Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

gung an und erwiederte: Liebster Herr Hofrath! hören Sie
auf, sich zu verbergen, ich bin lang und hart genug geprüft
worden, ich dächte doch, Sie kennten mich schon!

Still. Liebster Herr ....! ich bezeuge Ihnen bei dem le-
bendigen Gott, daß ich in keiner geheimen Verbindung stehe
und wahrlich nichts von dem Allem begreife, was Sie von
mir erwarten.

Diese Aeußerung war zu stark und zu ernstlich, als daß
sie den Fremden hätte in Ungewißheit lassen können; jetzt war
nun die Reihe an ihm, zu staunen und sich zu verwundern,
er fuhr also fort: Aber so sagen Sie mir doch, woher wissen
Sie denn etwas von der großen und ehrwürdigen Verbindung
im Orient, die sie im Heimweh so umständlich beschrieben,
und sogar ihre Versammlungshäuser in Egypten, auf dem
Berge Sinai, im Kloster Canobin und unter dem Tem-
pel zu Jerusalem genau bestimmt haben?

Still. Von dem allem weiß ich ganz und gar nichts,
sondern diese Ideen und Vorstellungen kamen mir sehr lebhaft
in die Imagination. Es ist also blos Fiction, pure Erdichtung.

Er. Verzeihen Sie! -- die Sache verhält sich in der
That und Wahrheit so -- es ist unbegreiflich -- erstaunlich,
daß sie das so getroffen haben. Nein! -- das kommt nicht
von ungefähr! --

Jetzt erzählte nun dieser Herr die wahren Umstände von
der Verbindung im Orient. Stilling staunte und wun-
derte sich aus der Maßen, denn er hörte merkwürdige und
außerordentliche Dinge, die aber nicht von der Art sind, daß
sie öffentlich bekannt gemacht werden dürfen; nur so viel
betheure ich bei der höchsten Wahrheit, daß das-
jenige, was Stilling von diesem Herrn erfuhr,
nicht auf die entfernteste Art Beziehung auf po-
litische Verhältnisse hat
.

Um die nämliche Zeit schrieb auch ein gewisser großer Fürst
an ihn und fragte ihn: woher er doch Etwas von der
Verbindung im Orient wisse? denn die Sache ver-
halte sich so, wie er sie im Heimweh beschrieben

gung an und erwiederte: Liebſter Herr Hofrath! hoͤren Sie
auf, ſich zu verbergen, ich bin lang und hart genug gepruͤft
worden, ich daͤchte doch, Sie kennten mich ſchon!

Still. Liebſter Herr ....! ich bezeuge Ihnen bei dem le-
bendigen Gott, daß ich in keiner geheimen Verbindung ſtehe
und wahrlich nichts von dem Allem begreife, was Sie von
mir erwarten.

Dieſe Aeußerung war zu ſtark und zu ernſtlich, als daß
ſie den Fremden haͤtte in Ungewißheit laſſen koͤnnen; jetzt war
nun die Reihe an ihm, zu ſtaunen und ſich zu verwundern,
er fuhr alſo fort: Aber ſo ſagen Sie mir doch, woher wiſſen
Sie denn etwas von der großen und ehrwuͤrdigen Verbindung
im Orient, die ſie im Heimweh ſo umſtaͤndlich beſchrieben,
und ſogar ihre Verſammlungshaͤuſer in Egypten, auf dem
Berge Sinai, im Kloſter Canobin und unter dem Tem-
pel zu Jeruſalem genau beſtimmt haben?

Still. Von dem allem weiß ich ganz und gar nichts,
ſondern dieſe Ideen und Vorſtellungen kamen mir ſehr lebhaft
in die Imagination. Es iſt alſo blos Fiction, pure Erdichtung.

