reformirte Prediger Breidenstein in Marburg zu ihm, um ihn zu besuchen; Beide redeten über allerhand Sachen, und unter andern auch über jenes Gedicht; es ist artig, sagte Breidenstein, daß Sie des seligen Felix Heß Verspre- chen so schön benutzt haben. Wie so? -- antwortete Stil- ling, was für ein Versprechen? Breidenstein erwiederte: Lavater stand vor etlichen und zwanzig Jahren an Felix Heßens Sterbebette, weinte und sagte: nun stehst du aber nicht an meinem Bette, wenn ich sterbe! -- Heß antwortete: ich werde dich dann abholen! -- Stilling versetzte: Nein, wahrlich! davon habe ich nie ein Wort gehört -- das ist doch sonderbar! -- wo steht das? ich muß es selbst lesen! -- das sollen Sie! sagte Breidenstein, das ist allerdings sonderbar! Des andern Tages schickte er Lavaters vermischte Schriften, in welchen eine kurze Lebens- beschreibung von Felix Heß befindlich ist; da steht nun dies Gespräch genau so, wie es Breidenstein erzählte.
Daß Stilling jene Geschichte nie gehört und gesehen, wenigstens in vielen Jahren nicht daran gedacht hat, wenn er sie auch ehemals gelesen haben sollte, welches ich doch nicht glaube, das kann ich bei der höchsten Wahrheit versichern. Wenn nun also diese sonderbare Sache Zufall ist, so ist er einer der seltesten, die jemals geschehen sind: denn erstlich sagt Heß vor nunmehr ungefähr 30 Jahren, nahe vor seinem Tode, zu Lavater: ich werde dich abholen, wenn du stirbst! -- jetzt, so viele Jahre später, stirbt Lavater -- Stilling entschließt sich, ein Gedicht auf seinen Tod zu machen -- entschließt sich, die Dichtung so zu entwerfen, daß ihn zwei seiner Freunde abholen sollen, und wählt nun auch den Mann dazu, der es ihm vor dreißig Jahren versprochen hatte!!! -- Noch Eins:
Als Stilling in Zürich war, so sagte man ihm, Lava- ter habe noch einen Freund gehabt, mit dem er auf einem noch vertrautern Fuß gestanden habe, als mit Felix Heß, warum er den nicht in seinem Gedicht zu Lavaters Abho- lung gebraucht habe? Stilling fragte: wer denn dieser Freund gewesen sey? Man antwortete ihm: es sey Heinrich Heß
reformirte Prediger Breidenſtein in Marburg zu ihm, um ihn zu beſuchen; Beide redeten uͤber allerhand Sachen, und unter andern auch uͤber jenes Gedicht; es iſt artig, ſagte Breidenſtein, daß Sie des ſeligen Felix Heß Verſpre- chen ſo ſchoͤn benutzt haben. Wie ſo? — antwortete Stil- ling, was fuͤr ein Verſprechen? Breidenſtein erwiederte: Lavater ſtand vor etlichen und zwanzig Jahren an Felix Heßens Sterbebette, weinte und ſagte: nun ſtehſt du aber nicht an meinem Bette, wenn ich ſterbe! — Heß antwortete: ich werde dich dann abholen! — Stilling verſetzte: Nein, wahrlich! davon habe ich nie ein Wort gehoͤrt — das iſt doch ſonderbar! — wo ſteht das? ich muß es ſelbſt leſen! — das ſollen Sie! ſagte Breidenſtein, das iſt allerdings ſonderbar! Des andern Tages ſchickte er Lavaters vermiſchte Schriften, in welchen eine kurze Lebens- beſchreibung von Felix Heß befindlich iſt; da ſteht nun dies Geſpraͤch genau ſo, wie es Breidenſtein erzaͤhlte.
