Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

ma's, aber nicht des Herrn Plan: denn der Hauptstock wurde
nicht durch die Besoldung, sondern aus der Kasse der Vor-
sehung bezahlt. Die Absicht des Herrn bei dem Zug nach
Marburg war keine andere, als ihn vor dem Unglück und
den Schrecken des Kriegs zu bewahren, und in Sicherheit zu
bringen, und dann seine dreißigjährige unerschütterliche Stand-
haftigkeit im Vertrauen auf seine Hülfe, auch dann, wann
es am dunkelsten aussahe, und in einem Lande, welches durch
den Krieg am mehresten ausgesogen war, auf eine eklatante,
auf eine solche Weise zu krönen, so daß Jedermann bekennen
muß: Das hat der Herr gethan!

Sollte Jemand Etwas dabei zu erinnern haben, daß ich
sage, es sey des Herru Plan gewesen, Stillingen vor den
Schrecken des Kriegs zu bewahren, da es ja weit bessere
Menschen gäbe, die den Krieg hätten aushalten müssen, so
dient einem solchen zur dienstwilligen Antwort: daß ein
guter Hirte die schwächsten Schafe, die am we-
nigsten aushalten können, am ersten und sorgfäl-
tigsten für Sturm und Ungewitter verbirgt
.

Wenn die Vorsehung Etwas ausführen will, so thut sie
es nicht halb, sondern ganz. Stilling war in Straß-
burg
, als er dort studirte, einem Freund zwischen 40 bis
50 Gulden schuldig geblieben, der Freund trieb nicht auf die
Bezahlung, und Stilling hatte auch mit der übrigen Schul-
denlast so viel zu thun, daß er froh war, wenn ihn ein Kre-
ditor in Ruhe ließ. Dieß ging so fort bis zur französischen
Revolution, wo es überall, auch in Straßburg, drunter
und drüber ging; nun kam auch noch der Krieg dazu, wo-
durch die Communication zwischen Deutschland und Frank-
reich vollends erschwert wurde; und da auch Stilling noch
andere und drückendere Schulden hatte, so dachte er an die-
sen Posten nicht mehr, aber sein himmlischer Führer, der
durchaus und vollkommen gerecht ist, dachte allerdings daran,
denn alsofort, nach Stillings Reise in die Schweiz, kommt
ein Freund zum Bruder des längst verstorbenen Straßbur-
ger
Kreditors, und bezahlt nicht allein das Kapitälchen, son-
dern auch die Interessen von dreißig Jahren, so daß also

ma’s, aber nicht des Herrn Plan: denn der Hauptſtock wurde
nicht durch die Beſoldung, ſondern aus der Kaſſe der Vor-
ſehung bezahlt. Die Abſicht des Herrn bei dem Zug nach
Marburg war keine andere, als ihn vor dem Ungluͤck und
den Schrecken des Kriegs zu bewahren, und in Sicherheit zu
bringen, und dann ſeine dreißigjaͤhrige unerſchuͤtterliche Stand-
haftigkeit im Vertrauen auf ſeine Huͤlfe, auch dann, wann
es am dunkelſten ausſahe, und in einem Lande, welches durch
den Krieg am mehreſten ausgeſogen war, auf eine eklatante,
auf eine ſolche Weiſe zu kroͤnen, ſo daß Jedermann bekennen
muß: Das hat der Herr gethan!

Sollte Jemand Etwas dabei zu erinnern haben, daß ich
ſage, es ſey des Herru Plan geweſen, Stillingen vor den
Schrecken des Kriegs zu bewahren, da es ja weit beſſere
Menſchen gaͤbe, die den Krieg haͤtten aushalten muͤſſen, ſo
dient einem ſolchen zur dienſtwilligen Antwort: daß ein
guter Hirte die ſchwaͤchſten Schafe, die am we-
nigſten aushalten koͤnnen, am erſten und ſorgfaͤl-
tigſten fuͤr Sturm und Ungewitter verbirgt
.