Er. Verzeihen Sie! — die Sache verhaͤlt ſich in der
That und Wahrheit ſo — es iſt unbegreiflich — erſtaunlich,
daß ſie das ſo getroffen haben. Nein! — das kommt nicht
von ungefaͤhr! —

Jetzt erzaͤhlte nun dieſer Herr die wahren Umſtaͤnde von
der Verbindung im Orient. Stilling ſtaunte und wun-
derte ſich aus der Maßen, denn er hoͤrte merkwuͤrdige und
außerordentliche Dinge, die aber nicht von der Art ſind, daß
ſie oͤffentlich bekannt gemacht werden duͤrfen; nur ſo viel
betheure ich bei der hoͤchſten Wahrheit, daß das-
jenige, was Stilling von dieſem Herrn erfuhr,
nicht auf die entfernteſte Art Beziehung auf po-
litiſche Verhaͤltniſſe hat
.

Um die naͤmliche Zeit ſchrieb auch ein gewiſſer großer Fuͤrſt
an ihn und fragte ihn: woher er doch Etwas von der
Verbindung im Orient wiſſe? denn die Sache ver-
halte ſich ſo, wie er ſie im Heimweh beſchrieben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0504" n="496"/>
gung an und erwiederte: Lieb&#x017F;ter Herr Hofrath! ho&#x0364;ren Sie<lb/>
auf, &#x017F;ich zu verbergen, ich bin lang und hart genug gepru&#x0364;ft<lb/>
worden, ich da&#x0364;chte doch, Sie kennten mich &#x017F;chon!</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Still</hi>. Lieb&#x017F;ter Herr ....! ich bezeuge Ihnen bei dem le-<lb/>
bendigen Gott, daß ich in keiner geheimen Verbindung &#x017F;tehe<lb/>
und wahrlich nichts von dem Allem begreife, was Sie von<lb/>
mir erwarten.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Aeußerung war zu &#x017F;tark und zu ern&#x017F;tlich, als daß<lb/>
&#x017F;ie den Fremden ha&#x0364;tte in Ungewißheit la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen; jetzt war<lb/>
nun die Reihe an ihm, zu &#x017F;taunen und &#x017F;ich zu verwundern,<lb/>
er fuhr al&#x017F;o fort: Aber &#x017F;o &#x017F;agen Sie mir doch, woher wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie denn etwas von der großen und ehrwu&#x0364;rdigen Verbindung<lb/>
im Orient, die &#x017F;ie im Heimweh &#x017F;o um&#x017F;ta&#x0364;ndlich be&#x017F;chrieben,<lb/>
und &#x017F;ogar ihre Ver&#x017F;ammlungsha&#x0364;u&#x017F;er in <hi rendition="#g">Egypten</hi>, auf dem<lb/>
Berge <hi rendition="#g">Sinai</hi>, im Klo&#x017F;ter <hi rendition="#g">Canobin</hi> und unter dem Tem-<lb/>
pel zu <hi rendition="#g">Jeru&#x017F;alem</hi> genau be&#x017F;timmt haben?</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Still</hi>. Von dem allem weiß ich ganz und gar nichts,<lb/>
&#x017F;ondern die&#x017F;e Ideen und Vor&#x017F;tellungen kamen mir &#x017F;ehr lebhaft<lb/>
in die Imagination. Es i&#x017F;t al&#x017F;o blos Fiction, pure Erdichtung.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Er</hi>. Verzeihen Sie! &#x2014; die Sache verha&#x0364;lt &#x017F;ich in der<lb/>
That und Wahrheit &#x017F;o &#x2014; es i&#x017F;t unbegreiflich &#x2014; er&#x017F;taunlich,<lb/>
daß &#x017F;ie das &#x017F;o getroffen haben. Nein! &#x2014; das kommt nicht<lb/>
von ungefa&#x0364;hr! &#x2014;</p><lb/>
            <p>Jetzt erza&#x0364;hlte nun die&#x017F;er Herr die wahren Um&#x017F;ta&#x0364;nde von<lb/>
