Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Kunstwirthschaftliche
sollen sich mit höchstem Fleise und Sorg-
falt um die wahre Seelenbedürfnisse und
ihre Erkänntniß bemühen.

§. 260. Dann sollen sie die wahre Geistes
Bedürfnisse von den falschen zu unterschei-
den wissen, nicht jede Wahrheit ist nüzlich,
und noch weniger jedes Vergnügen. Dero-
wegen sind das nur Bedürfnisse der Wahr-
heit und des Vergnügens, welche der
zeitlichen und ewigen Glückseligkeit des
Menschen wahrhaft, beförderlich, kei-
nesweges aber die ihr hinderlich sind.

§. 261. Alles, was dem Menschen Ver-
gnügen macht, ist in Ansehung seiner schön
und gut.
Da aber sehr viele Vergnügen
schädliche Folgen für die Menschheit haben,
so sind die Befriedigungsmittel dieser Ver-
gnügen nicht wahrhaft schön, wahrhaft
gut,
sondern nur falsch und im Scheine.
Es ist daher ein höllischer Grundsaz der Schön-
künstler, wenn sie alles, was die Natur
nach ihrem Sinne Gutes und Schönes hat,
ihren Erzeugungen einverweben wollen.

§. 262.

Kunſtwirthſchaftliche
ſollen ſich mit hoͤchſtem Fleiſe und Sorg-
falt um die wahre Seelenbeduͤrfniſſe und
ihre Erkaͤnntniß bemuͤhen.

§. 260. Dann ſollen ſie die wahre Geiſtes
Beduͤrfniſſe von den falſchen zu unterſchei-
den wiſſen, nicht jede Wahrheit iſt nuͤzlich,
und noch weniger jedes Vergnuͤgen. Dero-
wegen ſind das nur Beduͤrfniſſe der Wahr-
heit und des Vergnuͤgens, welche der
zeitlichen und ewigen Gluͤckſeligkeit des
Menſchen wahrhaft, befoͤrderlich, kei-
nesweges aber die ihr hinderlich ſind.

§. 261. Alles, was dem Menſchen Ver-
gnuͤgen macht, iſt in Anſehung ſeiner ſchoͤn
und gut.
Da aber ſehr viele Vergnuͤgen
ſchaͤdliche Folgen fuͤr die Menſchheit haben,
ſo ſind die Befriedigungsmittel dieſer Ver-
gnuͤgen nicht wahrhaft ſchoͤn, wahrhaft
gut,
ſondern nur falſch und im Scheine.
Es iſt daher ein hoͤlliſcher Grundſaz der Schoͤn-
kuͤnſtler, wenn ſie alles, was die Natur
nach ihrem Sinne Gutes und Schoͤnes hat,
ihren Erzeugungen einverweben wollen.

§. 262.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0148" n="128"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Kun&#x017F;twirth&#x017F;chaftliche</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">&#x017F;ollen &#x017F;ich mit ho&#x0364;ch&#x017F;tem Flei&#x017F;e und Sorg-<lb/>
falt um die wahre Seelenbedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
ihre Erka&#x0364;nntniß bemu&#x0364;hen.</hi> </p><lb/>
          <p>§. 260. Dann &#x017F;ollen &#x017F;ie die wahre Gei&#x017F;tes<lb/>
Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e von den fal&#x017F;chen zu unter&#x017F;chei-<lb/>
den wi&#x017F;&#x017F;en, nicht jede Wahrheit i&#x017F;t nu&#x0364;zlich,<lb/>
und noch weniger jedes Vergnu&#x0364;gen. <hi rendition="#fr">Dero-<lb/>
wegen &#x017F;ind das nur Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e der Wahr-<lb/>
heit und des Vergnu&#x0364;gens, welche der<lb/>
zeitlichen und ewigen Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit des<lb/>
Men&#x017F;chen wahrhaft, befo&#x0364;rderlich, kei-<lb/>
nesweges aber die ihr hinderlich &#x017F;ind.</hi></p><lb/>
          <p>§. 261. Alles, was dem Men&#x017F;chen Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen macht, i&#x017F;t in An&#x017F;ehung &#x017F;einer <hi rendition="#fr">&#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
und gut.</hi> Da aber &#x017F;ehr viele Vergnu&#x0364;gen<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;dliche Folgen fu&#x0364;r die Men&#x017F;chheit haben,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ind die Befriedigungsmittel die&#x017F;er Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen nicht <hi rendition="#fr">wahrhaft &#x017F;cho&#x0364;n, wahrhaft<lb/>
gut,</hi> &#x017F;ondern nur <hi rendition="#fr">fal&#x017F;ch</hi> und <hi rendition="#fr">im Scheine.</hi><lb/>
Es i&#x017F;t daher ein ho&#x0364;lli&#x017F;cher Grund&#x017F;az der Scho&#x0364;n-<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tler, wenn &#x017F;ie <hi rendition="#fr">alles,</hi> was die Natur<lb/>
nach ihrem Sinne Gutes und Scho&#x0364;nes hat,<lb/>
ihren Erzeugungen einverweben wollen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 262.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0148] Kunſtwirthſchaftliche ſollen ſich mit hoͤchſtem Fleiſe und Sorg- falt um die wahre Seelenbeduͤrfniſſe und ihre Erkaͤnntniß bemuͤhen. §. 260. Dann ſollen ſie die wahre Geiſtes Beduͤrfniſſe von den falſchen zu unterſchei- den wiſſen, nicht jede Wahrheit iſt nuͤzlich, und noch weniger jedes Vergnuͤgen. Dero- wegen ſind das nur Beduͤrfniſſe der Wahr- heit und des Vergnuͤgens, welche der zeitlichen und ewigen Gluͤckſeligkeit des Menſchen wahrhaft, befoͤrderlich, kei- nesweges aber die ihr hinderlich ſind. §. 261. Alles, was dem Menſchen Ver- gnuͤgen macht, iſt in Anſehung ſeiner ſchoͤn und gut. Da aber ſehr viele Vergnuͤgen ſchaͤdliche Folgen fuͤr die Menſchheit haben, ſo ſind die Befriedigungsmittel dieſer Ver- gnuͤgen nicht wahrhaft ſchoͤn, wahrhaft gut, ſondern nur falſch und im Scheine. Es iſt daher ein hoͤlliſcher Grundſaz der Schoͤn- kuͤnſtler, wenn ſie alles, was die Natur nach ihrem Sinne Gutes und Schoͤnes hat, ihren Erzeugungen einverweben wollen. §. 262.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/148
Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/148>, abgerufen am 24.11.2024.