Das Gedränge der Hülfsbedürftigen war ausserordentlich groß.
Dienstags den 12. April, also am dritten Ostertag, reisten sie unter dem Segen vieler edler Menschen von Herrnhut nach Kleinwelke. Hier wurden noch Einige operirt, und am folgenden Tage fuhren sie nach Dresden, wo sie bis den Sonnabend blieben, und dann ihren Rückweg über Wald- heim, Coldiz, Grimma und Wurzen nach Leipzig nahmen. Die Ursachen dieses Umwegs waren, einige Blinden im Armenhause zu Waldheim, denen der liebevolle Vater der Armen, der Minister von Burgsdorf, gern zu ihrem Ge- sicht helfen wollte, und dann eine freundliche Einladung seiner Kinder von Hopfgarten in Coldiz; hier operirte Stil- ling die letzten Staarblinden auf dieser Reise. Es thut mir wehe, daß ich nicht Allen den lieben vortrefflichen Menschen, die Stilling und Elise so unaussprechlich viele Liebe erzeigt, und mit denen sie sich auf Zeit und Ewigkeit vereinigt haben, hier laut und öffentlich danken kann und da[ß]; allein Jeder sieht ein, daß das aus vielen wichtigen Gründen nicht angeht. Wir wollen das auf die Ewigkeit versparen.
Donnerstags den 21., Nachmittags reisten sie von Leipzig ab, und blieben über Nacht in Weißenfels; den folgenden Tag fuhren sie bis Weimar; und da sie Bestellungen nach dem Herrnhuter Gemeinort Neudietendorf hatten, so machten sie von Erfurt aus einen kleinen Umweg dahin, blie- ben den Sonntag da, und reisten dann des Montags über Gotha nach Eisenach. In Gotha wartete Stilling dem Herzog auf, mit dem er eine kurze interessante Unterredung hatte.
In Eisenach fanden sie ihren lieben Freund von Göchhau- sen wieder besser; mit ihm, seinem Bruder und Schwester, und mit dem würdigen Doctor Müller brachten sie einen ver- gnügten Abend zu, und fuhren dann Dienstags, den 26. April, nach Kassel. Hier ruhten sie nun aus bis Montags den 2. Mai. Bruder Coing kam mit seiner Gattin auch dahin, alle Geschwister waren diese Tage über sehr vergnügt zusammen. Dann reiste Bru- der Coing mit seiner Julie wieder nach Hause, und Stilling und Elise an so eben bemerktem Tage wieder nach Marburg.
Das Gedraͤnge der Huͤlfsbeduͤrftigen war auſſerordentlich groß.
Dienſtags den 12. April, alſo am dritten Oſtertag, reisten ſie unter dem Segen vieler edler Menſchen von Herrnhut nach Kleinwelke. Hier wurden noch Einige operirt, und am folgenden Tage fuhren ſie nach Dresden, wo ſie bis den Sonnabend blieben, und dann ihren Ruͤckweg uͤber Wald- heim, Coldiz, Grimma und Wurzen nach Leipzig nahmen. Die Urſachen dieſes Umwegs waren, einige Blinden im Armenhauſe zu Waldheim, denen der liebevolle Vater der Armen, der Miniſter von Burgsdorf, gern zu ihrem Ge- ſicht helfen wollte, und dann eine freundliche Einladung ſeiner Kinder von Hopfgarten in Coldiz; hier operirte Stil- ling die letzten Staarblinden auf dieſer Reiſe. Es thut mir wehe, daß ich nicht Allen den lieben vortrefflichen Menſchen, die Stilling und Eliſe ſo unausſprechlich viele Liebe erzeigt, und mit denen ſie ſich auf Zeit und Ewigkeit vereinigt haben, hier laut und oͤffentlich danken kann und da[ß]; allein Jeder ſieht ein, daß das aus vielen wichtigen Gruͤnden nicht angeht. Wir wollen das auf die Ewigkeit verſparen.