der Verbindung im Orient. <hi rendition="#g">Stilling</hi> &#x017F;taunte und wun-<lb/>
derte &#x017F;ich aus der Maßen, denn er ho&#x0364;rte merkwu&#x0364;rdige und<lb/>
außerordentliche Dinge, die aber nicht von der Art &#x017F;ind, daß<lb/>
&#x017F;ie o&#x0364;ffentlich bekannt gemacht werden du&#x0364;rfen; <hi rendition="#g">nur &#x017F;o viel<lb/>
betheure ich bei der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Wahrheit, daß das-<lb/>
jenige, was Stilling von die&#x017F;em Herrn erfuhr,<lb/>
nicht auf die entfernte&#x017F;te Art Beziehung auf po-<lb/>
liti&#x017F;che Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e hat</hi>.</p><lb/>
            <p>Um die na&#x0364;mliche Zeit &#x017F;chrieb auch ein gewi&#x017F;&#x017F;er großer Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
an ihn und fragte ihn: <hi rendition="#g">woher er doch Etwas von der<lb/>
Verbindung im Orient wi&#x017F;&#x017F;e? denn die Sache ver-<lb/>
halte &#x017F;ich &#x017F;o, wie er &#x017F;ie im Heimweh be&#x017F;chrieben<lb/></hi></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0504] gung an und erwiederte: Liebſter Herr Hofrath! hoͤren Sie auf, ſich zu verbergen, ich bin lang und hart genug gepruͤft worden, ich daͤchte doch, Sie kennten mich ſchon! Still. Liebſter Herr ....! ich bezeuge Ihnen bei dem le- bendigen Gott, daß ich in keiner geheimen Verbindung ſtehe und wahrlich nichts von dem Allem begreife, was Sie von mir erwarten. Dieſe Aeußerung war zu ſtark und zu ernſtlich, als daß ſie den Fremden haͤtte in Ungewißheit laſſen koͤnnen; jetzt war nun die Reihe an ihm, zu ſtaunen und ſich zu verwundern, er fuhr alſo fort: Aber ſo ſagen Sie mir doch, woher wiſſen Sie denn etwas von der großen und ehrwuͤrdigen Verbindung im Orient, die ſie im Heimweh ſo umſtaͤndlich beſchrieben, und ſogar ihre Verſammlungshaͤuſer in Egypten, auf dem Berge Sinai, im Kloſter Canobin und unter dem Tem- pel zu Jeruſalem genau beſtimmt haben? Still. Von dem allem weiß ich ganz und gar nichts, ſondern dieſe Ideen und Vorſtellungen kamen mir ſehr lebhaft in die Imagination. Es iſt alſo blos Fiction, pure Erdichtung. Er. Verzeihen Sie! — die Sache verhaͤlt ſich in der That und Wahrheit ſo — es iſt unbegreiflich — erſtaunlich, daß ſie das ſo getroffen haben. Nein! — das kommt nicht von ungefaͤhr! — Jetzt erzaͤhlte nun dieſer Herr die wahren Umſtaͤnde von der Verbindung im Orient. Stilling ſtaunte und wun- derte ſich aus der Maßen, denn er hoͤrte merkwuͤrdige und außerordentliche Dinge, die aber nicht von der Art ſind, daß ſie oͤffentlich bekannt gemacht werden duͤrfen; nur ſo viel betheure ich bei der hoͤchſten Wahrheit, daß das- jenige, was Stilling von dieſem Herrn erfuhr, nicht auf die entfernteſte Art Beziehung auf po- litiſche Verhaͤltniſſe hat. Um die naͤmliche Zeit ſchrieb auch ein gewiſſer großer Fuͤrſt an ihn und fragte ihn: woher er doch Etwas von der Verbindung im Orient wiſſe? denn die Sache ver- halte ſich ſo, wie er ſie im Heimweh beſchrieben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/504
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/504>, abgerufen am 11.06.2024.