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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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eine andere Gelegenheit erwarten wollen, wo ihm mehr Besol-
dung zugesagt würde, so wäre das seiner Lage, bei seinen Glan-
benserfahrungen, ein höchst strafbares Mißtrauen, und da die
Vorsehung diesen Ruf unzweifelbar vorbereitet und zubereitet hatte,
auch eine schwere Sünde des Ungehorsams gewesen, wenn er sie
nicht angenommen hätte; und dann war diese Vokation so sel-
ten, so einzig in ihrer Art, daß man unmöglich noch Einmal
eine ähnliche erwarten konnte; und endlich sieht der Erleuchtete,
der wahre Christ leicht ein, daß Stillings großer Führer
keinen andern Zweck dabei hat, als ihn und seine Elise immer-
fort im Glaubensodem zu erhalten, -- sie in die Lage setzen,
daß sie ihm immer nach seiner milden Hand sehen, und ihre Au-
gen auf ihn warten müssen. Diese Ueberzeugungen Alle bestimm-
ten Beide, den Ruf in Gottes Namen anzunehmen; um aber
doch Alles zu thun, was gethan werden konnte, um sich vor-
wurfsfrei zu erhalten, schrieb Stilling an den Kurfürsten von
Baden, und bat wo möglich noch um eine Zulage an Natural-
besoldung; darauf kam dann die Vokation, in welcher ihm diese
Zulage zugesichert wurde, sobald irgendwo eine fällig werden würde.

Jetzt, lieben Leser! war nun auch die große Frage über
Stillings eigentliche und endliche Bestimmung entschieden,
und der zweite größte Knoten seiner wunderbaren Führung ge-
löst -- jetzt kann man nicht mehr sagen, sein Glaube und sein
Vertrauen auf Jesum Christum und seine Weltregierung sey
Schwärmerei und Aberglauben; im Gegentheil, der Erlöser hat
sich selbst, und den Glauben seines Knechts herrlich und augen-
scheinlich legitimirt, und zum Beweis, daß ihm Stillings Ent-
schluß wohlgefällig sey, gab Er ihm noch folgendes herrliche Zei-
chen seines gnädigen Beifalls.

Mehr als 50 Meilen von Marburg entfernt lebt eine Dame,
die von Stillings gegenwärtiger Lage und Bedürfnissen nicht
das Allergeringste wußte, der er aber durch seine Schriften be-
kannt war; diese fühlt sich in ihrem Gemüth angeregt, Stil-
lingen
20 Louisd'or zu schicken. Sie folgte dieser Anre-
gung einfältig und im Glauben, packte die 20 Louisd'or ein,
und schrieb dann dabei: sie habe einen Trieb in sich ge-
spürt, ihm das Geld zu schicken, er werde nun wohl

eine andere Gelegenheit erwarten wollen, wo ihm mehr Beſol-
dung zugeſagt wuͤrde, ſo waͤre das ſeiner Lage, bei ſeinen Glan-
benserfahrungen, ein hoͤchſt ſtrafbares Mißtrauen, und da die
Vorſehung dieſen Ruf unzweifelbar vorbereitet und zubereitet hatte,
auch eine ſchwere Suͤnde des Ungehorſams geweſen, wenn er ſie
nicht angenommen haͤtte; und dann war dieſe Vokation ſo ſel-
ten, ſo einzig in ihrer Art, daß man unmoͤglich noch Einmal
eine aͤhnliche erwarten konnte; und endlich ſieht der Erleuchtete,
der wahre Chriſt leicht ein, daß Stillings großer Fuͤhrer
keinen andern Zweck dabei hat, als ihn und ſeine Eliſe immer-
fort im Glaubensodem zu erhalten, — ſie in die Lage ſetzen,
daß ſie ihm immer nach ſeiner milden Hand ſehen, und ihre Au-
gen auf ihn warten muͤſſen. Dieſe Ueberzeugungen Alle beſtimm-
ten Beide, den Ruf in Gottes Namen anzunehmen; um aber
doch Alles zu thun, was gethan werden konnte, um ſich vor-
wurfsfrei zu erhalten, ſchrieb Stilling an den Kurfuͤrſten von
Baden, und bat wo moͤglich noch um eine Zulage an Natural-
beſoldung; darauf kam dann die Vokation, in welcher ihm dieſe
Zulage zugeſichert wurde, ſobald irgendwo eine faͤllig werden wuͤrde.

