sie ertrug diese schrecklichen Schmerzen, ohne einen Laut von sich zu geben, allein es half nicht; sie brauchte Bäder und die Spritztauche, die auch sehr heftig wirkt, allein es kam weiter nichts dabei heraus, als daß sie nun die zweite unzei- tige Niederkunft aushalten mußte, wobei sie wirklich in Le- bensgefahr gerieth, doch aber unter Gottes Beistand durch die angewandten Mittel wieder zurecht gebracht wurde. Nach und nach besserte es sich mit dem Halsziehen in so fern, daß es denn doch erträglicher wurde.
In diesem Frühjahre 1793 trat der Kandidat Coing sein Predigtamt an, indem er bei der reformirten Gemeinde zu Gmünd, einer Stadt im Oberfürstenthum Hessen, fünf Stunden von Marburg, angestellt wurde. Er war etwas über ein halb Jahr in Stillings Haus gewesen; Coing würde auch dann sein Bruder seyn, wenn ihn kein Band der Blutsverwandtschaft an sein Herz knüpfte.
Das Merkwürdigste, was in diesem und dem folgenden Jahr in Stillings Geschichte vorkommt, ist die Heraus- gabe zweier Werke, die eigentlich die Werkzeuge der Entschei- dung seiner Bestimmung geworden sind; nämlich die Scenen aus dem Geisterreich, zwei Bände, und dann das Heim- weh in vier Bänden und dem dazu gehörigen Schlüssel.
Die Scenen aus dem Geisterreich thaten unerwar- tete Wirkung, sie erwarben Stilling ein großes religiöses Publikum -- ich kann ohne Prahlerei, mit Wahrheit sagen: in allen vier Welttheilen; dadurch wurden nun allenthalben die wahren Verehrer Jesu Christi aufs neue aufmerksam auf den Mann, dessen Lebensgeschichte schon Eindruck auf sie gemacht hatte. Die Scenen könnte man wohl die Vor- läufer des Heimwehs nennen: sie machten aufmerksam auf den Verfasser; das Heimweh aber vollendete alles, es entschied ganz allein Stillings Schicksal, wie der Verfolg zeigen wird.
Der Ursprung beider Bücher ist sehr merkwürdig, denn er beweist unwiderlegbar, daß Stilling schlechterdings nichts zu seiner Bestimmung und zur Entscheidung seines Schicksals beigetragen habe; dies ist zwar in seiner ganzen Führung der
ſie ertrug dieſe ſchrecklichen Schmerzen, ohne einen Laut von ſich zu geben, allein es half nicht; ſie brauchte Baͤder und die Spritztauche, die auch ſehr heftig wirkt, allein es kam weiter nichts dabei heraus, als daß ſie nun die zweite unzei- tige Niederkunft aushalten mußte, wobei ſie wirklich in Le- bensgefahr gerieth, doch aber unter Gottes Beiſtand durch die angewandten Mittel wieder zurecht gebracht wurde. Nach und nach beſſerte es ſich mit dem Halsziehen in ſo fern, daß es denn doch ertraͤglicher wurde.
In dieſem Fruͤhjahre 1793 trat der Kandidat Coing ſein Predigtamt an, indem er bei der reformirten Gemeinde zu Gmuͤnd, einer Stadt im Oberfuͤrſtenthum Heſſen, fuͤnf Stunden von Marburg, angeſtellt wurde. Er war etwas uͤber ein halb Jahr in Stillings Haus geweſen; Coing wuͤrde auch dann ſein Bruder ſeyn, wenn ihn kein Band der Blutsverwandtſchaft an ſein Herz knuͤpfte.
Das Merkwuͤrdigſte, was in dieſem und dem folgenden Jahr in Stillings Geſchichte vorkommt, iſt die Heraus- gabe zweier Werke, die eigentlich die Werkzeuge der Entſchei- dung ſeiner Beſtimmung geworden ſind; naͤmlich die Scenen aus dem Geiſterreich, zwei Baͤnde, und dann das Heim- weh in vier Baͤnden und dem dazu gehoͤrigen Schluͤſſel.
Die Scenen aus dem Geiſterreich thaten unerwar- tete Wirkung, ſie erwarben Stilling ein großes religioͤſes Publikum — ich kann ohne Prahlerei, mit Wahrheit ſagen: in allen vier Welttheilen; dadurch wurden nun allenthalben die wahren Verehrer Jeſu Chriſti aufs neue aufmerkſam auf den Mann, deſſen Lebensgeſchichte ſchon Eindruck auf ſie gemacht hatte. Die Scenen koͤnnte man wohl die Vor- laͤufer des Heimwehs nennen: ſie machten aufmerkſam auf den Verfaſſer; das Heimweh aber vollendete alles, es entſchied ganz allein Stillings Schickſal, wie der Verfolg zeigen wird.
Der Urſprung beider Buͤcher iſt ſehr merkwuͤrdig, denn er beweist unwiderlegbar, daß Stilling ſchlechterdings nichts zu ſeiner Beſtimmung und zur Entſcheidung ſeines Schickſals beigetragen habe; dies iſt zwar in ſeiner ganzen Fuͤhrung der
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tige Niederkunft aushalten mußte, wobei ſie wirklich in Le-
bensgefahr gerieth, doch aber unter Gottes Beiſtand durch die
angewandten Mittel wieder zurecht gebracht wurde. Nach und
nach beſſerte es ſich mit dem Halsziehen in ſo fern, daß es
denn doch ertraͤglicher wurde.
In dieſem Fruͤhjahre 1793 trat der Kandidat Coing ſein
Predigtamt an, indem er bei der reformirten Gemeinde zu
Gmuͤnd, einer Stadt im Oberfuͤrſtenthum Heſſen, fuͤnf
Stunden von Marburg, angeſtellt wurde. Er war etwas
uͤber ein halb Jahr in Stillings Haus geweſen; Coing
wuͤrde auch dann ſein Bruder ſeyn, wenn ihn kein Band der
Blutsverwandtſchaft an ſein Herz knuͤpfte.
Das Merkwuͤrdigſte, was in dieſem und dem folgenden
Jahr in Stillings Geſchichte vorkommt, iſt die Heraus-
gabe zweier Werke, die eigentlich die Werkzeuge der Entſchei-
dung ſeiner Beſtimmung geworden ſind; naͤmlich die Scenen
aus dem Geiſterreich, zwei Baͤnde, und dann das Heim-
weh in vier Baͤnden und dem dazu gehoͤrigen Schluͤſſel.
Die Scenen aus dem Geiſterreich thaten unerwar-
tete Wirkung, ſie erwarben Stilling ein großes religioͤſes
Publikum — ich kann ohne Prahlerei, mit Wahrheit ſagen:
in allen vier Welttheilen; dadurch wurden nun allenthalben
die wahren Verehrer Jeſu Chriſti aufs neue aufmerkſam
auf den Mann, deſſen Lebensgeſchichte ſchon Eindruck auf ſie
gemacht hatte. Die Scenen koͤnnte man wohl die Vor-
laͤufer des Heimwehs nennen: ſie machten aufmerkſam
auf den Verfaſſer; das Heimweh aber vollendete alles, es
entſchied ganz allein Stillings Schickſal, wie der Verfolg
zeigen wird.
Der Urſprung beider Buͤcher iſt ſehr merkwuͤrdig, denn er
beweist unwiderlegbar, daß Stilling ſchlechterdings nichts
zu ſeiner Beſtimmung und zur Entſcheidung ſeines Schickſals
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/489>, abgerufen am 22.11.2024.
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