Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebe der gesammten Universität, der ganzen Dienerschaft, aller
Studirenden und der Stadt; dazu kam noch, daß auch end-
lich seine Treue und sein Fleiß, aller Hindernisse ungeachtet,
zu den Ohren des Churfürsten drang, der ihm dann ohne sein
Wissen, und ganz unentgeldlich das Churfürstliche Hofraths-
patent zuschickte, und ihn seiner Gnade versicherte.

Um diese Zeit starb Herr Friedenberg an der Brust-
wassersucht; Selma hatte ihn noch vorher durch einen sehr
rührenden Brief von Stillings Redlichkeit und von der
gewissen Bezahlung seiner Schulden überzeugt, und so starb
er ruhig und als ein Christ; denn dieß war er im ganzen
Sinn des Worts: Friede sey mit seiner Asche!

Stilling wurde auch zum ordentlichen Mitglied der deut-
schen Gesellschaft in Mannheim aufgenommen, zu welchem
Zweck er alle vierzehn Tage Sonntags, mit seinem Freunde,
dem Herrn Kirchenrath Mieg, hinfuhr. Diese Reisen waren
immer eine sehr angenehme Erholung, und er befand sich wohl
im Zirkel so vieler verehrungswürdiger Männer. Auch wurde
seine Bekanntschaft mit vortrefflichen Personen immer ausge-
breiteter und nützlicher. Hierzu trug noch ein Umstand Vie-
les bei.

Im Jahr 1786 im Herbst feierte die Universität Heidel-
berg
ihr viertes hundertjähriges Jubiläum mit großer Pracht,
und unter dem Zulauf einer großen Menge Menschen aus der
Nähe und aus der Ferne. Nun wurde Stillingen die
feierliche Jubelrede im Namen und von Seiten der staats-
wirthschaftlichen hohen Schule aufgetragen; er arbeitete sie
also wohlbedächtig und ruhig aus, und erfuhr eine Wirkung,
die wenig Beispiele hat, wozu aber auch die Umstände nicht
wenig, und vielleicht das mehrste beitrugen. Alle Reden wur-
den im großen Saal der Universität, und zwar lateinisch gehalten,
dazu war es grimmig kalt, und alle Zuhörer wurden des
ewigen Lateinredens und Promovirens müde. Als nun die
Reihe an Stilling kam, so wurden alle Zuhörer in den
Saal der staatswirthschaftlichen hohen Schule geführt, dieser
war schön, und weil es Abend war, illuminirt und warm.

Liebe der geſammten Univerſitaͤt, der ganzen Dienerſchaft, aller
Studirenden und der Stadt; dazu kam noch, daß auch end-
lich ſeine Treue und ſein Fleiß, aller Hinderniſſe ungeachtet,
zu den Ohren des Churfuͤrſten drang, der ihm dann ohne ſein
Wiſſen, und ganz unentgeldlich das Churfuͤrſtliche Hofraths-
patent zuſchickte, und ihn ſeiner Gnade verſicherte.

Um dieſe Zeit ſtarb Herr Friedenberg an der Bruſt-
waſſerſucht; Selma hatte ihn noch vorher durch einen ſehr
ruͤhrenden Brief von Stillings Redlichkeit und von der
gewiſſen Bezahlung ſeiner Schulden uͤberzeugt, und ſo ſtarb
er ruhig und als ein Chriſt; denn dieß war er im ganzen
Sinn des Worts: Friede ſey mit ſeiner Aſche!

Stilling wurde auch zum ordentlichen Mitglied der deut-
ſchen Geſellſchaft in Mannheim aufgenommen, zu welchem
Zweck er alle vierzehn Tage Sonntags, mit ſeinem Freunde,
dem Herrn Kirchenrath Mieg, hinfuhr. Dieſe Reiſen waren
immer eine ſehr angenehme Erholung, und er befand ſich wohl
im Zirkel ſo vieler verehrungswuͤrdiger Maͤnner. Auch wurde
ſeine Bekanntſchaft mit vortrefflichen Perſonen immer ausge-
breiteter und nuͤtzlicher. Hierzu trug noch ein Umſtand Vie-
les bei.

