spaͤſſel das Alles ſehr wohl
behielt, um dereinſt Nutzen daraus zu ziehen, iſt leicht zu
denken.
Um dieſe Zeit erſchien ein abermaliges Meteor am dortigen
Horizont: ein gewiſſer anmaßlicher Englaͤnder, Namens Tom,
hatte als engliſcher Sprachmeiſter Land und Sand durchzogen,
tauſend Plane gemacht, Schloͤſſer in die Luft gebaut, und Al-
les war mißlungen. Sonſt war er ein Mann von ungemei-
nen Talenten, gelehrt und uͤberhaupt ein Genie im eigentli-
chen Verſtande. Die Triebfeder aller ſeiner Handlungen war
ein unbaͤndiger Stolz, ohne Religion; ſteifer Naturalismus
und blindes Schickſal ſchienen ſeine Fuͤhrer zu ſeyn. Die
Menſchenliebe, dieſes ſchoͤne Gotteskind, war ihm unbekannt,
er liebte nichts als ſich ſelbſt; der Name Sprachmeiſter war
ihm ein Graͤuel, ob er gleich im Grunde nichts anders vor-
ſtellte, und er fuͤhrte den Charakter als Profeſſor der engliſchen
Litteratur. Die Armuth war ihm eine Hoͤlle, und doch war
er hoͤchſt arm; denn als ehemaliger wohlhabender Kaufmann
hatte er die Rolle des großen Herrn geſpielt, und darauf, wie
leicht zu denken, fallirt. Dieſer Mann hielt ſich damals in
Mannheim auf, und ſchien ihm das Rittersburger
Inſtitut gerade ein Schauplatz zu ſeyn, wo er ſich naͤhren und
Ruhm erwerben koͤnnte. Er hielt deßwegen bei Eiſenhart
an, er moͤchte ihm zu einer Profeſſorsſtelle an der Ritters-
burger Akademie helfen; Eiſenhart, der freilich die Brauch-
barkeit dieſes Mannes, aber auch ſeinen gefaͤhrlichen Charak-
ter kannte, und uͤber das alles fuͤr noͤthig hielt, mit der Gnade
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/384>, abgerufen am 24.11.2024.
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