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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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"gel, ich mache Euch so viele Mühe!" So sagte er
auch: "Ach ihr Kinder, ich bin so gerührt durch
"Eure beispiellose Liebe! übrigens wünschte ich
"um Euertwillen, daß ich nicht im Paroxismus
"stürbe
!" -- Nämlich öfters wiederholte sich ein heftiger An-
fall seiner Uebelkeit, der durch das Wasser in der Brust veran-
laßt wurde, weil seine Krankheit in völlige Brustwassersucht über-
gegangen war; und darum sagte er uns einige Male: "Es
"ist doch etwas Trauriges, wenn man ersticken
"muß; aber es soll ja seyn
!" An seinem Bette, das in
seiner Arbeitsstube stand, aus welcher so viel Segen für die Welt
ausging, und welche durch erhabene Gemälde, Kupferstiche und
Denkmäler geschmückt, einem Heiligthume glich, hatte er fort-
während schöne Blumen in Töpfen stehen. Auf diesen und auf
dem gegen ihn an der Wand hängenden Kupferstiche der Madonna
nach Raphael von Müller, weilten besonders gerne seine Blicke.

So sagte er seinem jüngsten Sohne, der ihm die Blumenstöcke
besorgte, im Gespräch: "Siehe l. S. die schönen Blumen
(es waren Hyacinthen, Narcissen und Veilchen), "und darum
"herum die schönen Kinderköpfe
!" In der Nacht vom
letzten März auf den ersten April, sprach er noch mancherlei
mit mir von meinen lieben Eltern und Geschwistern in Heidel-
berg, und von andern Dingen, und von meinem geistlichen Amte.
Sodann begehrte er ein Glas frisches Wasser, was er mit beson-
derer Lust trank, wie denn überhaupt sein trockener Gaumen
mehr und mehr nach labenden Getränken lechzte; und diesen
Trunk rühmte er des andern Tages seinen beiden jüngsten Töch-
tern, sagend: "Es kann sich Niemand den Wohlge-
"schmack vorstellen, den ich heute Nacht hatte,
"als ich ein Glas frisches Wasser trank; wenn
"die Natur wieder in ihren reinen Zustand zu-
"rückkehrt, und Wasser und Wein genießt, so ist
"das das Beste, wenn es der Krampf erlaubt
."
Und darum sagte er bald darauf: "Die einfachsten Spei-
"sen sind für den Menschen in der ersten und letz-
"ten Zeit nöthig; Wasser und Milch ist der An-
"fang und das Ende
."


„gel, ich mache Euch ſo viele Muͤhe!“ So ſagte er
auch: „Ach ihr Kinder, ich bin ſo geruͤhrt durch
„Eure beiſpielloſe Liebe! uͤbrigens wuͤnſchte ich
„um Euertwillen, daß ich nicht im Paroxismus
„ſtuͤrbe
!“ — Naͤmlich oͤfters wiederholte ſich ein heftiger An-
fall ſeiner Uebelkeit, der durch das Waſſer in der Bruſt veran-
laßt wurde, weil ſeine Krankheit in voͤllige Bruſtwaſſerſucht uͤber-
gegangen war; und darum ſagte er uns einige Male: „Es
„iſt doch etwas Trauriges, wenn man erſticken
„muß; aber es ſoll ja ſeyn
!“ An ſeinem Bette, das in
ſeiner Arbeitsſtube ſtand, aus welcher ſo viel Segen fuͤr die Welt
ausging, und welche durch erhabene Gemaͤlde, Kupferſtiche und
Denkmaͤler geſchmuͤckt, einem Heiligthume glich, hatte er fort-
waͤhrend ſchoͤne Blumen in Toͤpfen ſtehen. Auf dieſen und auf
dem gegen ihn an der Wand haͤngenden Kupferſtiche der Madonna
nach Raphael von Muͤller, weilten beſonders gerne ſeine Blicke.