Im Jahr 1786 im Herbſt feierte die Univerſitaͤt Heidel-
berg
ihr viertes hundertjaͤhriges Jubilaͤum mit großer Pracht,
und unter dem Zulauf einer großen Menge Menſchen aus der
Naͤhe und aus der Ferne. Nun wurde Stillingen die
feierliche Jubelrede im Namen und von Seiten der ſtaats-
wirthſchaftlichen hohen Schule aufgetragen; er arbeitete ſie
alſo wohlbedaͤchtig und ruhig aus, und erfuhr eine Wirkung,
die wenig Beiſpiele hat, wozu aber auch die Umſtaͤnde nicht
wenig, und vielleicht das mehrſte beitrugen. Alle Reden wur-
den im großen Saal der Univerſitaͤt, und zwar lateiniſch gehalten,
dazu war es grimmig kalt, und alle Zuhoͤrer wurden des
ewigen Lateinredens und Promovirens muͤde. Als nun die
Reihe an Stilling kam, ſo wurden alle Zuhoͤrer in den
Saal der ſtaatswirthſchaftlichen hohen Schule gefuͤhrt, dieſer
war ſchoͤn, und weil es Abend war, illuminirt und warm.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0430" n="422"/>
Liebe der ge&#x017F;ammten Univer&#x017F;ita&#x0364;t, der ganzen Diener&#x017F;chaft, aller<lb/>
Studirenden und der Stadt; dazu kam noch, daß auch end-<lb/>
lich &#x017F;eine Treue und &#x017F;ein Fleiß, aller Hinderni&#x017F;&#x017F;e ungeachtet,<lb/>
zu den Ohren des Churfu&#x0364;r&#x017F;ten drang, der ihm dann ohne &#x017F;ein<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en, und ganz unentgeldlich das Churfu&#x0364;r&#x017F;tliche Hofraths-<lb/>
patent zu&#x017F;chickte, und ihn &#x017F;einer Gnade ver&#x017F;icherte.</p><lb/>
            <p>Um die&#x017F;e Zeit &#x017F;tarb Herr <hi rendition="#g">Friedenberg</hi> an der Bru&#x017F;t-<lb/>
wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht; <hi rendition="#g">Selma</hi> hatte ihn noch vorher durch einen &#x017F;ehr<lb/>
ru&#x0364;hrenden Brief von <hi rendition="#g">Stillings</hi> Redlichkeit und von der<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Bezahlung &#x017F;einer Schulden u&#x0364;berzeugt, und &#x017F;o &#x017F;tarb<lb/>
er ruhig und als ein Chri&#x017F;t; denn dieß war er im ganzen<lb/>
Sinn des Worts: Friede &#x017F;ey mit &#x017F;einer A&#x017F;che!</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Stilling</hi> wurde auch zum ordentlichen Mitglied der deut-<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft in <hi rendition="#g">Mannheim</hi> aufgenommen, zu welchem<lb/>
Zweck er alle vierzehn Tage Sonntags, mit &#x017F;einem Freunde,<lb/>
dem Herrn Kirchenrath <hi rendition="#g">Mieg</hi>, hinfuhr. Die&#x017F;e Rei&#x017F;en waren<lb/>
immer eine &#x017F;ehr angenehme Erholung, und er befand &#x017F;ich wohl<lb/>
im Zirkel &#x017F;o vieler verehrungswu&#x0364;rdiger Ma&#x0364;nner. Auch wurde<lb/>
&#x017F;eine Bekannt&#x017F;chaft mit vortrefflichen Per&#x017F;onen immer ausge-<lb/>
breiteter und nu&#x0364;tzlicher. Hierzu trug noch ein Um&#x017F;tand Vie-<lb/>
les bei.</p><lb/>
            <p>Im Jahr 1786 im Herb&#x017F;t feierte die Univer&#x017F;ita&#x0364;t <hi rendition="#g">Heidel-<lb/>
berg</hi> ihr viertes hundertja&#x0364;hriges Jubila&#x0364;um mit großer Pracht,<lb/>
und unter dem Zulauf einer großen Menge Men&#x017F;chen aus der<lb/>
