Winter; plötzlich faßte ich mich, und mein alter Wahlspruch, der so oft mein Stecken und Stab gewesen war, -- "der Herr wirds versehen!" -- -- beruhigte mich. Nach der Tafel nahm mich der Kurfürst mit in sein Kabinet, und gab mir 300 Gulden mit den Worten: "Das ist für den Aufenthalt in Baden."
Meine Beschäftigung bestand in meinem starken Briefwechsel, im Schreiben des grauen Mannes und des christli- chen Menschenfreunds, dann auch in Bedienung vieler Staar- und Augenpatienten, die täglich kamen und Hülfe suchten.
Der 24. Julius war nun der Zeitpunkt, an dem ich nach Baden gehen mußte, ich nahm also unsere Freundin Julie, meine Frau, die kleine Christine, und meine Nichte Marie- chen, die uns aufwarten sollte, mit; denn meiner Frau, der Julie und der geschwächten Christine war das Bad sehr heilsam, wir bezogen unser Quartier im Gast- und Badhause zum Salmen, während dem unsere Karoline mit den beiden Kleinen, dem Friedrich, der Amalie und den Mägden die Haushaltung in Heidelberg fortsetzten.
Baden ist eine uralte, zu der Römer Zeiten schon stark be- suchte Badstadt, sie liegt in einem paradiesischen Thal, und ist ein äusserst angenehmer Aufenthalt, sie ist sieben Stunden von Karlsruhe, und zwei von Rastadt entfernt; das Thal nimmt seine Richtung von Südosten gegen Nordwesten, und wird von dem Flüßchen Ohß durchströmt, das sich besonders durch Holzflößen wichtig macht, den Horizont begränzt das hohe zackichte Gebirge des Schwarzwaldes, an dessen Fuß auf beiden Seiten des Thals fruchtbare, von unten bis oben mit Aeckern, Weinbergen und Gärten besäte Hügel das Auge ergötzen. An einem dieser Hügel gegen Norden hängt an der Mittagsseite die Stadt herab, auf der Spitze steht das Schloß, welches vor der Erbauung Rastadts von dem Markgrafen von Baden-Ba- den bewohnt wurde.
Durch die weite Oeffnung des Thals gegen Nordwesten sieht man über die paradiesischen Gefilde des Großherzogthums Ba- den und des schwelgenden Elsaß hin, in blauer Ferne die romantischen vogesischen Gebirge, und der majestätische
Winter; ploͤtzlich faßte ich mich, und mein alter Wahlſpruch, der ſo oft mein Stecken und Stab geweſen war, — „der Herr wirds verſehen!“ — — beruhigte mich. Nach der Tafel nahm mich der Kurfuͤrſt mit in ſein Kabinet, und gab mir 300 Gulden mit den Worten: „Das iſt fuͤr den Aufenthalt in Baden.“
Meine Beſchaͤftigung beſtand in meinem ſtarken Briefwechſel, im Schreiben des grauen Mannes und des chriſtli- chen Menſchenfreunds, dann auch in Bedienung vieler Staar- und Augenpatienten, die taͤglich kamen und Huͤlfe ſuchten.
Der 24. Julius war nun der Zeitpunkt, an dem ich nach Baden gehen mußte, ich nahm alſo unſere Freundin Julie, meine Frau, die kleine Chriſtine, und meine Nichte Marie- chen, die uns aufwarten ſollte, mit; denn meiner Frau, der Julie und der geſchwaͤchten Chriſtine war das Bad ſehr heilſam, wir bezogen unſer Quartier im Gaſt- und Badhauſe zum Salmen, waͤhrend dem unſere Karoline mit den beiden Kleinen, dem Friedrich, der Amalie und den Maͤgden die Haushaltung in Heidelberg fortſetzten.