So ſagte er ſeinem juͤngſten Sohne, der ihm die Blumenſtoͤcke
beſorgte, im Geſpraͤch: „Siehe l. S. die ſchoͤnen Blumen
(es waren Hyacinthen, Narciſſen und Veilchen), „und darum
„herum die ſchoͤnen Kinderkoͤpfe
!“ In der Nacht vom
letzten Maͤrz auf den erſten April, ſprach er noch mancherlei
mit mir von meinen lieben Eltern und Geſchwiſtern in Heidel-
berg, und von andern Dingen, und von meinem geiſtlichen Amte.
Sodann begehrte er ein Glas friſches Waſſer, was er mit beſon-
derer Luſt trank, wie denn uͤberhaupt ſein trockener Gaumen
mehr und mehr nach labenden Getraͤnken lechzte; und dieſen
Trunk ruͤhmte er des andern Tages ſeinen beiden juͤngſten Toͤch-
tern, ſagend: „Es kann ſich Niemand den Wohlge-
„ſchmack vorſtellen, den ich heute Nacht hatte,
„als ich ein Glas friſches Waſſer trank; wenn
„die Natur wieder in ihren reinen Zuſtand zu-
„ruͤckkehrt, und Waſſer und Wein genießt, ſo iſt
„das das Beſte, wenn es der Krampf erlaubt
.“
Und darum ſagte er bald darauf: „Die einfachſten Spei-
„ſen ſind fuͤr den Menſchen in der erſten und letz-
„ten Zeit noͤthig; Waſſer und Milch iſt der An-
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.“


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[639/0647] „gel, ich mache Euch ſo viele Muͤhe!“ So ſagte er auch: „Ach ihr Kinder, ich bin ſo geruͤhrt durch „Eure beiſpielloſe Liebe! uͤbrigens wuͤnſchte ich „um Euertwillen, daß ich nicht im Paroxismus „ſtuͤrbe!“ — Naͤmlich oͤfters wiederholte ſich ein heftiger An- fall ſeiner Uebelkeit, der durch das Waſſer in der Bruſt veran- laßt wurde, weil ſeine Krankheit in voͤllige Bruſtwaſſerſucht uͤber- gegangen war; und darum ſagte er uns einige Male: „Es „iſt doch etwas Trauriges, wenn man erſticken „muß; aber es ſoll ja ſeyn!“ An ſeinem Bette, das in ſeiner Arbeitsſtube ſtand, aus welcher ſo viel Segen fuͤr die Welt ausging, und welche durch erhabene Gemaͤlde, Kupferſtiche und Denkmaͤler geſchmuͤckt, einem Heiligthume glich, hatte er fort- waͤhrend ſchoͤne Blumen in Toͤpfen ſtehen. Auf dieſen und auf dem gegen ihn an der Wand haͤngenden Kupferſtiche der Madonna nach Raphael von Muͤller, weilten beſonders gerne ſeine Blicke. So ſagte er ſeinem juͤngſten Sohne, der ihm die Blumenſtoͤcke beſorgte, im Geſpraͤch: „Siehe l. S. die ſchoͤnen Blumen (es waren Hyacinthen, Narciſſen und Veilchen), „und darum „herum die ſchoͤnen Kinderkoͤpfe!“ In der Nacht vom letzten Maͤrz auf den erſten April, ſprach er noch mancherlei mit mir von meinen lieben Eltern und Geſchwiſtern in Heidel- berg, und von andern Dingen, und von meinem geiſtlichen Amte. Sodann begehrte er ein Glas friſches Waſſer, was er mit beſon- derer Luſt trank, wie denn uͤberhaupt ſein trockener Gaumen mehr und mehr nach labenden Getraͤnken lechzte; und dieſen Trunk ruͤhmte er des andern Tages ſeinen beiden juͤngſten Toͤch- tern, ſagend: „Es kann ſich Niemand den Wohlge- „ſchmack vorſtellen, den ich heute Nacht hatte, „als ich ein Glas friſches Waſſer trank; wenn „die Natur wieder in ihren reinen Zuſtand zu- „ruͤckkehrt, und Waſſer und Wein genießt, ſo iſt „das das Beſte, wenn es der Krampf erlaubt.“ Und darum ſagte er bald darauf: „Die einfachſten Spei- „ſen ſind fuͤr den Menſchen in der erſten und letz- „ten Zeit noͤthig; Waſſer und Milch iſt der An- „fang und das Ende.“

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/647>, abgerufen am 22.11.2024.