Na&#x0364;he und aus der Ferne. Nun wurde <hi rendition="#g">Stillingen</hi> die<lb/>
feierliche Jubelrede im Namen und von Seiten der &#x017F;taats-<lb/>
wirth&#x017F;chaftlichen hohen Schule aufgetragen; er arbeitete &#x017F;ie<lb/>
al&#x017F;o wohlbeda&#x0364;chtig und ruhig aus, und erfuhr eine Wirkung,<lb/>
die wenig Bei&#x017F;piele hat, wozu aber auch die Um&#x017F;ta&#x0364;nde nicht<lb/>
wenig, und vielleicht das mehr&#x017F;te beitrugen. Alle Reden wur-<lb/>
den im großen Saal der Univer&#x017F;ita&#x0364;t, und zwar lateini&#x017F;ch gehalten,<lb/>
dazu war es grimmig kalt, und alle Zuho&#x0364;rer wurden des<lb/>
ewigen Lateinredens und Promovirens mu&#x0364;de. Als nun die<lb/>
Reihe an <hi rendition="#g">Stilling</hi> kam, &#x017F;o wurden alle Zuho&#x0364;rer in den<lb/>
Saal der &#x017F;taatswirth&#x017F;chaftlichen hohen Schule gefu&#x0364;hrt, die&#x017F;er<lb/>
war &#x017F;cho&#x0364;n, und weil es Abend war, illuminirt und warm.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0430] Liebe der geſammten Univerſitaͤt, der ganzen Dienerſchaft, aller Studirenden und der Stadt; dazu kam noch, daß auch end- lich ſeine Treue und ſein Fleiß, aller Hinderniſſe ungeachtet, zu den Ohren des Churfuͤrſten drang, der ihm dann ohne ſein Wiſſen, und ganz unentgeldlich das Churfuͤrſtliche Hofraths- patent zuſchickte, und ihn ſeiner Gnade verſicherte. Um dieſe Zeit ſtarb Herr Friedenberg an der Bruſt- waſſerſucht; Selma hatte ihn noch vorher durch einen ſehr ruͤhrenden Brief von Stillings Redlichkeit und von der gewiſſen Bezahlung ſeiner Schulden uͤberzeugt, und ſo ſtarb er ruhig und als ein Chriſt; denn dieß war er im ganzen Sinn des Worts: Friede ſey mit ſeiner Aſche! Stilling wurde auch zum ordentlichen Mitglied der deut- ſchen Geſellſchaft in Mannheim aufgenommen, zu welchem Zweck er alle vierzehn Tage Sonntags, mit ſeinem Freunde, dem Herrn Kirchenrath Mieg, hinfuhr. Dieſe Reiſen waren immer eine ſehr angenehme Erholung, und er befand ſich wohl im Zirkel ſo vieler verehrungswuͤrdiger Maͤnner. Auch wurde ſeine Bekanntſchaft mit vortrefflichen Perſonen immer ausge- breiteter und nuͤtzlicher. Hierzu trug noch ein Umſtand Vie- les bei. Im Jahr 1786 im Herbſt feierte die Univerſitaͤt Heidel- berg ihr viertes hundertjaͤhriges Jubilaͤum mit großer Pracht, und unter dem Zulauf einer großen Menge Menſchen aus der Naͤhe und aus der Ferne. Nun wurde Stillingen die feierliche Jubelrede im Namen und von Seiten der ſtaats- wirthſchaftlichen hohen Schule aufgetragen; er arbeitete ſie alſo wohlbedaͤchtig und ruhig aus, und erfuhr eine Wirkung, die wenig Beiſpiele hat, wozu aber auch die Umſtaͤnde nicht wenig, und vielleicht das mehrſte beitrugen. Alle Reden wur- den im großen Saal der Univerſitaͤt, und zwar lateiniſch gehalten, dazu war es grimmig kalt, und alle Zuhoͤrer wurden des ewigen Lateinredens und Promovirens muͤde. Als nun die Reihe an Stilling kam, ſo wurden alle Zuhoͤrer in den Saal der ſtaatswirthſchaftlichen hohen Schule gefuͤhrt, dieſer war ſchoͤn, und weil es Abend war, illuminirt und warm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/430
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/430>, abgerufen am 22.11.2024.