Jetzt, lieben Leſer! war nun auch die große Frage uͤber
Stillings eigentliche und endliche Beſtimmung entſchieden,
und der zweite groͤßte Knoten ſeiner wunderbaren Fuͤhrung ge-
loͤst — jetzt kann man nicht mehr ſagen, ſein Glaube und ſein
Vertrauen auf Jeſum Chriſtum und ſeine Weltregierung ſey
Schwaͤrmerei und Aberglauben; im Gegentheil, der Erloͤſer hat
ſich ſelbſt, und den Glauben ſeines Knechts herrlich und augen-
ſcheinlich legitimirt, und zum Beweis, daß ihm Stillings Ent-
ſchluß wohlgefaͤllig ſey, gab Er ihm noch folgendes herrliche Zei-
chen ſeines gnaͤdigen Beifalls.

Mehr als 50 Meilen von Marburg entfernt lebt eine Dame,
die von Stillings gegenwaͤrtiger Lage und Beduͤrfniſſen nicht
das Allergeringſte wußte, der er aber durch ſeine Schriften be-
kannt war; dieſe fuͤhlt ſich in ihrem Gemuͤth angeregt, Stil-
lingen
20 Louisd’or zu ſchicken. Sie folgte dieſer Anre-
gung einfaͤltig und im Glauben, packte die 20 Louisd’or ein,
und ſchrieb dann dabei: ſie habe einen Trieb in ſich ge-
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[580/0588] eine andere Gelegenheit erwarten wollen, wo ihm mehr Beſol- dung zugeſagt wuͤrde, ſo waͤre das ſeiner Lage, bei ſeinen Glan- benserfahrungen, ein hoͤchſt ſtrafbares Mißtrauen, und da die Vorſehung dieſen Ruf unzweifelbar vorbereitet und zubereitet hatte, auch eine ſchwere Suͤnde des Ungehorſams geweſen, wenn er ſie nicht angenommen haͤtte; und dann war dieſe Vokation ſo ſel- ten, ſo einzig in ihrer Art, daß man unmoͤglich noch Einmal eine aͤhnliche erwarten konnte; und endlich ſieht der Erleuchtete, der wahre Chriſt leicht ein, daß Stillings großer Fuͤhrer keinen andern Zweck dabei hat, als ihn und ſeine Eliſe immer- fort im Glaubensodem zu erhalten, — ſie in die Lage ſetzen, daß ſie ihm immer nach ſeiner milden Hand ſehen, und ihre Au- gen auf ihn warten muͤſſen. Dieſe Ueberzeugungen Alle beſtimm- ten Beide, den Ruf in Gottes Namen anzunehmen; um aber doch Alles zu thun, was gethan werden konnte, um ſich vor- wurfsfrei zu erhalten, ſchrieb Stilling an den Kurfuͤrſten von Baden, und bat wo moͤglich noch um eine Zulage an Natural- beſoldung; darauf kam dann die Vokation, in welcher ihm dieſe Zulage zugeſichert wurde, ſobald irgendwo eine faͤllig werden wuͤrde. Jetzt, lieben Leſer! war nun auch die große Frage uͤber Stillings eigentliche und endliche Beſtimmung entſchieden, und der zweite groͤßte Knoten ſeiner wunderbaren Fuͤhrung ge- loͤst — jetzt kann man nicht mehr ſagen, ſein Glaube und ſein Vertrauen auf Jeſum Chriſtum und ſeine Weltregierung ſey Schwaͤrmerei und Aberglauben; im Gegentheil, der Erloͤſer hat ſich ſelbſt, und den Glauben ſeines Knechts herrlich und augen- ſcheinlich legitimirt, und zum Beweis, daß ihm Stillings Ent- ſchluß wohlgefaͤllig ſey, gab Er ihm noch folgendes herrliche Zei- chen ſeines gnaͤdigen Beifalls. Mehr als 50 Meilen von Marburg entfernt lebt eine Dame, die von Stillings gegenwaͤrtiger Lage und Beduͤrfniſſen nicht das Allergeringſte wußte, der er aber durch ſeine Schriften be- kannt war; dieſe fuͤhlt ſich in ihrem Gemuͤth angeregt, Stil- lingen 20 Louisd’or zu ſchicken. Sie folgte dieſer Anre- gung einfaͤltig und im Glauben, packte die 20 Louisd’or ein, und ſchrieb dann dabei: ſie habe einen Trieb in ſich ge- ſpuͤrt, ihm das Geld zu ſchicken, er werde nun wohl

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/588>, abgerufen am 31.10.2024.