Wenn die Vorſehung Etwas ausfuͤhren will, ſo thut ſie
es nicht halb, ſondern ganz. Stilling war in Straß-
burg
, als er dort ſtudirte, einem Freund zwiſchen 40 bis
50 Gulden ſchuldig geblieben, der Freund trieb nicht auf die
Bezahlung, und Stilling hatte auch mit der uͤbrigen Schul-
denlaſt ſo viel zu thun, daß er froh war, wenn ihn ein Kre-
ditor in Ruhe ließ. Dieß ging ſo fort bis zur franzoͤſiſchen
Revolution, wo es uͤberall, auch in Straßburg, drunter
und druͤber ging; nun kam auch noch der Krieg dazu, wo-
durch die Communication zwiſchen Deutſchland und Frank-
reich vollends erſchwert wurde; und da auch Stilling noch
andere und druͤckendere Schulden hatte, ſo dachte er an die-
ſen Poſten nicht mehr, aber ſein himmliſcher Fuͤhrer, der
durchaus und vollkommen gerecht iſt, dachte allerdings daran,
denn alſofort, nach Stillings Reiſe in die Schweiz, kommt
ein Freund zum Bruder des laͤngſt verſtorbenen Straßbur-
ger
Kreditors, und bezahlt nicht allein das Kapitaͤlchen, ſon-
dern auch die Intereſſen von dreißig Jahren, ſo daß alſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0549" n="541"/>
ma</hi>&#x2019;s, aber nicht des Herrn Plan: denn der Haupt&#x017F;tock wurde<lb/>
nicht durch die Be&#x017F;oldung, &#x017F;ondern aus der Ka&#x017F;&#x017F;e der Vor-<lb/>
&#x017F;ehung bezahlt. Die Ab&#x017F;icht des Herrn bei dem Zug nach<lb/><hi rendition="#g">Marburg</hi> war keine andere, als ihn vor dem Unglu&#x0364;ck und<lb/>
den Schrecken des Kriegs zu bewahren, und in Sicherheit zu<lb/>
bringen, und dann &#x017F;eine dreißigja&#x0364;hrige uner&#x017F;chu&#x0364;tterliche Stand-<lb/>
haftigkeit im Vertrauen auf &#x017F;eine Hu&#x0364;lfe, auch dann, wann<lb/>
es am dunkel&#x017F;ten aus&#x017F;ahe, und in einem Lande, welches durch<lb/>
den Krieg am mehre&#x017F;ten ausge&#x017F;ogen war, auf eine eklatante,<lb/>
auf eine &#x017F;olche Wei&#x017F;e zu kro&#x0364;nen, &#x017F;o daß Jedermann bekennen<lb/>
muß: <hi rendition="#g">Das hat der Herr gethan</hi>!</p><lb/>
            <p>Sollte Jemand Etwas dabei zu erinnern haben, daß ich<lb/>
&#x017F;age, es &#x017F;ey des Herru Plan gewe&#x017F;en, <hi rendition="#g">Stillingen</hi> vor den<lb/>
Schrecken des Kriegs zu bewahren, da es ja weit be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Men&#x017F;chen ga&#x0364;be, die den Krieg ha&#x0364;tten aushalten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o<lb/>
dient einem &#x017F;olchen zur dien&#x017F;twilligen Antwort: <hi rendition="#g">daß ein<lb/>
guter Hirte die &#x017F;chwa&#x0364;ch&#x017F;ten Schafe, die am we-<lb/>
nig&#x017F;ten aushalten ko&#x0364;nnen, am er&#x017F;ten und &#x017F;orgfa&#x0364;l-<lb/>
tig&#x017F;ten fu&#x0364;r Sturm und Ungewitter verbirgt</hi>.</p><lb/>
            <p>Wenn die Vor&#x017F;ehung Etwas ausfu&#x0364;hren will, &#x017F;o thut &#x017F;ie<lb/>
es nicht halb, &#x017F;ondern ganz. <hi rendition="#g">Stilling</hi> war in <hi rendition="#g">Straß-<lb/>
burg</hi>, als er dort &#x017F;tudirte, einem Freund zwi&#x017F;chen 40 bis<lb/>
50 Gulden &#x017F;chuldig geblieben, der Freund trieb nicht auf die<lb/>
Bezahlung, und <hi rendition="#g">Stilling</hi> hatte auch mit der u&#x0364;brigen Schul-<lb/>
denla&#x017F;t &#x017F;o viel zu thun, daß er froh war, wenn ihn ein Kre-<lb/>