Donnerſtags den 21., Nachmittags reisten ſie von Leipzig ab, und blieben uͤber Nacht in Weißenfels; den folgenden Tag fuhren ſie bis Weimar; und da ſie Beſtellungen nach dem Herrnhuter Gemeinort Neudietendorf hatten, ſo machten ſie von Erfurt aus einen kleinen Umweg dahin, blie- ben den Sonntag da, und reisten dann des Montags uͤber Gotha nach Eiſenach. In Gotha wartete Stilling dem Herzog auf, mit dem er eine kurze intereſſante Unterredung hatte.
In Eiſenach fanden ſie ihren lieben Freund von Goͤchhau- ſen wieder beſſer; mit ihm, ſeinem Bruder und Schweſter, und mit dem wuͤrdigen Doctor Muͤller brachten ſie einen ver- gnuͤgten Abend zu, und fuhren dann Dienſtags, den 26. April, nach Kaſſel. Hier ruhten ſie nun aus bis Montags den 2. Mai. Bruder Coing kam mit ſeiner Gattin auch dahin, alle Geſchwiſter waren dieſe Tage uͤber ſehr vergnuͤgt zuſammen. Dann reiste Bru- der Coing mit ſeiner Julie wieder nach Hauſe, und Stilling und Eliſe an ſo eben bemerktem Tage wieder nach Marburg.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0583"n="575"/>
Das Gedraͤnge der Huͤlfsbeduͤrftigen war auſſerordentlich groß.</p><lb/><p>Dienſtags den 12. April, alſo am dritten Oſtertag, reisten<lb/>ſie unter dem Segen vieler edler Menſchen von <hirendition="#g">Herrnhut</hi><lb/>
nach <hirendition="#g">Kleinwelke</hi>. Hier wurden noch Einige operirt, und<lb/>
am folgenden Tage fuhren ſie nach <hirendition="#g">Dresden</hi>, wo ſie bis den<lb/>
Sonnabend blieben, und dann ihren Ruͤckweg uͤber <hirendition="#g">Wald-<lb/>
heim, Coldiz, Grimma</hi> und <hirendition="#g">Wurzen</hi> nach <hirendition="#g">Leipzig</hi><lb/>
nahmen. Die Urſachen dieſes Umwegs waren, einige Blinden<lb/>
im Armenhauſe zu <hirendition="#g">Waldheim</hi>, denen der liebevolle Vater<lb/>
der Armen, der Miniſter von <hirendition="#g">Burgsdorf</hi>, gern zu ihrem Ge-<lb/>ſicht helfen wollte, und dann eine freundliche Einladung ſeiner<lb/>
Kinder von <hirendition="#g">Hopfgarten</hi> in <hirendition="#g">Coldiz</hi>; hier operirte <hirendition="#g">Stil-<lb/>
ling</hi> die letzten Staarblinden auf dieſer Reiſe. Es thut mir<lb/>
wehe, daß ich nicht Allen den lieben vortrefflichen Menſchen, die<lb/><hirendition="#g">Stilling</hi> und <hirendition="#g">Eliſe</hi>ſo unausſprechlich viele Liebe erzeigt,<lb/>
und mit denen ſie ſich auf Zeit und Ewigkeit vereinigt haben,<lb/>
hier laut und oͤffentlich danken kann und da<supplied>ß</supplied>; allein Jeder ſieht<lb/>
ein, daß das aus vielen wichtigen Gruͤnden nicht angeht. Wir<lb/>
wollen das auf die Ewigkeit verſparen.</p><lb/><p>Donnerſtags den 21., Nachmittags reisten ſie von <hirendition="#g">Leipzig</hi><lb/>
ab, und blieben uͤber Nacht in <hirendition="#g">Weißenfels</hi>; den folgenden<lb/>
Tag fuhren ſie bis <hirendition="#g">Weimar</hi>; und da ſie Beſtellungen nach<lb/>
dem <hirendition="#g">Herrnhuter</hi> Gemeinort <hirendition="#g">Neudietendorf</hi> hatten, ſo<lb/>
machten ſie von <hirendition="#g">Erfurt</hi> aus einen kleinen Umweg dahin, blie-<lb/>
ben den Sonntag da, und reisten dann des Montags uͤber <hirendition="#g">Gotha</hi><lb/>
nach <hirendition="#g">Eiſenach</hi>. In <hirendition="#g">Gotha</hi> wartete <hirendition="#g">Stilling</hi> dem Herzog<lb/>
