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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Freilich war das nicht angenehm, allein Stilling ist in
solchen Fällen nicht furchtsam. Vor dem Walde stieg er um
der bösen Wege Willen aus, und ging voraus zu Fuß: denn
diese fürchtete er mehr als aller Welt Zinngießer oder Kupfer-
schmiede. Der Wald war voller Holzarbeiter, kein Räuber
ließ sich hören oder sehen.

In Buzbach fand Stilling bei seiner Ankunft des
Abends seinen guten, treuen Schwiegersohn Schwarz; beide
blieben die Nacht bei dem Oberförster Beck, dessen Schwie-
gervater Stilling des andern Morgens vom Staar befreite,
dann gingen sie zusammen nach Münster, wo sie die theure
Elise und alle Lieben, den Umständen nach wohl antrafen.

Nach einem ruhigen und erquickenden Aufenthalt von sechs
Tagen, trat Stilling mit den Seinigen wieder die Heim-
reise an; Schwarz begleitete sie bis Buzbach; es war
Montags den 14ten Oktober. Hier gab es einen kleinen
Aufenthalt, es wurde bei dem Oberförster gefrühstückt, und
Schwarz ging, um Etwas zu besorgen; auf einmal kam er
gelaufen, als Stilling eben in die Kutsche steigen wollte,
und rief: Lieber Vater! Lavater ist geschossen wor-
den, und schwer verwundet
! -- Wie ein Blitz und
Donnerschlag fuhr diese Nachricht durch Stillings ganzes
Wesen, er that einen lauten Schrei, und die Thränen schoßen
ihm die Wangen herab. Bei allem Schmerz und Mitleid
spürte er doch innerlich eine tiefe Beruhigung und Ergebung
in den Willen Gottes, und der merkwürdige Umstand seiner
eingetroffenen Ahnung gab ihm eine ungemein starke Zuversicht,
daß der Herr hier heilsame Absichten bezwecke; jetzt wurde
nun die Reise fortgesetzt, und sie kamen des Abends glücklich
nach Marburg.



Das letzte Jahr des achtzehnten Jahrhunderts, 1800, wälzte
sich in Ansehung Stillings hoch her und schwerfällig in
seiner Sphäre herum, ob ihm gleich nichts besonders Merk-
würdiges in demselben begegnete. In den Osterferien mußte
er wieder eine Reise nach Frankfurt, Offenbach und

Freilich war das nicht angenehm, allein Stilling iſt in
ſolchen Faͤllen nicht furchtſam. Vor dem Walde ſtieg er um
der boͤſen Wege Willen aus, und ging voraus zu Fuß: denn
dieſe fuͤrchtete er mehr als aller Welt Zinngießer oder Kupfer-
ſchmiede. Der Wald war voller Holzarbeiter, kein Raͤuber
ließ ſich hoͤren oder ſehen.

In Buzbach fand Stilling bei ſeiner Ankunft des
Abends ſeinen guten, treuen Schwiegerſohn Schwarz; beide
blieben die Nacht bei dem Oberfoͤrſter Beck, deſſen Schwie-
gervater Stilling des andern Morgens vom Staar befreite,
dann gingen ſie zuſammen nach Muͤnſter, wo ſie die theure
Eliſe und alle Lieben, den Umſtaͤnden nach wohl antrafen.

Nach einem ruhigen und erquickenden Aufenthalt von ſechs
Tagen, trat Stilling mit den Seinigen wieder die Heim-
reiſe an; Schwarz begleitete ſie bis Buzbach; es war
Montags den 14ten Oktober. Hier gab es einen kleinen
Aufenthalt, es wurde bei dem Oberfoͤrſter gefruͤhſtuͤckt, und
Schwarz ging, um Etwas zu beſorgen; auf einmal kam er
gelaufen, als Stilling eben in die Kutſche ſteigen wollte,
und rief: Lieber Vater! Lavater iſt geſchoſſen wor-
den, und ſchwer verwundet
! — Wie ein Blitz und
Donnerſchlag fuhr dieſe Nachricht durch Stillings ganzes
Weſen, er that einen lauten Schrei, und die Thraͤnen ſchoßen
ihm die Wangen herab. Bei allem Schmerz und Mitleid
ſpuͤrte er doch innerlich eine tiefe Beruhigung und Ergebung
in den Willen Gottes, und der merkwuͤrdige Umſtand ſeiner
eingetroffenen Ahnung gab ihm eine ungemein ſtarke Zuverſicht,
daß der Herr hier heilſame Abſichten bezwecke; jetzt wurde
nun die Reiſe fortgeſetzt, und ſie kamen des Abends gluͤcklich
nach Marburg.



Das letzte Jahr des achtzehnten Jahrhunderts, 1800, waͤlzte
ſich in Anſehung Stillings hoch her und ſchwerfaͤllig in
ſeiner Sphaͤre herum, ob ihm gleich nichts beſonders Merk-
wuͤrdiges in demſelben begegnete. In den Oſterferien mußte
er wieder eine Reiſe nach Frankfurt, Offenbach und

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[518/0526] Freilich war das nicht angenehm, allein Stilling iſt in ſolchen Faͤllen nicht furchtſam. Vor dem Walde ſtieg er um der boͤſen Wege Willen aus, und ging voraus zu Fuß: denn dieſe fuͤrchtete er mehr als aller Welt Zinngießer oder Kupfer- ſchmiede. Der Wald war voller Holzarbeiter, kein Raͤuber ließ ſich hoͤren oder ſehen. In Buzbach fand Stilling bei ſeiner Ankunft des Abends ſeinen guten, treuen Schwiegerſohn Schwarz; beide blieben die Nacht bei dem Oberfoͤrſter Beck, deſſen Schwie- gervater Stilling des andern Morgens vom Staar befreite, dann gingen ſie zuſammen nach Muͤnſter, wo ſie die theure Eliſe und alle Lieben, den Umſtaͤnden nach wohl antrafen. Nach einem ruhigen und erquickenden Aufenthalt von ſechs Tagen, trat Stilling mit den Seinigen wieder die Heim- reiſe an; Schwarz begleitete ſie bis Buzbach; es war Montags den 14ten Oktober. Hier gab es einen kleinen Aufenthalt, es wurde bei dem Oberfoͤrſter gefruͤhſtuͤckt, und Schwarz ging, um Etwas zu beſorgen; auf einmal kam er gelaufen, als Stilling eben in die Kutſche ſteigen wollte, und rief: Lieber Vater! Lavater iſt geſchoſſen wor- den, und ſchwer verwundet! — Wie ein Blitz und Donnerſchlag fuhr dieſe Nachricht durch Stillings ganzes Weſen, er that einen lauten Schrei, und die Thraͤnen ſchoßen ihm die Wangen herab. Bei allem Schmerz und Mitleid ſpuͤrte er doch innerlich eine tiefe Beruhigung und Ergebung in den Willen Gottes, und der merkwuͤrdige Umſtand ſeiner eingetroffenen Ahnung gab ihm eine ungemein ſtarke Zuverſicht, daß der Herr hier heilſame Abſichten bezwecke; jetzt wurde nun die Reiſe fortgeſetzt, und ſie kamen des Abends gluͤcklich nach Marburg. Das letzte Jahr des achtzehnten Jahrhunderts, 1800, waͤlzte ſich in Anſehung Stillings hoch her und ſchwerfaͤllig in ſeiner Sphaͤre herum, ob ihm gleich nichts beſonders Merk- wuͤrdiges in demſelben begegnete. In den Oſterferien mußte er wieder eine Reiſe nach Frankfurt, Offenbach und

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/526>, abgerufen am 22.11.2024.