ditor in Ruhe ließ. Dieß ging &#x017F;o fort bis zur franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Revolution, wo es u&#x0364;berall, auch in <hi rendition="#g">Straßburg</hi>, drunter<lb/>
und dru&#x0364;ber ging; nun kam auch noch der Krieg dazu, wo-<lb/>
durch die Communication zwi&#x017F;chen Deut&#x017F;chland und Frank-<lb/>
reich vollends er&#x017F;chwert wurde; und da auch <hi rendition="#g">Stilling</hi> noch<lb/>
andere und dru&#x0364;ckendere Schulden hatte, &#x017F;o dachte er an die-<lb/>
&#x017F;en Po&#x017F;ten nicht mehr, aber &#x017F;ein himmli&#x017F;cher Fu&#x0364;hrer, der<lb/>
durchaus und vollkommen gerecht i&#x017F;t, dachte allerdings daran,<lb/>
denn al&#x017F;ofort, nach <hi rendition="#g">Stillings</hi> Rei&#x017F;e in die Schweiz, kommt<lb/>
ein Freund zum Bruder des la&#x0364;ng&#x017F;t ver&#x017F;torbenen <hi rendition="#g">Straßbur-<lb/>
ger</hi> Kreditors, und bezahlt nicht allein das Kapita&#x0364;lchen, &#x017F;on-<lb/>
dern auch die Intere&#x017F;&#x017F;en von dreißig Jahren, &#x017F;o daß al&#x017F;o<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[541/0549] ma’s, aber nicht des Herrn Plan: denn der Hauptſtock wurde nicht durch die Beſoldung, ſondern aus der Kaſſe der Vor- ſehung bezahlt. Die Abſicht des Herrn bei dem Zug nach Marburg war keine andere, als ihn vor dem Ungluͤck und den Schrecken des Kriegs zu bewahren, und in Sicherheit zu bringen, und dann ſeine dreißigjaͤhrige unerſchuͤtterliche Stand- haftigkeit im Vertrauen auf ſeine Huͤlfe, auch dann, wann es am dunkelſten ausſahe, und in einem Lande, welches durch den Krieg am mehreſten ausgeſogen war, auf eine eklatante, auf eine ſolche Weiſe zu kroͤnen, ſo daß Jedermann bekennen muß: Das hat der Herr gethan! Sollte Jemand Etwas dabei zu erinnern haben, daß ich ſage, es ſey des Herru Plan geweſen, Stillingen vor den Schrecken des Kriegs zu bewahren, da es ja weit beſſere Menſchen gaͤbe, die den Krieg haͤtten aushalten muͤſſen, ſo dient einem ſolchen zur dienſtwilligen Antwort: daß ein guter Hirte die ſchwaͤchſten Schafe, die am we- nigſten aushalten koͤnnen, am erſten und ſorgfaͤl- tigſten fuͤr Sturm und Ungewitter verbirgt. Wenn die Vorſehung Etwas ausfuͤhren will, ſo thut ſie es nicht halb, ſondern ganz. Stilling war in Straß- burg, als er dort ſtudirte, einem Freund zwiſchen 40 bis 50 Gulden ſchuldig geblieben, der Freund trieb nicht auf die Bezahlung, und Stilling hatte auch mit der uͤbrigen Schul- denlaſt ſo viel zu thun, daß er froh war, wenn ihn ein Kre- ditor in Ruhe ließ. Dieß ging ſo fort bis zur franzoͤſiſchen Revolution, wo es uͤberall, auch in Straßburg, drunter und druͤber ging; nun kam auch noch der Krieg dazu, wo- durch die Communication zwiſchen Deutſchland und Frank- reich vollends erſchwert wurde; und da auch Stilling noch andere und druͤckendere Schulden hatte, ſo dachte er an die- ſen Poſten nicht mehr, aber ſein himmliſcher Fuͤhrer, der durchaus und vollkommen gerecht iſt, dachte allerdings daran, denn alſofort, nach Stillings Reiſe in die Schweiz, kommt ein Freund zum Bruder des laͤngſt verſtorbenen Straßbur- ger Kreditors, und bezahlt nicht allein das Kapitaͤlchen, ſon- dern auch die Intereſſen von dreißig Jahren, ſo daß alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/549
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/549>, abgerufen am 29.05.2024.