auf, mit dem er eine kurze intereſſante Unterredung hatte.</p><lb/><p>In <hirendition="#g">Eiſenach</hi> fanden ſie ihren lieben Freund von <hirendition="#g">Goͤchhau-<lb/>ſen</hi> wieder beſſer; mit ihm, ſeinem Bruder und Schweſter,<lb/>
und mit dem wuͤrdigen Doctor <hirendition="#g">Muͤller</hi> brachten ſie einen ver-<lb/>
gnuͤgten Abend zu, und fuhren dann Dienſtags, den 26. April,<lb/>
nach <hirendition="#g">Kaſſel</hi>. Hier ruhten ſie nun aus bis Montags den 2. Mai.<lb/>
Bruder <hirendition="#g">Coing</hi> kam mit ſeiner Gattin auch dahin, alle Geſchwiſter<lb/>
waren dieſe Tage uͤber ſehr vergnuͤgt zuſammen. Dann reiste Bru-<lb/>
der <hirendition="#g">Coing</hi> mit ſeiner <hirendition="#g">Julie</hi> wieder nach Hauſe, und <hirendition="#g">Stilling</hi><lb/>
und <hirendition="#g">Eliſe</hi> an ſo eben bemerktem Tage wieder nach Marburg.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></div></body></text></TEI>
[575/0583]
Das Gedraͤnge der Huͤlfsbeduͤrftigen war auſſerordentlich groß.
Dienſtags den 12. April, alſo am dritten Oſtertag, reisten
ſie unter dem Segen vieler edler Menſchen von Herrnhut
nach Kleinwelke. Hier wurden noch Einige operirt, und
am folgenden Tage fuhren ſie nach Dresden, wo ſie bis den
Sonnabend blieben, und dann ihren Ruͤckweg uͤber Wald-
heim, Coldiz, Grimma und Wurzen nach Leipzig
nahmen. Die Urſachen dieſes Umwegs waren, einige Blinden
im Armenhauſe zu Waldheim, denen der liebevolle Vater
der Armen, der Miniſter von Burgsdorf, gern zu ihrem Ge-
ſicht helfen wollte, und dann eine freundliche Einladung ſeiner
Kinder von Hopfgarten in Coldiz; hier operirte Stil-
ling die letzten Staarblinden auf dieſer Reiſe. Es thut mir
wehe, daß ich nicht Allen den lieben vortrefflichen Menſchen, die
Stilling und Eliſe ſo unausſprechlich viele Liebe erzeigt,
und mit denen ſie ſich auf Zeit und Ewigkeit vereinigt haben,
hier laut und oͤffentlich danken kann und daß; allein Jeder ſieht
ein, daß das aus vielen wichtigen Gruͤnden nicht angeht. Wir
wollen das auf die Ewigkeit verſparen.
Donnerſtags den 21., Nachmittags reisten ſie von Leipzig
ab, und blieben uͤber Nacht in Weißenfels; den folgenden
Tag fuhren ſie bis Weimar; und da ſie Beſtellungen nach
dem Herrnhuter Gemeinort Neudietendorf hatten, ſo
machten ſie von Erfurt aus einen kleinen Umweg dahin, blie-
ben den Sonntag da, und reisten dann des Montags uͤber Gotha
nach Eiſenach. In Gotha wartete Stilling dem Herzog
auf, mit dem er eine kurze intereſſante Unterredung hatte.
In Eiſenach fanden ſie ihren lieben Freund von Goͤchhau-
ſen wieder beſſer; mit ihm, ſeinem Bruder und Schweſter,
und mit dem wuͤrdigen Doctor Muͤller brachten ſie einen ver-
gnuͤgten Abend zu, und fuhren dann Dienſtags, den 26. April,
nach Kaſſel. Hier ruhten ſie nun aus bis Montags den 2. Mai.
Bruder Coing kam mit ſeiner Gattin auch dahin, alle Geſchwiſter
waren dieſe Tage uͤber ſehr vergnuͤgt zuſammen. Dann reiste Bru-
der Coing mit ſeiner Julie wieder nach Hauſe, und Stilling
und Eliſe an ſo eben bemerktem Tage wieder nach Marburg.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/583>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.