Daß Stilling jene Geſchichte nie gehoͤrt und geſehen, wenigſtens in vielen Jahren nicht daran gedacht hat, wenn er ſie auch ehemals geleſen haben ſollte, welches ich doch nicht glaube, das kann ich bei der hoͤchſten Wahrheit verſichern. Wenn nun alſo dieſe ſonderbare Sache Zufall iſt, ſo iſt er einer der ſelteſten, die jemals geſchehen ſind: denn erſtlich ſagt Heß vor nunmehr ungefaͤhr 30 Jahren, nahe vor ſeinem Tode, zu Lavater: ich werde dich abholen, wenn du ſtirbſt! — jetzt, ſo viele Jahre ſpaͤter, ſtirbt Lavater — Stilling entſchließt ſich, ein Gedicht auf ſeinen Tod zu machen — entſchließt ſich, die Dichtung ſo zu entwerfen, daß ihn zwei ſeiner Freunde abholen ſollen, und waͤhlt nun auch den Mann dazu, der es ihm vor dreißig Jahren verſprochen hatte!!! — Noch Eins:
Als Stilling in Zuͤrich war, ſo ſagte man ihm, Lava- ter habe noch einen Freund gehabt, mit dem er auf einem noch vertrautern Fuß geſtanden habe, als mit Felix Heß, warum er den nicht in ſeinem Gedicht zu Lavaters Abho- lung gebraucht habe? Stilling fragte: wer denn dieſer Freund geweſen ſey? Man antwortete ihm: es ſey Heinrich Heß
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reformirte Prediger Breidenſtein in Marburg zu ihm,
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Breidenſtein, daß Sie des ſeligen Felix Heß Verſpre-
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ling, was fuͤr ein Verſprechen? Breidenſtein erwiederte:
Lavater ſtand vor etlichen und zwanzig Jahren an Felix
Heßens Sterbebette, weinte und ſagte: nun ſtehſt du
aber nicht an meinem Bette, wenn ich ſterbe! —
Heß antwortete: ich werde dich dann abholen! —
Stilling verſetzte: Nein, wahrlich! davon habe ich nie ein
Wort gehoͤrt — das iſt doch ſonderbar! — wo ſteht das? ich
muß es ſelbſt leſen! — das ſollen Sie! ſagte Breidenſtein,
das iſt allerdings ſonderbar! Des andern Tages ſchickte er
Lavaters vermiſchte Schriften, in welchen eine kurze Lebens-
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Geſpraͤch genau ſo, wie es Breidenſtein erzaͤhlte.
Daß Stilling jene Geſchichte nie gehoͤrt und geſehen,
wenigſtens in vielen Jahren nicht daran gedacht hat, wenn er
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glaube, das kann ich bei der hoͤchſten Wahrheit verſichern.
Wenn nun alſo dieſe ſonderbare Sache Zufall iſt, ſo iſt er
einer der ſelteſten, die jemals geſchehen ſind: denn erſtlich ſagt
Heß vor nunmehr ungefaͤhr 30 Jahren, nahe vor ſeinem
Tode, zu Lavater: ich werde dich abholen, wenn du
ſtirbſt! — jetzt, ſo viele Jahre ſpaͤter, ſtirbt Lavater —
Stilling entſchließt ſich, ein Gedicht auf ſeinen Tod zu
machen — entſchließt ſich, die Dichtung ſo zu entwerfen, daß
ihn zwei ſeiner Freunde abholen ſollen, und waͤhlt nun auch
den Mann dazu, der es ihm vor dreißig Jahren verſprochen
hatte!!! — Noch Eins:
Als Stilling in Zuͤrich war, ſo ſagte man ihm, Lava-
ter habe noch einen Freund gehabt, mit dem er auf einem
noch vertrautern Fuß geſtanden habe, als mit Felix Heß,
warum er den nicht in ſeinem Gedicht zu Lavaters Abho-
lung gebraucht habe? Stilling fragte: wer denn dieſer Freund
geweſen ſey? Man antwortete ihm: es ſey Heinrich Heß
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/552>, abgerufen am 22.11.2024.
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