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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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das mit einander verbinden? -- Und nun über das Alles noch
eine Schuldenlast von sechzehn bis siebenzehnhundert
Gulden -- womit sollte diese Summe bezahlt werden? --
Nun kam noch dazu, daß

3) Stillings Lehramt, aus oben schon einmal angeführ-
ten Ursachen, immer unfruchtbarer, und sein Hörsaal immer
leer wurde; da half weder sein bekannter lebhafter Vortrag,
noch ehemals so beliebte Deutlichkeit, noch fließende Beredt-
samkeit -- kurz -- das Kameralstudium fing in Marburg
an, aus der Mode zu kommen, und dann nahm auch die
Anzahl der Studirenden, aus allgemein bekannten Ursachen in
allen Fakultäten ab, und dieser unfruchtbare, immer rückwärts
gehende Beruf war es denn doch, für den Stilling besoldet
wurde, und ohne den er schlechterdings nicht leben konnte.

Zu dem Allem kam nun noch die drückende Forderung des
Gewissens: der rechtschaffene Mann, geschweige der
wahre Christ, müsse Amt und Besoldung in die
Hände seines Fürsten niederlegen, sobald er es
nicht mehr pflichtmäßig verwalten könne; und
wenn dieses auch seine Schuld nicht wäre, so sey
er doch dazu verbunden
. Diese Forderung, die kein So-
phist aus Stillings Gewissen heraus demonstriren kann,
machte ihm angst und bange, und doch konnte er ihr nicht
Folge leisten, er war wie an Händen und Füßen gebunden.

Jetzt frage ich jeden vernünftigen Leser: wie war da an
eine wahrscheinliche Auskunft, ein Rettungsmittel zu denken? --
in der gegenwärtigen Verfassung seiner Haushaltung brauchte
er über zweitausend Gulden, ohne damit Schulden abtragen
zu können.

Diese mußte ihm entweder der Kurfürst von Hessen geben,
und ihn zugleich von seinem Lehramt entlassen, oder

Ein fremder Fürst mußte Stilling mit einer Besoldung
von zweitausend Gulden als Augenarzt und religiösen Schrift-
steller berufen.

Dies waren die einzigen an sich denkbaren Wege, um aus
dieser Lage heraus zu kommen.

Wer nur einigermaßen die kurhessische Verfassung kennt,

das mit einander verbinden? — Und nun uͤber das Alles noch
eine Schuldenlaſt von ſechzehn bis ſiebenzehnhundert
Gulden — womit ſollte dieſe Summe bezahlt werden? —
Nun kam noch dazu, daß

3) Stillings Lehramt, aus oben ſchon einmal angefuͤhr-
ten Urſachen, immer unfruchtbarer, und ſein Hoͤrſaal immer
leer wurde; da half weder ſein bekannter lebhafter Vortrag,
noch ehemals ſo beliebte Deutlichkeit, noch fließende Beredt-
ſamkeit — kurz — das Kameralſtudium fing in Marburg
an, aus der Mode zu kommen, und dann nahm auch die
Anzahl der Studirenden, aus allgemein bekannten Urſachen in
allen Fakultaͤten ab, und dieſer unfruchtbare, immer ruͤckwaͤrts
gehende Beruf war es denn doch, fuͤr den Stilling beſoldet
wurde, und ohne den er ſchlechterdings nicht leben konnte.

Zu dem Allem kam nun noch die druͤckende Forderung des
Gewiſſens: der rechtſchaffene Mann, geſchweige der
wahre Chriſt, muͤſſe Amt und Beſoldung in die
Haͤnde ſeines Fuͤrſten niederlegen, ſobald er es
nicht mehr pflichtmaͤßig verwalten koͤnne; und
wenn dieſes auch ſeine Schuld nicht waͤre, ſo ſey
er doch dazu verbunden
. Dieſe Forderung, die kein So-
phiſt aus Stillings Gewiſſen heraus demonſtriren kann,
machte ihm angſt und bange, und doch konnte er ihr nicht
Folge leiſten, er war wie an Haͤnden und Fuͤßen gebunden.

Jetzt frage ich jeden vernuͤnftigen Leſer: wie war da an
eine wahrſcheinliche Auskunft, ein Rettungsmittel zu denken? —
in der gegenwaͤrtigen Verfaſſung ſeiner Haushaltung brauchte
er uͤber zweitauſend Gulden, ohne damit Schulden abtragen
zu koͤnnen.

Dieſe mußte ihm entweder der Kurfuͤrſt von Heſſen geben,
und ihn zugleich von ſeinem Lehramt entlaſſen, oder

Ein fremder Fuͤrſt mußte Stilling mit einer Beſoldung
von zweitauſend Gulden als Augenarzt und religioͤſen Schrift-
ſteller berufen.

Dies waren die einzigen an ſich denkbaren Wege, um aus
dieſer Lage heraus zu kommen.

Wer nur einigermaßen die kurheſſiſche Verfaſſung kennt,

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[525/0533] das mit einander verbinden? — Und nun uͤber das Alles noch eine Schuldenlaſt von ſechzehn bis ſiebenzehnhundert Gulden — womit ſollte dieſe Summe bezahlt werden? — Nun kam noch dazu, daß 3) Stillings Lehramt, aus oben ſchon einmal angefuͤhr- ten Urſachen, immer unfruchtbarer, und ſein Hoͤrſaal immer leer wurde; da half weder ſein bekannter lebhafter Vortrag, noch ehemals ſo beliebte Deutlichkeit, noch fließende Beredt- ſamkeit — kurz — das Kameralſtudium fing in Marburg an, aus der Mode zu kommen, und dann nahm auch die Anzahl der Studirenden, aus allgemein bekannten Urſachen in allen Fakultaͤten ab, und dieſer unfruchtbare, immer ruͤckwaͤrts gehende Beruf war es denn doch, fuͤr den Stilling beſoldet wurde, und ohne den er ſchlechterdings nicht leben konnte. Zu dem Allem kam nun noch die druͤckende Forderung des Gewiſſens: der rechtſchaffene Mann, geſchweige der wahre Chriſt, muͤſſe Amt und Beſoldung in die Haͤnde ſeines Fuͤrſten niederlegen, ſobald er es nicht mehr pflichtmaͤßig verwalten koͤnne; und wenn dieſes auch ſeine Schuld nicht waͤre, ſo ſey er doch dazu verbunden. Dieſe Forderung, die kein So- phiſt aus Stillings Gewiſſen heraus demonſtriren kann, machte ihm angſt und bange, und doch konnte er ihr nicht Folge leiſten, er war wie an Haͤnden und Fuͤßen gebunden. Jetzt frage ich jeden vernuͤnftigen Leſer: wie war da an eine wahrſcheinliche Auskunft, ein Rettungsmittel zu denken? — in der gegenwaͤrtigen Verfaſſung ſeiner Haushaltung brauchte er uͤber zweitauſend Gulden, ohne damit Schulden abtragen zu koͤnnen. Dieſe mußte ihm entweder der Kurfuͤrſt von Heſſen geben, und ihn zugleich von ſeinem Lehramt entlaſſen, oder Ein fremder Fuͤrſt mußte Stilling mit einer Beſoldung von zweitauſend Gulden als Augenarzt und religioͤſen Schrift- ſteller berufen. Dies waren die einzigen an ſich denkbaren Wege, um aus dieſer Lage heraus zu kommen. Wer nur einigermaßen die kurheſſiſche Verfaſſung kennt,

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/533>, abgerufen am 22.11.2024.