Louisd'or in sein Quartier. Damit war also nicht nur die Reise bezahlt, sondern es blieb auch noch übrig. Es war also der Wille der Vorsehung, daß das Schweizergeld zu einem weit andern Zweck aufbehalten werden sollte.
Während Stillings Aufenthalt in Braunschweig, kam die Gemahlin des Erbgrafen von Stollberg-Wer- nigerode, eine geborne Prinzessin von Schönberg, glück- lich mit einer jungen Gräfin ins Wochenbett; die Eltern hatten Stilling zum Taufpathen des Kindes gewählt, dieß bestärkte nun den Vorsatz, den man schon in Marburg gefaßt hatte, einen kleinen Umweg über Wernigerode zu machen, noch mehr. Dem zu Folge reisten sie Freitags den 9. Oktober von Braunschweig ab, und kamen des Abends an gedachten Ort, auf der hohen Burg, der von alten Zeiten her christlich gesinnten gräflichen Familie an.
Hier waren Stilling und Elise wie im Vorhof des Himmels. Er besuchte auch seine alten Freunde, Superin- tendenten Schmid, Hofrath Fritsche, Rath Benzler, Regierungsrath Blum, und den Sekretair Closse, der sein Lied im Heimweh: "Es wankte ein Wanderer alt und müde", vortrefflich in Musik gesetzt hat. Den Sonn- abend, den Sonntag und den Montag blieben sie bei der gräflichen Familie; ein vornehmer Herr aus Sachsen, der in Geschäften da war, und neben Stilling an der Tafel saß, sagte mit Rührung zu ihm: Wahrlich! man sollte von Zeit zu Zeit hieher reisen, um sich einmal wieder zu erholen und zu stärken -- und gewiß! er hatte Recht: Religion, Wohlstand, Feinheit der Sitte, Froh- sinn, Anstand und völlige Prätensionslosigkeit, bestimmen den Charakter eines jeden Mitglieds dieser edlen Familie.
Bei allem dem wich hier Stillings Schwermuth nicht, sie war kaum auszuhalten.
Dienstag den 13. Oktober nahmen die Reisenden von der Wernigeroder Herrschaft rührenden und dankharen Ab- schied; der Graf ließ sie durch seinen Kutscher mit zwei Pfer- den bis nach Seesen fahren, von da nahm dann Stilling Post auf Gandersheim, wo eine vieljährige Freundin von
Louisd’or in ſein Quartier. Damit war alſo nicht nur die Reiſe bezahlt, ſondern es blieb auch noch uͤbrig. Es war alſo der Wille der Vorſehung, daß das Schweizergeld zu einem weit andern Zweck aufbehalten werden ſollte.
Waͤhrend Stillings Aufenthalt in Braunſchweig, kam die Gemahlin des Erbgrafen von Stollberg-Wer- nigerode, eine geborne Prinzeſſin von Schoͤnberg, gluͤck- lich mit einer jungen Graͤfin ins Wochenbett; die Eltern hatten Stilling zum Taufpathen des Kindes gewaͤhlt, dieß beſtaͤrkte nun den Vorſatz, den man ſchon in Marburg gefaßt hatte, einen kleinen Umweg uͤber Wernigerode zu machen, noch mehr. Dem zu Folge reisten ſie Freitags den 9. Oktober von Braunſchweig ab, und kamen des Abends an gedachten Ort, auf der hohen Burg, der von alten Zeiten her chriſtlich geſinnten graͤflichen Familie an.
Hier waren Stilling und Eliſe wie im Vorhof des Himmels. Er beſuchte auch ſeine alten Freunde, Superin- tendenten Schmid, Hofrath Fritſche, Rath Benzler, Regierungsrath Blum, und den Sekretair Cloſſe, der ſein Lied im Heimweh: „Es wankte ein Wanderer alt und muͤde“, vortrefflich in Muſik geſetzt hat. Den Sonn- abend, den Sonntag und den Montag blieben ſie bei der graͤflichen Familie; ein vornehmer Herr aus Sachſen, der in Geſchaͤften da war, und neben Stilling an der Tafel ſaß, ſagte mit Ruͤhrung zu ihm: Wahrlich! man ſollte von Zeit zu Zeit hieher reiſen, um ſich einmal wieder zu erholen und zu ſtaͤrken — und gewiß! er hatte Recht: Religion, Wohlſtand, Feinheit der Sitte, Froh- ſinn, Anſtand und voͤllige Praͤtenſionsloſigkeit, beſtimmen den Charakter eines jeden Mitglieds dieſer edlen Familie.
Bei allem dem wich hier Stillings Schwermuth nicht, ſie war kaum auszuhalten.
Dienſtag den 13. Oktober nahmen die Reiſenden von der Wernigeroder Herrſchaft ruͤhrenden und dankharen Ab- ſchied; der Graf ließ ſie durch ſeinen Kutſcher mit zwei Pfer- den bis nach Seeſen fahren, von da nahm dann Stilling Poſt auf Gandersheim, wo eine vieljaͤhrige Freundin von
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Louisd’or in ſein Quartier. Damit war alſo nicht nur
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einem weit andern Zweck aufbehalten werden ſollte.
Waͤhrend Stillings Aufenthalt in Braunſchweig,
kam die Gemahlin des Erbgrafen von Stollberg-Wer-
nigerode, eine geborne Prinzeſſin von Schoͤnberg, gluͤck-
lich mit einer jungen Graͤfin ins Wochenbett; die Eltern
hatten Stilling zum Taufpathen des Kindes gewaͤhlt, dieß
beſtaͤrkte nun den Vorſatz, den man ſchon in Marburg
gefaßt hatte, einen kleinen Umweg uͤber Wernigerode zu
machen, noch mehr. Dem zu Folge reisten ſie Freitags den
9. Oktober von Braunſchweig ab, und kamen des Abends
an gedachten Ort, auf der hohen Burg, der von alten Zeiten
her chriſtlich geſinnten graͤflichen Familie an.
Hier waren Stilling und Eliſe wie im Vorhof des
Himmels. Er beſuchte auch ſeine alten Freunde, Superin-
tendenten Schmid, Hofrath Fritſche, Rath Benzler,
Regierungsrath Blum, und den Sekretair Cloſſe, der ſein
Lied im Heimweh: „Es wankte ein Wanderer alt
und muͤde“, vortrefflich in Muſik geſetzt hat. Den Sonn-
abend, den Sonntag und den Montag blieben ſie bei der
graͤflichen Familie; ein vornehmer Herr aus Sachſen, der
in Geſchaͤften da war, und neben Stilling an der Tafel
ſaß, ſagte mit Ruͤhrung zu ihm: Wahrlich! man ſollte
von Zeit zu Zeit hieher reiſen, um ſich einmal
wieder zu erholen und zu ſtaͤrken — und gewiß! er
hatte Recht: Religion, Wohlſtand, Feinheit der Sitte, Froh-
ſinn, Anſtand und voͤllige Praͤtenſionsloſigkeit, beſtimmen den
Charakter eines jeden Mitglieds dieſer edlen Familie.
Bei allem dem wich hier Stillings Schwermuth nicht,
ſie war kaum auszuhalten.
Dienſtag den 13. Oktober nahmen die Reiſenden von der
Wernigeroder Herrſchaft ruͤhrenden und dankharen Ab-
ſchied; der Graf ließ ſie durch ſeinen Kutſcher mit zwei Pfer-
den bis nach Seeſen fahren, von da nahm dann Stilling
Poſt auf Gandersheim, wo eine vieljaͤhrige Freundin von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/556>, abgerufen am 22.11.2024.
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