Baden iſt eine uralte, zu der Roͤmer Zeiten ſchon ſtark be- ſuchte Badſtadt, ſie liegt in einem paradieſiſchen Thal, und iſt ein aͤuſſerſt angenehmer Aufenthalt, ſie iſt ſieben Stunden von Karlsruhe, und zwei von Raſtadt entfernt; das Thal nimmt ſeine Richtung von Suͤdoſten gegen Nordweſten, und wird von dem Fluͤßchen Ohß durchſtroͤmt, das ſich beſonders durch Holzfloͤßen wichtig macht, den Horizont begraͤnzt das hohe zackichte Gebirge des Schwarzwaldes, an deſſen Fuß auf beiden Seiten des Thals fruchtbare, von unten bis oben mit Aeckern, Weinbergen und Gaͤrten beſaͤte Huͤgel das Auge ergoͤtzen. An einem dieſer Huͤgel gegen Norden haͤngt an der Mittagsſeite die Stadt herab, auf der Spitze ſteht das Schloß, welches vor der Erbauung Raſtadts von dem Markgrafen von Baden-Ba- den bewohnt wurde.
Durch die weite Oeffnung des Thals gegen Nordweſten ſieht man uͤber die paradieſiſchen Gefilde des Großherzogthums Ba- den und des ſchwelgenden Elſaß hin, in blauer Ferne die romantiſchen vogeſiſchen Gebirge, und der majeſtaͤtiſche
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Winter; ploͤtzlich faßte ich mich, und mein alter Wahlſpruch,
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wirds verſehen!“ — — beruhigte mich. Nach der Tafel
nahm mich der Kurfuͤrſt mit in ſein Kabinet, und gab mir 300
Gulden mit den Worten: „Das iſt fuͤr den Aufenthalt
in Baden.“
Meine Beſchaͤftigung beſtand in meinem ſtarken Briefwechſel,
im Schreiben des grauen Mannes und des chriſtli-
chen Menſchenfreunds, dann auch in Bedienung vieler
Staar- und Augenpatienten, die taͤglich kamen und Huͤlfe ſuchten.
Der 24. Julius war nun der Zeitpunkt, an dem ich nach
Baden gehen mußte, ich nahm alſo unſere Freundin Julie,
meine Frau, die kleine Chriſtine, und meine Nichte Marie-
chen, die uns aufwarten ſollte, mit; denn meiner Frau, der
Julie und der geſchwaͤchten Chriſtine war das Bad ſehr
heilſam, wir bezogen unſer Quartier im Gaſt- und Badhauſe
zum Salmen, waͤhrend dem unſere Karoline mit den beiden
Kleinen, dem Friedrich, der Amalie und den Maͤgden die
Haushaltung in Heidelberg fortſetzten.
Baden iſt eine uralte, zu der Roͤmer Zeiten ſchon ſtark be-
ſuchte Badſtadt, ſie liegt in einem paradieſiſchen Thal, und iſt
ein aͤuſſerſt angenehmer Aufenthalt, ſie iſt ſieben Stunden von
Karlsruhe, und zwei von Raſtadt entfernt; das Thal
nimmt ſeine Richtung von Suͤdoſten gegen Nordweſten, und
wird von dem Fluͤßchen Ohß durchſtroͤmt, das ſich beſonders
durch Holzfloͤßen wichtig macht, den Horizont begraͤnzt das hohe
zackichte Gebirge des Schwarzwaldes, an deſſen Fuß auf beiden
Seiten des Thals fruchtbare, von unten bis oben mit Aeckern,
Weinbergen und Gaͤrten beſaͤte Huͤgel das Auge ergoͤtzen. An
einem dieſer Huͤgel gegen Norden haͤngt an der Mittagsſeite die
Stadt herab, auf der Spitze ſteht das Schloß, welches vor der
Erbauung Raſtadts von dem Markgrafen von Baden-Ba-
den bewohnt wurde.
Durch die weite Oeffnung des Thals gegen Nordweſten ſieht
man uͤber die paradieſiſchen Gefilde des Großherzogthums Ba-
den und des ſchwelgenden Elſaß hin, in blauer Ferne die
romantiſchen vogeſiſchen Gebirge, und der majeſtaͤtiſche
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/635>, abgerufen am 24.11.2024.
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